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Nobelpreisträger Harald zur Hausen: „Die Neugier treibt mich an“

7. Oktober 2008
Er erkannte als erster die Rolle von Infektionen bei der Krebsentstehung - Der 72-Jährige ist noch jeden Tag in seinem DKFZ-Labor
Als der Krebsforscher Harald zur Hausen in den siebziger Jahren behauptete, dass Viren Krebs auslösen können, widersprach er damit der vorherrschenden Lehrmeinung. Die Behring-Werke sahen damals auch keinen Markt für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Gebärmutterhalskrebs. Nun, 25 Jahre später, werden junge Mädchen geimpft und Harald zur Hausen erhält den Nobelpreis für Medizin.

Herr Prof. zur Hausen, wie haben Sie erfahren, dass Sie Nobelpreisträger sind?

Ich wurde viertel vor elf vom Nobelpreiskomitee aus Stockholm angerufen, in meinem Labor im DKFZ. Es wurden mir auch noch Tipps mit auf den Weg gegeben, die ich hier nicht erläutern will ...

Was war das für ein Gefühl?

Ich habe mich sehr darüber gefreut. Aber ich hatte noch keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, was für ein Gefühl das ist. Ich freue mich, dass ein Gebiet ausgezeichnet wurde, das schon seit langem Bedeutung hat: Die Rolle von Infektionen bei Krebs.

Wie hat Ihre Familie die Nachricht aufgenommen?

Meine Frau saß schon fast im Flugzeug nach Buenos Aires, als ich sie erreichte. Sie war außerordentlich begeistert und hat es sich nicht nehmen lassen, sofort alle anderen Familienmitglieder anzurufen.

Vor drei Jahren gab es den Nobelpreis für die Entdeckung des Bakteriums Helicobacter Pylori und dessen Rolle bei Magenerkrankungen. Jetzt ist es das Thema Viren und Krebs. Ist das nach so vielen Jahren Forschung eine späte Genugtuung für Sie?

Ich würde eher sagen, eine Entdeckung braucht schon Zeit, um in ihrer Bedeutung hinreichend verstanden zu werden. Dass das Magenbakterium mit Antibiotika bekämpft werden kann, hat sicher auch zur besseren Akzeptanz dessen geführt, dass krebserzeugende Viren bekämpft werden können. Ich bin der Überzeugung, dass Infektionen bei der Krebsentstehung eine größere Rolle spielen, als jetzt bekannt ist.

Wie hoch schätzen Sie den Anteil der virusbedingten Krebserkrankungen?

Ich denke, dass bei 20 Prozent aller Krebsarten die Infektionen eine kausale Rolle spielen. Das Gebiet ist noch für einige Überraschungen gut.

Inzwischen können Mädchen gegen Papillomviren, die Gebärmutterhalskrebs verursachen können, geimpft werden. Das ist Ihrer Forschung zu verdanken. Angeblich gab es bei den Impfungen aber zwei Todesfälle.

Es ist erwiesen, dass beide Todesfälle nicht in Zusammenhang mit der Impfung stehen. Sie ist nicht gefährlicher als jede andere empfohlene Impfung.

Sie haben von Ihren Forschungen nicht profitieren können. Amerikanische Wissenschaftler haben damit gearbeitet und ein Patent angemeldet. Ärgern Sie sich, dass die Amerikaner die Früchte Ihrer Arbeit einstecken?

Ich freue mich erst mal, dass die Impfung verfügbar ist, und dass es gelungen ist, den Anteil, den das DKFZ daran hat, erfolgreich gegen die Nationalen Gesundheitsinstitute der USA durchzusetzen. Tatsache ist, dass die Proben, die heute in den Impfstoffen gegen vier Papillomviren eingesetzt werden, bei uns entwickelt wurden und wir an der Vermarktung beteiligt sind.

Das Geld geht aber an das DKFZ?

Ja. Ich war damals Stiftungsvorstand des DKFZ und habe mich aus Patentfragen herausgehalten.

Viele Nobelpreisträger sind mit dem Standort Deutschland unzufrieden. Wie schätzen Sie die Arbeitsmöglichkeiten der Forscher hier ein?

Man muss das sehr differenziert bewerten. Insgesamt haben wir in Deutschland sehr viel aufgeholt in den vergangenen Jahren. Und Bereiche, die von den Gutachtern als originell eingestuft wurden, galten durchaus als förderungswürdig.

Also auch die Papillom-Forschung?

Ja, sie profitierte davon. Wir sind zum Beispiel der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu großem Dank verpflichtet.

Sie sind seit fünf Jahren im Ruhestand, kommen aber jeden Tag in Ihr Labor. Womit beschäftigen Sie sich zurzeit?

Wir beschäftigen uns damit, inwieweit Leukämie und Lymphome mit Virusinfektionen zu tun haben. Es gibt epidemiologische Gründe, Hinweise, die uns veranlassen, dieses Arbeitsgebiet intensiv zu verfolgen.

Ist das nicht ungewöhnlich, mit 72 Jahren noch täglich zu arbeiten? Was treibt Sie an?

Die Neugier. Ich würde das Labor ungern in absehbarer Zeit aufgeben.

Bleibt da noch ein Leben außerhalb der Forschung?

Ich habe zunehmend mehr Zeit für meine Hobbys. Mein Frau ist Südafrikanerin. Wir machen jedes Jahr eine Safari, dieses Jahr waren wir in Tansania. Bei der Gelegenheit bin ich ein leidenschaftlicher Tierfotograf. Dann gibt es noch meine persönliche Liebe zu Pflanzen und zur Gartenarbeit. Und ich interessiere mich sehr für Päläoanthropologie, Philosophie und Religion.

Beschäftigt Sie da der Widerspruch zwischen Glaube und Wissenschaft?

Es ist schwierig, bestimmte Glaubensgrundsätze mit den Ergebnissen der Wissenschaft in Übereinstimmung zu bringen. Ich bin manchmal überrascht, wie wenig Dinge, die als Fakten gut belegt sind, in diesem Bereich Einzug halten.
 Birgit Sommer
© Rhein-Neckar-Zeitung
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Pressesprecher der Universität Heidelberg
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