Predigten Wintersemester 2017/18

04.02.2018: Dekan Prof. Dr. Christoph Strohm über Hebr 4,12f.

Liebe Gemeinde, „Das Wort gleicht der Biene: Es hat Honig und Stachel.“ Diese Worte aus dem Talmud und viele ähnliche Sprichworte zeigen: Die Menschen wussten zu allen Zeiten um die Macht des Wortes. Im Mittelalter gab es Darstellungen der Kreuzigungsszene, auf denen der Gekreuzigte umgeben von Vertretern aller Stände mit Speeren in der Hand gezeigt wurde. Mit diesen Speeren verletzten sie den Gekreuzigten noch einmal. So wurde die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass Blasphemie, die verächtliche Rede über den Gott, der sich mir barmherzig zuwendet, ein handfestes, physisch manifestes Vergehen war. Das Christentum ist wie das Judentum eine Religion des Wortes, wie nicht erst die Reformatoren erkannten. Gleich zu Beginn der Bibel wird das in aller Klarheit sichtbar.
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28.01.2018: Prof. Dr. Helmut Schwier zur Gloria Kantate (BWV 191)

„Gloria in excelsis Deo!“ Welch eine wundervolle Musik! Mit Menschen- und mit Engelszungen gesungen und musiziert. Dynamisch im Rhythmus, dann wieder tänzerisch leicht mit Koloraturen, die bis in den Himmel steigen. Zart in den Streicher- und Holzbläserklängen, kraftvoll und virtuos mit Pauken und Trompeten. So erklingt das Lob Gottes: unbändig, voller Lebensfreude, von der Erde bis in den Himmel und wieder zurück. Welche Sprache sprechen eigentlich die Engel? Damals auf dem Hirtenfeld bei Bethlehem mag es die Sprache des Himmels gewesen sein, vielleicht auch aramäisch, damit es die Hirten verstehen. Lukas hat es aufgeschrieben, damit es die Christinnen und Christen im 2. Jh. verstehen – daher auf Griechisch. Andere haben es abgeschrieben, andere übersetzt in Latein oder in Deutsch – damit auch wir es lesen und verstehen.
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21.01.2018: Prof. Dr. Rainer Albertz über Ex 34,29-35

Liebe Universitätsgemeinde, der heutige letzte Sonntag nach Epiphanias blickt noch einmal zurück auf Weihnachten, auf das Wunder, dass uns der unfassbar große Gott in einem Menschen, in Jesus Christus, erschienen und gegenwärtig geworden ist, um uns gebrechlichen Menschenkindern seine Zuneigung, seine Liebe und Treue zu bezeugen. Dieser Sonntag blickt aber auch schon voraus auf die kommende Passionszeit, in der dieser Mensch, in dem uns Gott erschienen ist, am Kreuz die Leiden der Welt zu unserer Erlösung auf sich nehmen wird. Darum gehört zu diesem Sonntag die Geschichte von der Verklärung Jesu, die wir in der Lesung gehört haben (Mt 17,1–9). Nach der ersten Leidensankündigung Jesu berichten die Evangelisten davon, dass dreien seiner Jünger auf einem hohen Berg ein kurzer Blick in die himmlische Welt gewährt wurde, aus der Jesus stammt. Sein Gesicht strahlt plötzlich in einem blendenden Glanz, und seine Kleider gleißen in einem überirdischen Licht. Und eine Stimme erschallt aus einer lichten Wolke, mit der sich Gott – wie schon bei der Taufe Jesu – voll und ganz mit diesem einen Menschen, der bereit ist, sich für die Seinen aufzuopfern, identifiziert: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ (V. 5), ein Votum, das sich dann in der Auferstehung Jesu bestätigen wird.
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14.01.2018: Dr. Sabine Schmidtke über 1Kor 2,1-10

„Lieber Freund! […] Hättest du doch jene Schrift nicht geschrieben! […] Wir […] haben uns alle Mühe gegeben, dich zu verstehen – nach meinem Eindruck mehr als du beim Schreiben –, und nun geht es doch einfach nicht, daß du nach den klarsten Aussagen, bei denen man dich behaften will, kommst und angibst, daß Alles ganz anders zu verstehen sei! […] Gesagt ist gesagt und muß so, wie es gesagt ist, zunächst verantwortet werden […]. Was in aller Welt wolltest du denn, wenn du nicht etwas bemerkenswert Unterschiedliches mir gegenüber sagen wolltest? […] Alle Welt hält es mir als solches entgegen und fragt mich, was ich dazu sage. Nun werde ich eben dazu sagen, was ich zu sagen habe, und das wird ein rundes Nein sein. […] Du hast nun des Geschirrs wahrlich genug zerbrochen, und auf keinen Fall solltest du wieder so etwas schreiben, mit dem du bei allen Toren und Böslingen Jubel erregst und von dem du allen Gerechten nachher sagen mußt, daß sie dich mißverstanden hätten. […] Dein Karl Barth“
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07.01.2018: Hochschulpfarrer Dr. Hans-Georg Ulrichs über Lk 2,22-40

