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M. Nüsser, J. Dame, B. Kraus, R. Baghel, S. Schmidt: Socio-hydrology of “artificial glaciers” in Ladakh, India: assessing adaptive strategies in a changing cryosphere. Regional Environmental Change (published online on 26 June 2018), doi: 10.1007/s10113-018-1372-0

 
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(direkt abrufbar bis 9. September 2018)

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Künstliche Gletscher als Antwort auf den Klimawandel?

Pressemitteilung Nr. 101/2018
9. August 2018
Heidelberger Wissenschaftler untersuchen Auswirkungen von Eisreservoirs auf schmelzwasserabhängige Berglandwirtschaft im südasiatischen Hochgebirge
Patan Durbar Square, Nepal (2017)

Foto: Marcus Nüsser

Künstlicher Gletscher auf 4.450 Meter über dem Meeresspiegel, errichtet oberhalb des Dorfes Igoo in der Hochgebirgswüste von Ladakh in Nordindien (2014).

Gletscherrückgang sowie abnehmende Schneevorkommen bedrohen die von Schmelzwasser abhängige Landwirtschaft in weiten Teilen des südasiatischen Hochgebirges. Wie mit der Errichtung von Eisreservoirs, sogenannten künstlichen Gletschern, saisonale Wasserengpässe überwunden werden können, haben Forscher um Prof. Dr. Marcus Nüsser vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg in einer Langzeitstudie untersucht. Darin bewerten sie die verschiedenen Typen von Reservoirs sowie deren sozioökonomische Auswirkungen und gehen der Frage nach, ob künstliche Gletscher eine geeignete Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel sind. Beteiligt waren auch Mitglieder des Heidelberg Center for the Environment.

In der nordindischen Hochgebirgswüste Ladakh wurden in den vergangenen dreißig Jahren mithilfe von Fördermitteln verschiedene Typen von Eisreservoirs errichtet. Diese künstlichen Gletscher werden zwischen November und März aus Schmelzwasserabflüssen gespeist, die in Form von Eis an topographisch und mikroklimatisch geeigneten Stellen gespeichert werden. Sie sind als kaskadenartige Mauern oder Kegel angelegt und sichern in den trockenen Frühjahrsmonaten die Wasserzufuhr für den Feldbau, der in dieser Region vollständig von Schnee- und Gletscherschmelzwasser abhängig ist.

Patan Durbar Square, Nepal (2017)

Foto: Marcus Nüsser

Der Bewässerungsanbau in Ladakh hängt vollständig von Schmelzwasser, insbesondere von Gletschern, ab (2008).

In ihrer nun erschienenen Studie legt das Team um Marcus Nüsser eine Bestandsaufnahme und Typologie der künstlichen Gletscher in Ladakh vor. Ihre Auswertung von Satellitenbildern und Messungen vor Ort zeigen, dass das Speichervolumen der Eisreservoirs von 1.010 bis 3.220 Kubikmetern Wasser reicht. „Damit können im Optimalfall die Feldfluren im Abstand von mehreren Tagen bis zu dreimal vollständig bewässert werden“, so Prof. Nüsser. „Das Speichervolumen ist jedoch nicht verlässlich, da es von den klimatischen Bedingungen in der Region abhängt, die von Jahr zu Jahr variieren.“

Die ermittelten Werte konnten die Forscher auf die Gesamtheit der Eisspeicher in der Region Ladakh hochrechnen und so zeigen, dass die verschiedenen Typen der Eisreservoire unterschiedlich effizient sind. Als besonders wirkungsvoll erwiesen sich Reservoirs in Form von mehreren kaskadenartig angeordneten Becken. „Darüber hinaus ist für die Bewertung neben den klimatischen Bedingungen auch das Verhältnis von Fördermitteln zu Wirksamkeit entscheidend“, erklärt Prof. Nüsser. Auswertungen von Interviews mit lokalen Kleinbauern zeigen zudem, dass der Einsatz der künstlichen Gletscher als vorteilhaft wahrgenommen wird, da sich Ernteausfallrisiken verringern und die Möglichkeiten zum Anbau von Nutzpflanzen steigen. Nach den Worten der Wissenschaftler sind die künstlichen Gletscher damit „als bemerkenswerte Anpassungsmaßnahme an die spezifischen Umweltbedingungen in dieser nordindischen Hochgebirgswüste zu verstehen“.

Die Eisreservoirs wurden in den vergangenen Jahren über die lokale Anwendung hinaus auch als generelle Antwort auf die negativen Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere des Gletscherrückgangs, diskutiert. Nach den Untersuchungen der Heidelberger Forscher ist der Nutzen dieser Strategie jedoch fraglich. Klimatische Variabilität und Naturgefahren – vor allem Flutkatastrophen, Rutschungen und Lawinen – sowie eine unzureichende Berücksichtigung lokaler sozioökonomischer Bedingungen schränken die Wirksamkeit der künstlichen Gletscher ein. „Der Begriff ,künstliche Gletscher‘ erscheint zudem irreführend, da diese Eisreservoire keinesfalls die natürlichen Gletscher ersetzen können“, so Prof. Nüsser.

Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Regional Environmental Change“ veröffentlicht.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 09.08.2018
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