Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Er bringt dem Computer das Sehen bei

Von Oliver Fink (Text und Foto)

Im vergangenen Jahr wechselte der Informatiker Björn Ommer von der University of California in Berkeley an die Universität Heidelberg. Hier leitet er als Juniorprofessor eine Arbeitsgruppe zum Thema „Computer Vision“. Sein Dienstzimmer befindet sich im Heidelberg Collaboratory for Image Processing (HCI) in der Speyerer Straße, das als Industry on Campus-Projekt dem Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) zugeordnet ist. Zugleich ist er über die – durch die Exzellenzinitiative geförderten – „Transcultural Studies“ Mitglied der Philosophischen Fakultät.

„Vision is to be seen not to be talked about“, antwortet Björn Ommer auf die Frage nach den wissenschaftlichen Schwerpunkten, öffnet das Display seines Laptops und demonstriert, womit er sich gerade beschäftigt. Dass dort Abbildungen mittelalterlicher Miniaturmalerei zu sehen sind, überrascht nur kurz, denn zum Stellenprofil seiner Juniorprofessur gehört es ausdrücklich, das Wissenschaftliche Rechnen auf die Geisteswissenschaften anzuwenden.

Ommer IMachtsymbole wie zum Beispiel Zepter und Kronen in alten Handschriften mithilfe des Computers aufzufinden, lautete die Aufgabe eines der ersten Projekte des Informatikers in Heidelberg. Dabei standen zugleich Fragen nach dem Zusammenhang, in dem diese Herrschaftszeichen auftauchen, und nach dem Verhältnis, in dem sie zueinander stehen, im Mittelpunkt. „Es ging uns natürlich nicht um das Detektieren von Bildern mit einer textuellen Verschlagwortung wie etwa bei der Google-Bildersuche sondern um die Entwicklung von Algorithmen, mit deren Hilfe die Bilder direkt durchforstet werden“, erläutert Björn Ommer.

Die Kooperation mit Geisteswissenschaftlern – zu seiner Arbeitsgruppe gehört auch ein Kunsthistoriker – ist neu für den jungen Informatikprofessor, der bislang vor allem mit Biologen zusammengearbeitet hat, so beispielsweise bei einer rechnergestützten Analyse der Fruchtfliege. Vom Austausch profitieren beide Seiten, betont er. Bei dem erwähnten Mittelalter-Projekt wurden sowohl Grundlagen der Bildverarbeitung weiterentwickelt, gleichzeitig ergaben sich Antworten auf zunächst nicht gestellte inhaltliche Fragen: Dank des Rechners konnten etwa die Kronen und Zepter drei verschiedenen Zeichnerwerkstätten zugeordnet werden.

Die Herausforderung seiner Disziplin bestehe darin, macht Björn Ommer deutlich, „die große semantische Lücke, die zwischen den einzelnen Pixeln und dem fertigen Objekt existiert, zu überbrücken. Es geht vor allem darum, isolierte Pixel zu kompositionellen Einheiten zusammenzusetzen.“ Formanalyse ist daher eine wichtige Voraussetzung, um die visuelle Welt zu verstehen. Selbst Kinder, so der Informatiker weiter, seien bereits frühzeitig in der Lage, abstrahierte Objekte zu erkennen. Der Computer tue sich da ungleich schwerer.

Noch schwieriger wird es bei bewegten Objekten, was Ommer anhand von Videosequenzen fahrender Straßenbahnen demonstriert. Als Versuchsgegenstand dienen ihm dabei die Trams der Verkehrsbetriebe in Zürich. An der dortigen Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) wurde Björn Ommer, Jahrgang 1979, nach seinem Bonner Studium der Informatik (mit Nebenfach Physik) im Jahr 2007 promoviert, ehe er auf eine Postdoc-Stelle in Berkeley (USA) wechselte.

Und was hat ihn zu dem Wechsel nach Heidelberg bewogen? Vor allem die Kombination von Grundlagenforschung und Anwendungsorientierung, wie sie am IWR möglich ist, führt Ommer als Kriterium für seine Entscheidung an. Auch die Kooperation mit der Industrie am HCI sei in dieser Form deutschlandweit einmalig. Und: „Heidelberg kannte fast jeder in Berkeley, meine Heimatstadt Köln dagegen kaum jemand.“

Siehe auch: „Heidelberg: Zukunft einer Volluniversität“ auf dem DFG-Videoportal zur Exzellenzinitiative