Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Sieben Joghurts sind das Maximum

Von Alexander Werschak

Seine Doktorarbeit an der Universität Heidelberg hatte noch das etwas sperrige Thema „Wirksamkeit einer intravenösen Immunglobulintherapie in der hyperdynamen Phase der Endotoxinämie beim Schwein“ zum Inhalt. Seither hat Dr. Eckart von Hirschhausen nicht nur ein eigenes Kabarett-Genre erfunden und scheint in den Medien zurzeit omnipräsent, auch als Autor ist der 42-Jährige ausgesprochen erfolgreich mit Titeln wie „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ oder zuletzt „Glück kommt selten allein“. Am Rande des Zeit Campus Talk in der Heidelberger Triplex-Mensa sprach Journal@RupertoCarola mit dem Tausendsassa über die Mensa, den Arztberuf, Geld, Drogen, Tanzen und das Glück (Fotos: Studentenwerk Heidelberg):

Sind Sie und waren Sie heute Abend glücklich?

Ja, sehr. Das eine ist ja, dass Leute kommen, das andere ist, dass sie bleiben. Das ist schon ein großes, großes Geschenk – und hätte ich ehrlich gesagt so nicht erwartet.

Waren Sie früher in der Mensa auch glücklich?

Ich bin sehr froh, dass es die Mensa gibt, weil ich mir aus Essen gar nicht so viel mache, selbst überhaupt nicht koche, und es deswegen auch sehr genossen habe, dass ich mich um diese Sache nicht groß kümmern musste. Wenn ich mir überlege, ich hätte selbst angefangen zu kochen und einzukaufen und so: Das hätte mir jeden Tag ein, zwei Stunden Zeit geraubt. Und ich erwarte ehrlicherweise für dieses Geld auch kein Gourmetmenü – es war immer good enough.

Aber Sie betonen doch gerne, dass gute Ernährung neben Bewegung und anderem wichtig ist und spätere Leiden verhüten kann. Ist immer Essen zu gehen da die richtige Alternative?

Ja, man muss ja auch nicht den Schokoladenpudding essen, der ist, glaube ich, immer schlecht. Oder ist der gut hier? Ich habe immer Rohkost und Salat und den berühmten Grünkernbratling gegessen ...

... sind Sie Vegetarier?

Nein. Aber ich weiß, dass zu meiner Zeit am DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum) eine große Studie lief über Vegetarier; und es ist ganz eindeutig so, dass man, wenn man weniger Fleisch ist, gesünder lebt. Ganz zu verzichten, sehe ich nicht ein – muss auch nicht sein. Aber wenn ich einen Hamburger esse, was ich auch immer wieder mal mache, ist es irgendwann so: Die Dosis macht das Gift. Hat schon Paracelsus gesagt. Und man kann hier in der Mensa ja auch wunderbar Gemüse essen. So gesehen habe ich ein sehr freundschaftliches, liebevolles Verhältnis zur Mensa.

Sie sagen, dass Lernen glücklich macht. Sind Studierende und Akademiker dann glücklicher als der Rest der Welt?

Sie haben die Chance dazu. Es gibt aber eine große Fall fürs Glück, das ist die Multioptionsfalle: Wenn ich sehr viele Möglichkeiten habe und mich nicht dazwischen entscheiden kann, dann macht mehr Freiheit unglücklicher. Das ist das Dilemma, wenn ich alles hin und her studiere und eigentlich kein Gefühl dafür habe, was wirklich meins ist und was ich mit Leidenschaft tue – dann kann die Freiheit, die der Akademiker hat, auch umschlagen in die Frustration. Ein schönes Beispiel hierfür ist: Unser Kurzzeitgedächtnis hat nur sieben Speicher; wenn wir mehr als zehn Optionen haben, sind wir frustriert. Wenn Leute einkaufen gehen – da gibt’s schöne Untersuchungen zu – und man mehr als zehn Joghurt-Arten ins Regal stellt, gehen die Leute, die Joghurt wollten, vors Regal, kucken eine Weile und gehen dann nach Hause ohne einen einzigen.