Liebe Gemeinde, wie war Ihr Weihnachtsfest? Sind Ihre Erwartungen erfüllt worden? Welche Sehnsüchte konnten befriedigt werden? Hatten Sie realistischerweise Grund zur Hoffnung, dass alles gut gehen würde? Oder gab es Überraschungen, gute oder böse? Kam endlich einmal wieder die ganze Familie zusammen? Waren alle friedlich und einander zugetan oder gaben sich alle bloß Mühe, um die Situation zu retten? Hat alles geklappt an Organisation und Logistik: Geschenke, Essen, Kirchgang? Weihnachten ist vorbei. Die Kinder sind wieder abgereist, ab morgen ist dann wieder Alltag. Was bleibt von diesem Fest der Erwartungen? Nach der Wartezeit, durchaus mit seinen menschlichen Sehnsüchten gespickt und mit allerlei lieb gewonnenen Ritualen gestaltet, werden die Erwartungen erfüllt, worauf man dann dankbar zurückblickt und worüber man froh ist.
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31.12.2017: Hochschulpfarrer Dr. Hans-Georg Ulrichs über Ex 13,17-18.20-22

Liebe Gemeinde, womit lässt sich dieses merkwürdige Gefühl am Altjahrsabend vergleichen? Wir blicken zurück und sehen so vieles und so weit, bekommen den Anfang des vergehenden Jahres aber gar nicht mehr in den Blick. So lang ist es schon her! Und was seit dem alles passiert ist! Als im Familienkreis nach den besonders schönen Momenten gefragt wurde, wollte mir partout nichts einfallen, weil so viele Bilder gleichzeitig nach vorne drängen und aufploppten. Wir blicken zurück – und wir versuchen auch schon einmal einen Blick nach vorn zu richten, können aber nicht viel erkennen, wissen zwar, dass es weitergeht, vermutlich so ähnlich wie in der zurückliegenden Zeit, aber wer kann es schon wissen?
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24.12.2017: Prof. Dr. Peter Lampe über Mi 5,1.3-4a

Liebe Weihnachtsgemeinde, Gnade sei mit Euch und Friede in dieser Heiligen Nacht von dem, der da ist, der da war und der da kommen wird. Amen. Heiliger Abend 2017. „Es begab sich aber zu der Zeit, als der Kaiser Augustus“ sich aus dem Pariser Klimaabkommen verabschiedete, aus der Unesco, aus der UN-Flüchtlingsvereinbarung. Es begab sich zu der Zeit, als nachprüfbare Wahrheit als Lüge beschimpft wurde, um vom eigenen Lügen abzulenken. Als Big Brother und Big Data sich vielerorts zusammentaten. Als Minderheiten ihre Ansichten hinausposaunten, indem sie diese als Volksmeinung verkauften – in Ländern, in denen die Bevölkerung, Gott sei’s gedankt, noch vielerlei Ansichten hegte. Es begab sich zu einer Zeit, als im weihnachtlichen Weißen Haus sich eine Wandelhalle mit gespensterhaft nackten Reisern schmückte, weiß von falschem Schnee, vielleicht andeutend, wie in zwanzig Jahren Nationalparks aussehen könnten. Wer dort hindurcheilte, wünschte sich eine warme Weste herbei, obschon das Haus fossil beheizt war. Es begab sich zu derselben Zeit, als dieses Haus seine höchste Gesundheitsbehörde (CDC) anwies, bestimmte Ausdrücke wie „verletzlich“, „Vielfalt“ und „wissenschaftlich begründet“ in Budgetanträgen nicht mehr zu verwenden: Im Anfang das Wort!
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17.12.2017: Prof. Dr. Matthias Konradt über 1Kor 4,1-6

