Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Promovieren über den Ursprung der Welt

Von Stefan Zeeh

Die Zeiten, in denen Isaac Newton oder Albert Einstein scheinbar im Alleingang grundlegende physikalische Gesetze entdeckten, sind wohl vorüber. Die großen Fragen der heutigen Physik, wie etwa die nach der Art der dunklen Materie und dunklen Energie, lassen sich nur durch die Zusammenarbeit von früher getrennten physikalischen Disziplinen lösen. Denn längst ist deutlich geworden, dass die Physik des Universums, der Elementarteilchen und der komplexen Quantensysteme in ihren Grundlagen und Methoden eng zusammengehören.

An der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg wird diese Zusammenarbeit der physikalischen und astronomischen Disziplinen in der bei der ersten Runde der Exzellenzinitiative erfolgreichen Graduiertenschule „Fundamentale Physik“ vorangetrieben.

GradphysSchmelchIIn ihr bilden die drei genannten Bereiche der Physik die Säulen. Die Graduiertenschule ist jedoch nicht nur auf die physikalischen Institute der Ruperto Carola begrenzt sondern bindet auch die Heidelberger Max-Planck-Institute für Astronomie und Kernphysik mit ein, wodurch ein universitätsübergreifendes Netzwerk entsteht. In der Tat stellt die bereits zuvor bestehende "International Max-Planck-Research-School for Astronomy and Cosmic Physics" einen unabhängigen Teil der Graduiertenschule dar.

Dabei entstehen aus zunächst rein astronomischen und kosmologischen Themen Fragestellungen, die vielfältige Verbindungen quer durch die Physik schaffen. "So lässt sich die Bildung von Sternen und Planeten erst dann verstehen, wenn bekannt ist, wie Moleküle im interstellaren Raum gebildet werden können", zeigt Prof. Peter Schmelcher (Foto: privat), Sprecher der Graduiertenschule, die komplexen Zusammenhänge auf. Zudem hängt die Struktur der Galaxien und ihre Entwicklung sehr davon ab, welche Eigenschaften die hypothetischen Elementarteilchen besitzen, aus denen vermutlich die dunkle Materie zusammengesetzt ist. Den gemeinsamen Ausgangspunkt bildet dabei die Entwicklung des Universums kurz nach dem Urknall. Denn der Zustand der Materie im sehr frühen Universum, also nur wenige Bruchteile von Sekunden nach dem Urknall, ähnelt dem, der zukünftig in den größten Beschleunigeranlagen erzeugt werden kann.

Teilchenphysik und Kosmologie stehen mit der baldigen Fertigstellung des größten Teilchenbeschleunigers der Welt, dem Large-Hadron-Collider (LHC) am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf (Foto: privat), am Beginn einer neuen Ära. Da bietet die Heidelberger Graduiertenschule geradezu ein ideales Umfeld, weil sich die Doktoranden einerseits an Forschungsprojekten im Aufbau und an der Ausführung solcher Experimente aktiv beteiligen können, andererseits wird durch die Veranstaltung von Workshops und die Einladung einer Vielzahl hochkarätiger Gäste der wissenschaftliche Austausch zwischen Theorie und Experiment insbesondere im Grenzbereich zwischen den beiden Gebieten gGradphysIefördert.

Beispiele hierfür sind der 31. Johns-Hopkins-Workshops zum Schwerpunkt LHC-Physik sowie die "XIX Graduate Days" im Oktober 2007. Weiterhin hat die Graduiertenschule die Einrichtung zweier Nachwuchsgruppen im Bereich Teilchenphysik und Kosmologie veranlasst. Eine der Nachwuchsgruppen wird sich der experimentellen Teilchenphysik widmen und speziell mit der Suche nach supersymmetrischen Teilchen am LHC befassen. Die andere Arbeitsgruppe ist in der Theoretischen Physik angesiedelt und beschäftigt sich mit den optischen Eigenschaften des Quantenvakuums.

Gerade die Quantenphysik stellt einen wichtigen Schlüssel für die Forschung der Zukunft dar. Seit ungefähr 100 Jahren weiß man, dass sich kleine Teilchen wie die Atombausteine anders verhalten als beispielsweise Golfbälle. Die Bewegungen der Teilchen folgen nicht mehr klassischen Gesetzen, wie sie von Newton aufgestellt wurden, sondern werden durch die Theorie der Quantenmechanik beschrieben. Das grundlegend Neue daran ist, dass einem Teilchen auch eine Welle zugeordnet werden muss.

"Besonders bei den Temperaturen nahe dem absoluten Tiefstpunkt von minus 273,15 Grad Celsius dominiert der Wellencharakter der Teilchen", erläutert Peter Schmelcher. Die theoretischen Überlegungen zur Quantenphysik lassen sich in Heidelberg direkt im Experiment am Kirchhoff-Institut für Physik überprüfen, wo man sich mit ultrakalten Gasen bestens auskennt.

So umspannt die Heidelberger Graduiertenschule für Fundamentale Physik die Beobachtungen der Astronomen, die daraus folgenden theoretischen Überlegungen und die Experimente bei niedrigsten und höchsten Temperaturen: ein wahrlich attraktives Angebot, das sehr gerne angenommen wird, was sich an den zahlreichen vor allem internationalen Bewerbungen für die verschiedenen Promotionsstellen widerspiegelt.

Kontakt:

Prof. Peter Schmelcher
Theoretische Chemie der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 229, 69120 Heidelberg
Tel. 06221/545208
E-Mail: peter.schmelcher@pci.uni-heidelberg.de