Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Heidelberger Software für sichere Geburten in Afrika

Geburtshelfer im ländlichen Afrika betreuen Frauen während Schwangerschaft und Entbindung unter schwierigsten Umständen. Erschwerend kommt hinzu, dass sie oft nur unzureichend ausgebildet sind. Treten dann bei einer Geburt Komplikationen auf, können sie häufig nicht rechtzeitig und angemessen reagieren, obwohl in vielen Fällen Hilfe in Reichweite wäre.

Verbessern soll das nun eine Software, die Wissenschaftler um Prof. Dr. Walter E. Haefeli von der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg entwickelt haben. Das Programm – ein sogenanntes Clinical decision support system (CDSS) – wird in ländlichen Gesundheitsstationen auf Laptops installiert, die mit Solarstrom betrieben werden, und führt Geburtshelfer durch die von der Weltgesundheitsorganisation WHO vorgeschlagenen Minimalschritte der Schwangerenvorsorge und Geburtshilfe. Dabei kann das System kritische Situationen identifizieren und Entscheidungshilfe zum weiteren Vorgehen bieten.

Die Entwicklung und der Einsatz der Software in drei afrikanischen Ländern gehört zum internationalen Kooperationsprojekt QUALMAT (Quality of prenatal and maternal care), das von der EU mit drei Millionen Euro gefördert wird. Die Federführung hat Prof. Dr. Rainer Sauerborn, Direktor des Instituts für Public Health am Heidelberger Universitätsklinikum. Ziel von QUALMAT ist es, medizinische Fachkenntnisse nach WHO-Richtlinien in der Geburtshilfe auch außerhalb großer Krankenhäuser besser zu etablieren und die Motivation des medizinischen Personals zu erhöhen.

Jährlich sterben weltweit rund 225 000 Frauen und zwei Millionen Kinder aufgrund von Komplikationen bei der Entbindung. In den afrikanischen Ländern ist das Risiko der Frauen, bei der Geburt zu Tode zu kommen, teilweise um das Hundertfache höher als in Europa. „Viele könnten durch einfache Maßnahmen gerettet werden“, erklärt die Projektleiterin für die Entwicklung der Software Dr. Antje Blank, Ärztin der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, „doch häufig unterbleiben selbst einfachste Untersuchungen, die Risiken rechtzeitig aufzeigen, wie beispielsweise das Messen des Blutdrucks.“

Ärztin Dr. Antje Blank (links) von der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie zeigt Mitarbeitern einer Gesundheitsstation in Burkina Faso die am Heidelberger Uniklinikum entwickelte Software.
Foto: Universitätsklinikum Heidelberg

Die Heidelberger Software lotst gelernte wie ungelernte Helfer durch die Geburt. Besonders bedeutsam sind dabei Checklisten mit Basisuntersuchungen für die Schwangerenvorsorge. Werden die Untersuchungsergebnisse in den Rechner eingegeben, erkennt das Programm selbstständig kritische Situationen und empfiehlt Medikamente oder eine rechtzeitige Verlegung in das nächste Krankenhaus. Da die Wege lang sind, muss diese Entscheidung möglichst früh fallen. Außerdem stellt die Software weitere Informationen und Fortbildungsdokumente zum Selbststudium bereit, wozu medizinisches Personal im ländlichen Afrika oft keinen Zugang hat. Ähnliche Systeme – wie das von Professor Haefeli und seiner Abteilung entwickelte elektronische Arzneimittel-Beratungsprogramm AiDKlinik – finden inzwischen europaweit Anwendung und führen in vielen Fällen zu einer deutlichen Verbesserung der medizinischen Versorgung.

Die elektronische Entscheidungshilfe kommt in Burkina Faso, Ghana und Tansania in jeweils sechs Gesundheitsstationen zum Einsatz und wird dort auf ihren Nutzen hin überprüft. „Der Einsatz des Systems in diesen Einrichtungen ist eine Herausforderung, da das Personal den Umgang mit Computern nicht gewohnt ist, und gleichzeitig auch die Stromzufuhr und die Funktion der Hardware sichergestellt sein muss“, weiß Dipl.-Ing. Jens Kaltschmidt, der die Programmierung der Software geleitet hat.

Und Dr. Blank ergänzt: „Die Stromversorgung und die Ausstattung mit einem Computer werten Arbeitsplätze des medizinischen Personals im ländlichen Afrika enorm auf, was sich hoffentlich positiv auf die Motivation auswirken wird. Für unsere Forschungspartner in den afrikanischen Ländern ist auch das ein sehr wichtiger Aspekt dieses Projekts.“ Denn in vielen afrikanischen Gebieten frustrieren schwierige Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung die Geburtshelfer, worunter zwangsläufig die Qualität der medizinischen Versorgung leidet.

www.qualmat.net

Kontakt:

Dr. med. Antje Blank
Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie
Telefon: 0 62 21/56-39 537
E-Mail: antje.blank@med.uni-heidelberg.de
www.klinikum.uni-heidelberg.de/klinpharm

Dr. med. Svetla Loukanova
QUALMAT Projektmanagement
Institut für Public Health
E-Mail: svetla.loukanova@urz.uni-heidelberg.de