Siegel der Universität Heidelberg
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Manfred Lautenschläger über das Wesen des Stiftens

31. März 2008

Hier die Rede des Mäzens und Ehrensenators der Universität Heidelberg zur heutigen Eröffnung der Angelika-Lautenschläger-Klinik

"Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler  sagte vor kurzem, dem ‚Wesen des Stiftens’ liege eine Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Stifter zugrunde. Dabei strebe der Stiftende unter anderem danach, die Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Veränderung auf bestimmten Gebieten ‚absichtsvoll zu verlangsamen oder zu dynamisieren’. Andere Autoren, die sich ebenfalls mit der Stifterkultur in unserem Land und den dafür vorhandenen Rahmenbedingungen befassen, drücken es noch etwas differenzierter aus – zuweilen mit negativer Bewertung: Stiftender und Gesellschaft hätten eine, Zitat, ‚vielschichtige Reziprozitätsbeziehung’ mit einer ‚ganz spezifischen Logik des Gebens, Nehmens und Erwiderns’. Und diese Beziehung werde nicht selten von Kämpfen um öffentlichkeitswirksame Anerkennung mit zum Teil erheblichem Konfliktpotenzial begleitet. Des Weiteren könne eine solche ‚Geste des öffentlichen Gebens’ auch Abhängigkeiten schaffen und mitunter Widerstand hervorrufen.

Darum geht es in Wirklichkeit aber nicht.

Denn Stiften im eigentlichen Sinne gründet sich letzten Endes auf eine klare innere Überzeugung: Es geht darum, immer auch zum Wohle des Ganzen zu wirken, Verantwortung anzunehmen und dabei zu helfen, gesellschaftlichen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.

Zudem: Dem Engagement eines Stifter oder einer Stifterin für die Gesellschaft geht meiner Erfahrung nach keine ausgefeilte Vorstellung oder gar ‚Strategie’ voraus, die auf den Gewinn von Einfluss oder Wertschätzung abzielt. Am Anfang eines konkreten Stifter-Engagements steht sehr häufig eine persönliche Begegnung. Die Verbundenheit, die daraus entspringt, gibt den Ausschlag.

Auch am Ausgangspunkt meiner Entscheidung, den Neubau der Kinderklinik im Universitätsklinikum zu unterstützen, stand eine Begegnung: die mit Professor Dr. Eike Martin.

Das war im Jahr 2001. Professor Martin – damals ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums – kam mit beeindruckender Aktivität persönlich auf mich zu – mit einer klaren Vision: einen Neubau für die Kinderklinik im Universitätsklinikum Heidelberg zu errichten – unter maßgeblicher Beteiligung des Stifters Manfred Lautenschläger. Zugegeben: Zunächst hat mich der finanzielle Umfang dieses Vorhabens abgeschreckt. Dass ich mich letztendlich anders entschieden habe und wir heute die Übergabe der Angelika-Lautenschläger-Klinik feiern können, ist nicht zuletzt der Überzeugungskraft und der Hartnäckigkeit von Professor Martin zu verdanken.

Und hinzu kam meine Frau, die sich von Anfang an für die Idee einer neuen Kinderklinik begeistert hatte. Das nahe liegende Klischee der fünffachen Mutter will ich dafür aber nicht strapazieren.

Es war das Projekt an sich, das uns immer mehr überzeugte, je mehr wir uns damit beschäftigten. Denn der ‚Neubau der Kinderklinik im Neuenheimer Feld’ wirkte auf uns angesichts der desolaten räumlichen Verhältnisse im Altbau ebenso notwendig wie zukunftsweisend: Hochwertige Gesundheitsversorgung ist ein hohes soziales Gut. Und die Förderung der Gesundheit von Kindern ist ohnehin eine ganz besondere Herausforderung, und uns persönlich ein ganz besonderes Anliegen – dies nicht nur angesichts der demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten.

Mit der Zuwendung meiner Stiftung kann ich somit Werte fördern, die mir persönlich sowie für die soziale Zukunft unseres Landes von großer Bedeutung sind und zugleich den Zweck der von mir gegründeten Stiftung erfüllen.

Die Initiative von Professor Martin und die damit verbundene Leidenschaft für das Projekt Heidelberger Kinderklinik haben mich beeindruckt. Und es sind eben mutige Schritte dieser oder ähnlicher Art, die dieses Land wieder und weiter nach Vorne bringen.

Ich möchte daraus einen zweifachen Appell ableiten.