Ihre Popularität momentan ist beinahe unglaublich. Könnten Sie sich vorstellen, wenn Dr. Eckart von Hirschhausen auf der Bühne und im Fernsehen einmal nicht mehr so gefragt wäre, wieder als Arzt zu arbeiten?

Ja, das hat etwas sehr Befriedigendes, wenn man das tun kann. Ich untersuche Leute gerne, ich bin gerne sozusagen detektivisch, fragend unterwegs: Wie ticken die, was läuft da gut, was läuft da schief, was könnte das sein. Das vermisse ich auch. Ich vermisse auch dieses Hören, Riechen, Tasten – dieses künstlerische Handwerk der Medizin. Und so gesehen ist es nicht so, dass ich mir das nicht vorstellen könnte; ich würde aber, glaube ich, einen gut Teil der Möglichkeiten verschenken. Mein nächster Schritt ist eher, Leute anzuleiten, die andere anleiten – also train the Trainer. Wenn man sich überlegt, wie viele Leute man damit erreicht, dann erreicht man so sehr viel mehr.

Man muss kein Orakel bemühen, um sich vorstellen zu können, dass Sie zurzeit nicht wenig Geld verdienen. Warum macht Geld Ihren Äußerungen zufolge aber nicht glücklich?

Geld verschafft einem erstmal einen gewissen Freiheitsgrad – wenn man sich nicht mehr täglich um seinen Broterwerb kümmern muss, ist das schon ein Privileg. Die Kurve ist aber relativ bald erreicht, wenn die Sicherheit da ist, dass ich etwas zu essen habe, dass ich einen Wohnplatz habe, dass ich auch mal Taxi fahren kann, wenn ich es eilig habe – und nicht mehr nur Bus. Das sind die Dinge, die schnell zu dieser Idee führen, dass Zeit Geld ist; aber eigentlich ist die kostbarste Münze die Aufmerksamkeit. Es gibt einen Witz, der es gut auf den Punkt bringt: Was ist der Unterschied zwischen einem Mann mit sieben Kindern und einem Mann mit sieben Millionen? Der mit den sieben Millionen will weitere.

Haben Sie noch einen Rezeptblock?

Ich kann in die Apotheke gehen und darf mit dem Arztausweis Medikamente kaufen. Was brauchen Sie denn?

Nein, danke, ich brauche nichts. Aber warum machen Drogen nicht glücklich?

Das Schlimme an Drogen ist, dass sie das erste Mal glücklich machen. Also: Wenn man Heroin spritzt, ist das für das Belohnungssystem sozusagen der absolute Mega-Kick. Fatalerweise gewöhnt es sich aber in der Sekunde, in der es noch Juchhe schreit, sofort daran. Das heißt, der zweite Schuss ist schon nicht mehr so geil. Und jeder weitere führt dazu, dass das Verlangen wächst aber die Befriedigung nicht. Und das Merkmal von jeder Sucht ist, dass man denkt: Ich brauch’ das, ich brauch’ das; aber dass es nicht mehr kickt. Es genügt ja ein Blick auf Raucher oder Junkies oder auf Alkoholiker – und man sieht: Die können es scheinbar nicht ohne diese Droge, sind aber sehr traurige Gestalten.

Also haben Sie in der Unteren Straße in Heidelberg – an die Sie sich ja noch lebhaft erinnern, wie wir gehört haben – immer nur maßvoll getrunken?

Ja. Alkohol ist gar nicht meine Droge – ich werde davon primär müde, mir wird schwindelig und ich kann zum Beispiel nicht mehr tanzen. Für mich ist Tanzen viel exstatischer, sozusagen rauschhafter als Alkohol ...

... also ist Tanzen Ihre Droge.

Ja: Ich finde Tanzen viel anregender, weil man da aus sich selbst heraus etwas schöpft. Es macht mir auch total viel Freude, auf Partys zu tanzen. Und da merke ich sofort, wenn ich zwei Bier getrunken habe, dass die Koordination nachlässt. Das merke ich im Sitzen natürlich nicht – deswegen merken Leute, die saufen, das auch erst beim Aufstehen. Aber wenn man etwas tut, das etwas mehr Hirn erfordert wie eben Tanzen oder über kompliziertere Sachen reden, merkt man das eher.