Leuchtende Botschaft vom Ende des Dunklen Zeitalters
28. Mai 2015
Grafik: NASA/WMAP Science Team
Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung von Wissenschaftlern des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) hat ungewöhnliche „kosmische Greise“ aus der Frühzeit des Universums entdeckt. Es handelt sich dabei um drei rund 13 Milliarden Jahre alte Sterne, die die Experten den frühesten Sterngenerationen nach dem Ende des „Dunklen Zeitalters“ zurechnen. Die chemischen Eigenschaften dieser äußerst seltenen stellaren Methusalems erlauben neue Einblicke in die Vorgänge, die zur Sternentstehung geführt haben müssen. Die ersten Sterne sollten – so die bisherige Vorstellung – sehr massereich sein und besonders hell leuchten. Die neuen Beobachtungen deuten jedoch auf bisher unbekannte Vorgänge im jungen Universum hin, bei denen auch sehr viel kleinere Sterne entstehen können. Diesen Schluss legen Analysen nahe, die zum Teil an der Landessternwarte Königstuhl und am Institut für Theoretische Astrophysik – sie sind Teil des ZAH – durchgeführt wurden.
Das Universum entstand vor etwa 13,8 Milliarden Jahren mit dem Urknall. Das anfänglich extrem heiße Gas der „Explosionswolke“ dehnte sich aus und wurde immer kälter. Da es damals keinen einzigen Stern in den kosmischen Weiten gab, spricht die Wissenschaft auch vom „Dunklen Zeitalter“ des Universums. Nach etwa 400 Millionen Jahren bildeten sich aus den Explosionsgasen des Urknalls die ersten Sterne. Es hat sich gezeigt, dass sie aufgrund der chemischen Zusammensetzung der Urgase – hauptsächlich Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium – 10 bis 100-mal massereicher als die Sonne sein mussten und damit auch entsprechend leuchtkräftig. Da sie ihren nuklearen Brennstoff sehr schnell verbraucht haben, leuchteten die ersten Sterne nur wenige Millionen Jahre. Sie vergingen in gigantischen Explosionen, bei denen die schwereren chemischen Elemente freigesetzt und von den nachfolgenden Sterngenerationen „verwertet“ wurden. Durch die genaue chemische Untersuchung dieser zweiten Sterngeneration können Rückschlüsse auf die Eigenschaften der allerersten Sterne gezogen werden.
Die drei stellaren Methusalems wurden durch Beobachtungen an der Sternwarte Paris von einem Astronomen-Team unter der Leitung von Dr. Piercarlo Bonifacio entdeckt. Sie enthalten neben Wasserstoff und Helium nur extrem geringe Mengen anderer chemischer Elemente, darunter auffällig viel Kohlenstoff. Der Astronom Dr. Paolo Molaro von der Sternwarte Trieste vermutet daher, dass die drei kosmischen Greise zu einer ganz besonderen und neuen Klasse von ersten Sternen gehören. Das an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile durchgeführte Beobachtungsprogramm zur Suche nach derartigen Objekten wurde von Dr. Elisabetta Caffau während ihrer Zeit als Gliese-Fellow der Universität Heidelberg an der Landessternwarte Königstuhl initiiert. Um die extrem geringen Elementhäufigkeiten exakt bestimmen zu können, kommen Computermodelle von Sternatmosphären zum Einsatz. Entwickelt werden sie von Dr. Hans-Günter Ludwig, der an der Landessternwarte Königstuhl forscht.
Die Vorgänge, die bei der Bildung der ersten Sterne im Universum eine Rolle gespielt haben, werden am Institut für Theoretische Astrophysik von der Arbeitsgruppe Sternentstehung unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Klessen untersucht. Wie Prof. Klessen erklärt, spielt Kohlenstoff im jungen Universum eine wichtige Rolle als „Kühlmittel“, mit dessen Hilfe sich interstellares Gas zu einem Stern zusammenziehen kann. Je besser die Kühlung, desto kleinere Sterne können sich bilden. Doch selbst mit Kohlenstoff sollten die ersten Sterne noch immer mindestens zehnmal massereicher sein als die nun entdeckten Kandidaten. „Wahrscheinlich war interstellarer Staub das Kühlmittel, mit dessen Hilfe sich die neu entdeckten massearmen Sterne bilden konnten. Das werden wir jetzt im Detail untersuchen“, so Prof. Klessen.
Die aktuellen Entdeckungen lassen einen faszinierenden und neuen Einblick in die Vorgänge um die Entstehung der ersten Sterne zu. Demnach müssen diese Sterne nicht isoliert, sondern in Gruppen entstanden sein, wie Prof. Klessen betont. Die massereichen Sterne sind bereits nach wenigen Millionen Jahren explodiert, allerdings wohl weit weniger heftig als vermutet. „Denn nur dann werden lediglich die leichteren Elemente wie Kohlenstoff oder Sauerstoff weit genug ins All geschleudert, um von den neuen massearmen, dafür aber langlebigen Sternen verwertet werden zu können“, so der Heidelberger Wissenschaftler. Völlig unverstanden ist jedoch die Tatsache, dass bei den drei neu entdeckten Sternen keine Spuren von Lithium gefunden wurden, obwohl dieses chemische Element auch im Urgas enthalten ist. Für Dr. Marco Limongi von der Sternwarte Rom, der ebenfalls dem internationalen Forscherteam angehört, ist dies ein weiteres Rätsel, das es zu lösen gilt.
Originalpublikation:
P. Bonifacio, E. Caffau, M. Spite, M. Limongi, A. Chieffi, R.S. Klessen., P. François, P. Molaro, H.-G. Ludwig, S. Zaggia, F. Spite et al.: TOPoS: II. On the bimodality of carbon abundance in CEMP stars. Astronomy & Astrophysics (vorab), http://dx.doi.org/10.1051/0004-6361/201425266