Predigten Wintersemester 2016/17

05.02.2017: Prof. Dr. Ingrid Schoberth über Ex 3,1-15

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes bitten. Stille Herr erhöre uns. Amen Liebe Gemeinde, und heute in besonderer Weise zum Semesterschluss: liebe Studierende und Lehrende in Heidelberg. Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht geschrieben im Buch Exodus im 3. Kapitel, Vers 1-10: Mit dem Predigttext geht es heute um einen der zentralsten Erzählungen aus dem Alten Testament. Er stellt eine erzählende Entfaltung von Gottes Nähe und Gegenwart dar, wie sie Mose durch einen Engel an einem Dornbusch widerfährt und die Mose beauftragt, hinzugehen zum Pharao in Ägypten, um das Volk Israel aus der Gefangenschaft zu führen.
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22.01.2017: Saskia Lerdon über Rut 1,1-19

Liebe Gemeinde, vor einem guten Jahr verbrachte ich einige Tage auf der Mittelmeerinsel Kos. Erschrocken stand ich am Hafen der kleinen Inselhauptstadt. Das Hafenbecken war voller gekenterter Schlauchboote, die Uferpromenade gesäumt von ausgedienten Schwimmwesten. Es waren die Relikte einer gefährlichen nächtlichen Überfahrt, die den Gestrandeten ein besseres Leben bringen sollte. So viele Menschen sind heute weltweit auf der Flucht vor Armut, Hunger, Krieg und Terrorherrschaft wie nie zuvor – die Hälfte von ihnen sind Kinder.[1] Sie verlassen ihre Heimat, ihre Häuser und ihre Familien auf der Suche nach einem Neuanfang in einem ihnen fremden Land. Und sie nehmen dabei tausende Kilometer und riesige Gefahren auf sich.
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20.01.2017: Prof. Dr. Christoph Strohm über Mt 14,22-33

Liebe Gemeinde, in der Geschichte ist alles Wesentliche drin, was christlichen, evangelischen Glauben charakterisiert: Das Tremendum, das Erschrecken über Gottes wunderbares, alles menschliche Begreifen übersteigendes Handeln, wie auch das Faszinosum, das Staunen und Fasziniertsein; Petrus – nicht als stolzer Kirchenfürst, sondern als exemplarischer Kleingläubiger und Zweifler; die evangelische Botschaft aus dem Mund Jesu in konzentriertester Form: „Seid getrost, ich bin’s.“ Man kann hier in der Peterskirche zu Heidelberg nicht über die Geschichte von Jesus und dem sinkenden Petrus predigen, ohne Hans Thomas Darstellung dieser besonderen Begegnung an der Frontseite des linken Seitenschiffs vor Augen zu haben. Im Zentrum des monumentalen Gemäldes ist der über das Wasser wandelnde Jesus dargestellt, umgeben von dem Schein, den der über seinem Haupt stehende Mond ausstrahlt.
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15.01.2017: Prof. Dr. Fritz Lienhard über Joh 2,1-11

Der Rock ist dunkel, was eher auf einen Syrah verweist. Der Wein ist also eher südländisch. Es ist weder ein Pfälzer noch ein Burgunder. Erst recht kein Elsässer. Einerseits besteht eine Durchsichtigkeit, wie bei einem Edelstein, und andererseits bewahrt dieser Wein immer sein Geheimnis. Unten bemerken wir einen Absatz, der schon beim Anblick auf das Alter des Weins verweist. Der Rotwein, im Gegensatz zum Weißwein, wird immer besser mit der Zeit, und trägt sozusagen die eigene Vergangenheit in sich. Beim Geruch ist Alkohol nicht dominant. Es riecht nach Keller, nach Eichenfass, nach Holz. So trägt der Wein die Wärme des Holzes in sich, seine Lebendigkeit. Aber der Wein riecht auch nach Frucht, rote Frucht, in diesem Fall, in anderen Fällen schwarze Frucht. „Frucht“: das Wort kommt von fruor, genießen, und verweist immer noch auf die freudige Überraschung in einem dornigen Busch rote genießbare Früchte zu entdecken.
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08.01.2017: Prof. Dr. Michael Plathow über Röm 12,1-8

