Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Ihr Lächeln ist nicht mehr ganz so geheimnisumwittert

Mona Lisa, Leonardo da Vincis Porträt einer jungen Frau, gilt als das berühmteste Gemälde der Welt. Dessen Datierung sowie die Identifizierung der Dargestellten mit Lisa del Giocondo, der Frau des Florentiner Kaufmanns Francesco del Giocondo, konnte nun durch den Fund einer handschriftlichen Eintragung in einem Frühdruck der Universitätsbibliothek Heidelberg bestätigt werden.

Eine entsprechende Verbindung wurde bereits im 16. Jahrhundert gezogen. Dass dieses Porträt Lisa del Giocondo darstellen könnte, stützt sich von alters her auf die Angaben von Giorgio Vasari (1511 bis 1574), der in seinen 1550 erstmals erschienenen Künstlerviten als bisher einzige Quelle dem Porträt einen Namen gibt und zugleich eine ungefähre Datierung zwischen 1503 und 1506 erlaubt.

Doch bestanden bis heute Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Angaben, zumal Vasari für seinen Hang zum Anekdotischen bekannt ist. Zudem erfolgte dessen Gleichsetzung mit der Florentiner Kaufmannsgattin erst rund 50 Jahre nach Entstehen des Gemäldes.

Leonardo selbst wiederum erwähnt die Mona Lisa in seinen Zeichnungen und Notizbüchern mit keinem Wort. Spärliche Hinweise in anderen Quellen aus den Jahren 1517, 1525 und 1540 lassen außerdem große Interpretationsspielräume zu. So wurden im Laufe der Zeit verschiedene Alternativen der Identifikation angeboten: Isabella d’Este, Markgräfin von Mantua, Costanza d’Avalos, eine neapolitanische Adelige, Isabella Gualanda und schließlich Pacifica Brandano. Eine ebenfalls diskutierte Variante ist die Darstellung eines fiktiven Frauenbildnisses, ein ins Bild gesetztes Frauenideal – oder gar ein verschlüsseltes Selbstportrait Leonardos …

Die von Dr. Armin Schlechter bei der Katalogisierung eines Heidelberger Frühdrucks (Signatur D 7620 qt. INC) entdeckte Quelle beseitigt, so die Universitätsbibliothek Heidelberg, alle Zweifel an der Identität der Mona Lisa. Publiziert und mit einem Kurzkommentar versehen wurde diese Quelle bereits im Mai 2005 im Katalog zur Inkunabelausstellung der UB.

Inkunabel mit handschriftlicher Eintragung zur Mona Lisa: Heidelberg, Universitätsbibliothek, D 7620 qt. INC.: Cicero, Epistolae ad familiares, Bologna 1477, Bl. 11a
Repro: UB Heidelberg

Der entscheidende Hinweis wird dort in Form einer handschriftlichen Randbemerkung gegeben: In einer 1477 gedruckten Cicero-Ausgabe nämlich findet sich ein Vermerk des florentinischen Kanzleibeamten Agostino Vespucci, der Leonardo mit Apelles, dem größten antiken Maler, vergleicht und festhält, dass jener gerade an einem Porträt der Lisa del Giocondo arbeite. Vespuccis Marginalie vom Oktober 1503 ermöglicht eine genaue Datierung des Gemäldes und bestätigt damit Vasaris Angabe von 1550, dass es sich bei der Dargestellten um Lisa del Giocondo handelt.

Darüber hinaus ist der Heidelberger Fund für die Entwicklungsgeschichte von zwei weiteren Gemälden Leonardos von Bedeutung. So erwähnt Vespucci in seiner Notiz auch das Bild der Anna Selbdritt, das in mehreren Entwurfstadien und in einem Gemälde des Louvre überliefert ist, sowie den Auftrag zum Wandgemälde der Anghiarischlacht im Ratssaal des Palazzo Vecchio in Florenz.

Eine erstmalige detaillierte Analyse der Quelle und ihre Einordnung in die historische und kunsthistorische Forschung unternimmt der Leiter der Heidelberger Universitätsbibliothek Dr. Veit Probst in seinem soeben publizierten Aufsatz "Zur Entstehungsgeschichte der Mona Lisa: Leonardo da Vinci trifft Niccolò Machiavelli und Agostino Vespucci".

Kontakt:

Sabine Häußermann
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsbibliothek Heidelberg
Tel. 06221/542581
E-Mail: haeussermann@ub.uni-heidelberg.de

Kommentar

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es sich bei Leonardos Mona Lisa tatsächlich um das berühmteste Gemälde der Kunstgeschichte handelt, dann die Reaktionen auf den Fund in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Überall auf der Welt wurde darüber berichtet. Und auch zahlreiche Experten haben sich inzwischen eingeschaltet. Manche halten die Identitätsfrage nun für geklärt. Andere wiederum – darunter auch der Direktor des Louvre, in dem das Bild hängt – sind vorsichtiger und sehen in der nun nahe liegenden Verbindung zwischen der florentinischen Kaufmannsgattin und dem geheimnisvollen Frauenbildnis noch keinen endgültigen Beleg.

Tatsächlich bleiben einige Fragen offen: Warum zum Beispiel unterscheidet sich die Mona Lisa – etwa aufgrund fehlenden Schmucks und Statussymbolen – so sehr von vergleichbaren Porträtwerken, die damals in Auftrag gegeben wurden? Fest steht, dass hier auf jeden Fall noch eine höhere, kunstphilosophische Dimension mitschwingt, die über das bloße Abbild weit hinausreicht. Das lächelnde Geheimnis bleibt also gewahrt. Dass der Heidelberger Fund dennoch von herausragender Bedeutung ist, darüber sind sich alle einig. Und er verdeutlicht einmal wieder, dass die Universitätsbibliothek eben mehr ist als nur eine umfangreiche Büchersammlung. Hier finden sich einige bedeutende – mal größere, mal kleinere – Puzzleteile unserer abendländischen Kultur versammelt. Vespuccis Randnotiz ist sicher nicht die letzte Entdeckung.

Oliver Fink