Liebe Gemeinde, Menschen fällen ständig Urteile über andere, und sie werden ständig beurteilt, von anderen. Im allgemeinen Richtertum aller Menschen werden Menschen evaluiert, gewogen und zuweilen für ausreichend schwer, zuweilen für zu leicht befunden. Das war wohl immer schon so und ist es heute – im Zeitalter allgemeiner Evaluitis – ganz besonders. Positives Feedback kann ermutigen, Rückenwind verleihen. Als ungerecht empfundene Beurteilungen können frustrieren, können den Wind aus den Segeln nehmen und die Segel schlaff herunterhängen lassen. Beim Urteilen vergleichen wir. Wer ist besser, wer schlechter? Ranglisten entstehen, neudeutsch: Rankings. Wo es ein Oben gibt, muss es auch ein Unten geben.
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10.12.2017: PD Dr. Heike Springhart über Jes 63,15-64,3

Liebe Gemeinde, ihre Verzweiflung schrie zum Himmel. Vor genau 75 Jahren beendete Jochen Klepper mit seiner Frau Hanni und der Stieftocher Renate ihr Leben. Die dunklen Wolken der neuen Zeit hatten sich immer mehr über dem Leben des feinsinnigen Theologen und Liederdichters zusammengebraut. Elf Jahre zuvor hatte er seine Hanni geheiratet, eine Witwe mit zwei Töchtern, eine Jüdin, die sich später taufen ließ. Der 28-Jährige heiratete die 41-Jährige. Was den Eltern ein Dorn im Auge war, machte ihn für den Staat untragbar. Wegen seiner Ehe wurde er im 2. Weltkrieg als „wehrunwürdig“ aus der Armee entlassen. Damit nicht genug. Ihm wird mit Zwangsscheidung gedroht, die Deportation von Frau und Stieftochter steht unmittelbar bevor. In ihrer tiefen Verzweiflung wissen sie keinen Ausweg mehr. Am 11. Dezember 1942 schreibt Jochen Klepper ein letztes Mal in sein Tagebuch:
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03.12.2017: Dekanin Dr. Marlene Schwöbel-Hug über Offb 5,1-9a

Liebe Gemeinde, die Adventszeit ist eine Zeit der Geheimnisse. Geschenke werden besorgt, eingepackt und bis Weihnachten an geheimen Orten im Haus versteckt. Die Adventszeit ist eine Zeit der Sehnsüchte. Ruhe und Geborgenheit stehen auf der Wunschliste. Sie ist auch eine Zeit der Erinnerungen. Kindheitserinnerungen werden wach. Geschichten, Gedichte, Lieder, die das ganze Jahr in Regalen verstaubten, werden mit glänzenden Augen hervorgekramt. Die Adventszeit ist eine Zeit des Nachdenkens. Was ist uns wichtig in unserem Alltag? Wo könnten wir Dinge ändern? Die Adventszeit ist im Kirchenjahr eine Zeit der Buße, der Umkehr. Wo muss ich mit Schuld umgehen? In meinem eigenen Leben, in der Politik, in der Kirche? Die Adventszeit ist auch eine Zeit der Hoffnung und der Erfüllung. Das Licht der ersten Kerze springt auf die anderen Kerzen über. An Weihnachten erstrahlt dann der Christbaum und unsere Welt in neuem Licht.
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26.11.2017: Prof. Dr. Johannes Ehmann über Jes 65,17-25

Liebe Gemeinde, es sind ergreifende Worte, die wir da eben gehört haben. Worte tiefster Sehnsucht, Worte, die mit jedem Satz die Sehnsucht danach atmen, alles, ja wirklich alles, hinter sich zu lassen. Ich kann nicht mehr, und ich mag auch nichts mehr etwas hören von den Kindern, die vor der Zeit sterben. Ich mag die Bilder nicht mehr sehen von toten Babies nach einem Erdbeben, von ertrunkenen Flüchtlingskindern an Urlaubsstränden. Ich mag nicht mehr in die erschreckten und verweinten Augen von Eltern blicken, denen ihr Kind, ihr noch werdendes oder neu geborenes weggerissen wird, einfach so. Ich habe mein Kind sterben sehen, hat mir vor zwei Jahren ein Vater geschrieben. Das unrettbare Kind noch im Leib seiner Mutter, die Apparate machten es möglich, zuzuschauen, wie selbst nur ein Hauch von Leben alles erschütternd verging. Ich kann so etwas nicht mehr hören und ich mag auch nicht mehr.
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19.11.2017: Prof. Dr. Fritz Lienhard über Lk 16,1-9