1. Liebe Gemeinde hier in der Peterskirche, noch ganz im Schein des Epiphaniasfestes spricht sich in unsere Herzen die Verheißung: “Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten (wie das des Morgensterns), der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, damit durch uns entsteht die (erfahrbare) Erkenntnis der Wahrheit in dem Angesicht Jesu Christi” (2. Kor 4, 6). Da verbindet sich die Verheißung, “die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint jetzt” (1. Joh 2, 8b) und “ihr seid das Licht der Welt” (Mt 5, 14) mit der Zusage: “Lasst uns wandeln im Licht” (Jes 2, 5), “lebt als Menschen des Lichts” (Eph 5, 8) und “dein Wort ist Licht auf meinem Weg” (Ps 119, 105). Diese Verheißung von Epiphanias spricht in schwierigen Zeiten, wo die Welt aus den Fugen geraten zu sein scheint.
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31.12.2016: Hochschulpfarrer Dr. Hans-Georg Ulrichs über Exodus 33,12-23

Liebe Gemeinde, wir wollen nach St. Giovanni wandern. Vorwärts heißt aufwärts, den Berg hinan! Schon kurz, nachdem wir unser Dorf verlassen haben, rinnt uns der Schweiß hinunter, aber anders als Menschen, die den Weg nicht kennen, können wir nach vielen Jahren an diesem Urlaubsort in Ligurien alles gut abschätzen. Bei gleichmäßigem Tempo brauchen wir vielleicht anderthalb Stunden, so können wir die Kräfte gut einteilen. Der Weg ist mal breiter, mal ganz eng, er geht steil hinauf und mal verharrt er auf gleicher Höhe, er geht wörtlich über Stock und Stein, er ist ganz trocken oder auch nass, wir rutschen aus und kratzen uns an Dornen die Beine wund, Stechmücken plagen, während Schlangen sich lieber rasch ins Unterholz verschlängeln. Wir laufen durch unterschiedliche Vegetationsformen, die Bodenbeschaffenheit ist verschieden. Irgendwann beginnt sich der Wald zu lichten und es wird heller und heller, wir können vielleicht nicht mehr, aber doch weiter schauen, manchmal erhaschen wir einen Blick auf den zurückgelegten Weg und manchmal auf den noch zurück zu legenden Teil, bevor die nächste Herausforderung, die nächste Biegung uns zur Fokussierung auf anderes, Aktuelleres zwingt. Und ganz am Schluss, geradezu idealtypisch, geht es ganz steil einen engen Pfad hinauf, wir stützen uns an Felswänden ab und ziehen uns am Wurzelwerk hoch – und plötzlich stehen wir auf einer Wiese, auf einer Hochebene, einem Plateau.
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24.12.2016: Prof. Dr. Manfred Oeming über Jes 11,1-10

Liebe Gemeinde, Der Text, der uns heute helfen soll, den Sinn von Weihnachten zu erschließen, steht in Buch Jesaja, Kapitel 11. Jes 11 (in der Übersetzung Martin Luthers) 1 Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. 2 Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. 3 Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, 4 sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. 5 Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften. 6 Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. 7 Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinanderliegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. 8 Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter. 9 Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt. 10 Und es wird zu der Zeit geschehen, dass die Nationen nach der Wurzel Isais fragen werden, die als Banner für die Völker dasteht; und sein Ruheort wird Herrlichkeit sein. Die Worte des Propheten Jesaja haben drei Abschnitte; sie betreffen drei Zeiten: seine Gegenwart, seine nähere Zukunft und die ferne Zukunft. Ich lade Sie ein, die mit mir meditierend durch diese Zeit hindurchzugehen.
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18.12.2016: Prof. Dr. Rainer Albertz über Hes 17,22-24

Liebe Universitätsgemeinde, Wenn wir in einer Woche Weihnachten feiern, dann dürfen wir das, weil Gott seine messianischen Verheißungen, die er über die Jahrhunderte seine Propheten hat verkünden lassen, wirklich wahr gemacht hat. Mit der Geburt seines Sohnes Jesus Christus hat er seiner Zuneigung zu seinen Geschöpfen für viele sichtbar und erfahrbar Ausdruck verliehen und seine rettende Herrschaft über die Welt erkennbar aufgerichtet. Darüber dürfen wir uns, darüber können wir uns alle freuen. Doch, liebe Gemeinde, haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie schwer wir Geschöpfe es Gott häufig gemacht haben und immer wieder machen, treu zu seinen Verheißungen zu stehen?
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11.12.2016: Prof. Dr. Michael Welker über Lk 1,67-79

