Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Die Anglisten sind im Anglistenchor die größte Minderheit

Von Mirjam Mohr

Im Oktober 1990 gründeten eine Studentin und eine Institutssekretärin am Anglistischen Seminar einen kleinen Chor. Zum ersten öffentlichen Auftritt kam außer dem Anhang der Sänger nur eine einzige Zuhörerin. 20 Jahre später hat sich das Ensemble (Foto: privat) im kulturellen Leben von Universität und Stadt etabliert. Zur Feier des runden Geburtstags gab es 2010 bereits zwei Jubiläumskonzerte; krönender Abschluss wird am vierten Adventssonntag, 19. Dezember, die Aufführung von Georg Friedrich Händels „Messias“ um 17 Uhr in der Alten Aula der Ruperto Carola sein.

„Also, Gospels und Spirituals gibt es bei mir nicht!“, stellt Clayton Bowman klar. Seit vier Jahren leitet der 27-jährige studierte Musiker aus den USA den Anglistenchor. Während früher ein bunt gemischtes Programm aus englischer und amerikanischer Chorliteratur gesungen wurde, legt Bowman den Schwerpunkt auf englischsprachige Werke der klassischen Musik.

„Ich möchte versuchen, ein möglichst hohes Niveau zu erreichen“, erklärt der Chorleiter seine ambitionierten Pläne. Nach dem Oratorium „Messias“ steht für Sommer 2011 mit Henry Purcells „Dido and Aeneas“ erstmals eine komplette Oper mit szenischer Aufführung auf dem Programm. Die Regie wird die Drama Group des Anglistischen Seminars übernehmen; die Solopartien singen Studierende der Musikhochschule Mannheim.

Doch davor wartet noch ein weiteres spannendes Projekt auf die Sänger: Chorpianist Jan Wilke hat für die Eröffnung des 10. Stummfilmfestivals des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI) im Januar 2011 für den Chor die Musik zum „Phantom der Oper“ geschrieben. Im Januar hatte der Chor bereits mit großem Erfolg die ebenfalls von Wilke komponierte Musik zu Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ aufgeführt.

Früher bestand der Chor aus etwa 20 Sängern – inzwischen sind es rund 60. Damit ist er vorerst komplett. „Ich halte eine sehr gute Atmosphäre im Chor für wichtig; und die ist nur möglich, wenn er nicht mehr als 60 bis 70 Mitglieder hat“, erklärt Dirigent Bowman. Die Chormitglieder sind bis auf zwei Ausnahmen Studierende, die nicht nur aus der Anglistik sondern aus allen möglichen Fächern kommen. „Die Anglisten sind die größte Minderheit in einem Chor, in dem es keine Mehrheit gibt“, sagt Bowman. Eine weitere große Minderheit sind die offenbar sehr sangesfreudigen Physiker.

Kirchen, Altenheime, die Garden und Christmas Partys des Anglistischen Seminars, aber auch Heidelberger Kasernen waren in den vergangenen Jahren Auftrittsorte für den Chor, der auch immer wieder in der Region Konzerte gab. Das Jubiläumsjahr brachte dann die erste richtige Konzertreise – und die führte gleich ins Ausland: Im August ging es für eine Woche nach Dublin, wo drei Auftritte anstanden, einer davon in der dortigen St. Patrick’s Cathedral.

„Eine Kirche, in der wir auftraten, hat uns schon ganz offiziell für ein weiteres Konzert eingeladen“, erzählt Chorsängerin Katharina Severa. Für die Zukunft plane der Chor möglichst viele weitere solche Reisen. Doch die neuen Pläne bringen auch ein Problem mit sich: Das Ganze muss finanziert werden, „und die Projekte erfordern keine kleinen Budgets“, seufzt Bowman. Die früher ehrenamtliche Dirigentenstelle ist zwar inzwischen als Lehrauftrag organisiert, sodass sie bezahlt wird, aber ansonsten fließen dem Chor keine Gelder zu. Alle Versuche, über Stiftungen und Förderprogramme Unterstützung zu bekommen, blieben bisher erfolglos. „Als nichtprofessionelles Ensemble, das nur englische Texte singt und nicht auf einen Komponisten spezialisiert ist, fallen wir einfach komplett durch alle Raster“, erklärt Severa.

Inzwischen wurde aber ein Verein mit Mitgliedsbeiträgen gegründet; daneben hofft der Chor auf private Sponsoren. „Spenden an uns können natürlich bei der Steuer abgesetzt werden“, sagt Bowman. Doch trotz der Finanzprobleme ist für den Chor eines klar: „Der Spaß steht bei uns immer im Vordergrund!“

www.anglistenchor-heidelberg.de