In den letzten Tagen war viel die Rede von klugen aber ungerechten Verwalter. Wir haben erfahren wir eine Armee von Anwälten, Steuerberater und Vermögensverwalter Milliarden und Milliarden den unterschiedlichen Staaten entzogen haben. Das geschieht mit großer Kompetenz, und diese Fähigkeit hat im Französischen z.B. einen technischen Namen: optimisation fiscale, wörtlich zu übersetzen mit „steuerlicher Optimierung“. Das ist eine Kunst, es gibt diesbezüglich Doktorarbeiten, und es wurde in diesem Bereich bewundernswerte Klugheit bemüht. So geht das Geld von der steuerlichen Hölle zum steuerlichen Paradies, wobei die steuerliche Hölle darin besteht, die Schulen, die Krankenhäuser und die Sicherheit zu bezahlen. Und so stellt sich für uns die kritische Frage: sollen wir nun wirklich diese Menschen für ihre Klugheit loben?
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12.11.2017: Ann-Kathrin Knittel über Ps 85

Liebe Gemeinde, Schnell hat sie die Stadt durchquert. Groß ist sie ja nicht mehr. Alles sah so gut aus; der große Umbruch, die entscheidende Wende zum Guten. Der gewährte Wiederaufbau, die Wiederkehr Gottes. Der Enthusiasmus ist verflogen; die Resignation lässt den Blick wieder sinken. Freilich, es ist nicht mehr so schlimm, aber gut ist es noch lange nicht. In der Fremde ging es zum Teil sogar besser. Die Illusion, an frühere Zeiten und Zustände anknüpfen zu können, ist geplatzt. Die Schere zwischen arm und reich geht noch weiter auseinander. Die Unsicherheit ist groß. Und sie ist wieder da. Immer noch da. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, die Sehnsucht nach Heil-Sein, nach Friede, nach Schalom.
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05.11.2017: Prof. Dr. Martin Hailer über Mt 10,34-39

Liebe Gemeinde, »Weil Eure geheiligte Majestät und eure Herrschaften es verlangen, will ich eine schlichte Antwort geben, die weder Hörner noch Zähne hat: Wenn ich nicht durch das Zeugnis der Heiligen Schrift oder vernünftige Gründe überwunden werde (…), so halte ich mich für überwunden durch die Schriften, die ich angeführt habe, und mein Gewissen ist durch Gottes Worte gefangen. Und darum kann und will ich nichts widerrufen, weil gegen das Gewissen zu handeln weder sicher noch lauter ist. Gott helfe mir. Amen« So sagte es Martin Luther am 17. April 1521. Das war gar nicht weit von hier, nämlich in Worms. Schon mit dem päpstlichen Bann belegt reiste er von Wittenberg nach Worms.
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29.10.2017: Prof. Dr. Jan Christian Gertz über Pred 12,1-7

Liebe Gemeinde! „Ach wie nichtig, ach wie flüchtig sind der Menschen Sachen. Alles was wir sehen, das muss fallen und vergehen.“ – Novembertöne von Michael Franck, der zunächst als Bäcker und später als Lehrer im Coburg der Barockzeit wirkte. Das Leben des Dichters war wie das seiner Zeitgenossen geprägt von den Wirren und Schrecken des 30-jährigen Krieges als Deutschland sich politisch, wirtschaftlich und sozial in einem bespiellosen Niedergang befand und zwei Drittel seiner Bevölkerung durch Pest und Krieg ausgelöscht waren. Es muss ein zwiespältiges Lebensgefühl gewesen sein, hin und hergerissen zwischen den Gegensätzen aus Leben und Tod, Spiel und Ernst, Ewigkeit und Vergänglichkeit, Weltflucht und Weltsucht.
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22.10.2017: Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh über Mk 2,1-12

Liebe Universitätsgemeinde, und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür. Das klingt nach einer vollen Vorlesung, wo alles dicht gedrängt sitzt und manchmal auch steht. Wo es von Kommilitonen und Kommilitonen heißt: „Die musst du hören“. Wer sicher rein will und einen guten Platz, kommt früh und fährt auch mal die Ellenbogen aus. Schließlich geht es um etwas: um gute Bildung und damit hoffentlich auch um gute Aussichten für später. I Die Hauskirche von Simon und Andreas in Kapernaum ist voll, weil die Menschen Jesus hören wollen. Sie trauen ihm einiges zu: gute, hilfreiche Worte, Orientierung, Heilung. Sie stehen gedrängt, dicht an dicht. Für die, die zu spät kommen, für die, die keine kräftigen Ellenbogen haben, ist kein Durchkommen mehr. Nicht einmal draußen vor der Tür ist noch Platz. Die Plätze sind knapp; auch das ist eine Botschaft im heimlichen Lehrplan. Das lernt sich und prägt sich ein: „Wir waren immer zu viele.“ „Du musst um deinen Platz kämpfen: Früh aufstehen, dich geschickt einfädeln, auch mal die Ellenbogen ausfahren.“
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Letzte Änderung: 23.05.2018
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