Meine erste Botschaft lautet: Es lohnt sich, auf Menschen zuzugehen, die stiften können. Dies gilt insbesondere auch für Führungskräfte in der Hochschul- und Wissenschaftswelt. Zwar ist die deutsche Hochschullandschaft von den Spendenvolumina in den Vereinigten Staaten – allein im Jahre 2006 rund 28 Milliarden Dollar – geradezu Lichtjahre entfernt. Allerdings: Dort gibt es eine ganz andere Stiftertradition – und die Millionenzuwendungen der letzten Jahre, beispielsweise an die International University in Bremen oder an die Goethe-Universität in Frankfurt am Main, zeigen, dass wir in Deutschland bereits ein Stück vorangekommen sind.

Und auch wir in der Metropolregion mit Stifterpersönlichkeiten wie Dietmar Hopp und Klaus Tschira u. a. können uns sehen lassen.

Ich möchte die Verantwortlichen an den Universitäten und Instituten an dieser Stelle ausdrücklich dazu ermutigen, dieses Werben um Unterstützung, Spenden oder sonstige Zuwendungen, neudeutsch ‚Fundraising’ oder ‚Drittmittelwerbung’, ernsthaft zu systematisieren und zu professionalisieren. Das hat nichts mit ‚Betteln’ im negativen Sinne zu tun. Im Gegenteil: Sie stärken die Finanzausstattung Ihres Hauses und tragen indirekt zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Natürlich muss auch die Politik weiterhin zu einer positiven Entwicklung des Stiftungssektor beitragen und insbesondere im Bereich Bildung und Gesundheit wirklich förderliche Rahmenbedingungen gewährleisten. Allerdings sind es – wie mein persönliches Beispiel zeigt – eben nicht nur die staatlichen Anreize, die für Stifter ausschlaggebend sind.

Meine zweite Botschaft lautet: Verstärken und fördern Sie bei möglichst vielen nach innen und außen gerichteten Entscheidungen wirtschaftliches Denken – insbesondere an den Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstituten dieses Landes. Natürlich ist die Führung einer Hochschule nicht mit unternehmerischen Managementvorstellungen und -begriffen gleichzusetzen – auch wenn dies die eine oder andere Konferenz unter dem Titel ‚Hochschulmanagement’ suggerieren mag. Denn jeder, der wie ich selbst als Mitglied des Universitätsrats und des Aufsichtsrats des Universitäts-Klinikums Heidelberg Einblick in leitende Universitätsgremien hat, weiß, dass Hochschulen keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind. Allerdings ist es möglich und erforderlich, an sehr vielen Stellen ein erhebliches Stück ökonomischer als in der Vergangenheit zu denken und zu handeln. Als Vertreter der Wirtschaft sehe ich insbesondere darin meine Aufgabe, mein ‚ceterum censeo’ anzubringen, mit aller gebotenen Sensibilität für und Rücksicht auf jahrhundertealte universitäre Traditionen.

Die Exzellenzinitiative hat in den letzten Jahren einen positiven Beitrag in Richtung wirtschaftliches Denken geleistet.

Dass wir aus diesem Wettbewerb als erfolgreichste Universität hervorgegangen sind, erfüllt uns alle – Professoren, Studenten, Gremien – mit ungeheurem Stolz, mit Stolz auf ‚unsere’ Universität, muss uns aber auch vornehme Verpflichtung sein, diesen frischen Wind zu erhalten und noch zu verstärken.

Wir waren im vergangenen Jahr mit knapp 10 Mio. Euro auch erfolgreichster Spendensammler unter Deutschlands Hochschulen – Peanuts, wenn wir amerikanische Verhältnisse heranziehen. In Zahlen: 1 % dessen, was Amerikas Nummer 1, die Stanford University, im selben Jahr einsammelte. Diese Relation illustriert sehr deutlich, welch Nachholbedarf bei uns noch besteht.

Meine Damen und Herren,
Heidelberg ist die Stadt, in der ich studiert habe und ab dem 20. Lebensjahr mein ganzes Leben verbracht habe. In der Heidelberger Altstadt habe ich 1971 das Unternehmen MLP zusammen mit Eicke Marschollek  gegründet.

Von Heidelberg ausgehend ist mir unternehmerischer Erfolg sowie Wohlstand zuteil geworden. Und aus der im Grundgesetz verankerten Sozialverpflichtung des Eigentums folgt für mich aktives bürgerschaftliches Engagement. Und so kann ich heute Ihnen gegenüber meinen Beitrag zum Neubau der Angelika Lautenschläger Kinderklinik auch ganz einfach begründen:

Von dem, was mir die Gesellschaft ermöglicht hat, möchte ich einen Gutteil zurückgeben. Ich halte mich insoweit an einen Großen, der in Heidelberg wirkte: Max Weber. Er würde wohl auch das Stiften in unserer Gegenwart – ganz einfach und schlicht – als ‚aktive Mitgliedschaft im Bürgerverband’ bezeichnen".
Manfred Lautenschläger

Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
http://www.uni-heidelberg.de/presse

Irene Thewalt
Tel. 06221 542310, Fax 542317
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