Liebe Gemeinde, wurden Sie – und ich möchte jede Einzelne und jeden Einzelnen unter Ihnen ansprechen –, liebe Gemeinde, wurden Sie schon einmal vom Heiligen Geist erfüllt? Ich vermute, dass schon diese Frage viele von Ihnen eher befremdet. Vom Heiligen Geist erfüllt – ich? Was soll das? Unser heutiger Predigttext und das Benedictus, das wir gemeinsam gebetet haben, kann an dieser Stelle vielleicht Klärung bringen. Im 1. Kapitel des Evangeliums nach Lukas geht es nicht nur um die Ereignisse im Zusammenhang mit der Geburt von Johannes dem Täufer. Es geht auch um den Lobgesang seines Vaters, des Priesters Zacharias, nach dieser Geburt. Der Geburt vorausgegangen waren Schwierigkeiten und verwunderliche Geschehnisse. Die Mutter Elisabeth war, wie es heißt, „fortgeschritten in ihren Tagen“, und sie litt darunter, kinderlos geblieben zu sein (Lk 1,18 und 1,25). Dann kündigt ein Engel dem Vater, während er seinen Dienst im Tempel tut, an: Ihr werdet einen Sohn bekommen, er soll Johannes heißen. Und dieser Sohn wird Großes tun. Er wird viele Israeliten zum Herrn, ihrem Gott, bekehren (Lk 1,13 und 16). Doch Zacharias glaubt dem Engel nicht: „Ich bin ein alter Mann, und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter“ (Lk 1,18). Der Engel reagiert darauf unnachsichtig: „Du wirst jetzt stumm sein und nicht mehr reden können, bis zu dem Tag, an dem all das eintrifft“ (Lk 1,20).
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04.12.2016: Oberkirchenrat Dr. Matthias Kreplin über Jak 5,7-11

Liebe Gemeinde, in jedem Gottesdienst, in dem wie heute das Glaubensbekenntnis gesprochen wird, bekennen wir über Jesus Christus: Er sitzt zur rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Wir bekennen also: Eines Tages wird Jesus Christus wiederkommen und diese Welt grundlegend verwandeln. Wenn ich uns im Oberkirchenrat in Planungsprozessen erlebe, bei denen wir Pläne machen für Kampagnen und komplexe Prozesse, in denen wir Strategien ausdenken, wie wir dieses Problem bearbeiten und jenes Ziel erreichen wollen - alles, um verantwortlich Kirche zu leiten - dann sage ich manchmal in die Runde: „Wenn morgen der Jüngste Tag anbricht, dann brauchen wir noch mindestens bis zum Mittag, um alle unsere Termine im Terminkalender zu löschen, um alle unsere Strategie-Papiere einzustampefn und unsere To-Do-Listen abzuhaken." Und hinter dieser Selbstironie kommt zum Vorschein, dass wir planen und Konzepte entwickeln, als ginge alles immer so weiter; als wäre die Geschichte ohne Ende.
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27.11.2016: Prof. Dr. Helmut Schwier über "Freude" zum ersten Advent

Liebe Gemeinde, „Lauter Wonne, lauter Freude“ – die Adventskantate von Georg Philipp Telemann gibt den Ton unseres Gottesdienstes an. Wonne, Freude und Lebenslust – wunderbar! Woran freuen Sie sich? Worauf und wozu haben Sie Lust? Mir fallen da erst einmal sehr einfache Sachen ein: Ich freue mich über gutes Essen und Trinken (sieht man auch). Ich freue mich, wenn wir hier so herrliche Musik genießen können wie heute und selbst kraftvoll miteinander singen. Ich freue mich über gute Begegnungen mit anderen Menschen – Begegnungen mit Wertschätzung, mit wechselseitigem Ernstnehmen, auch wenn etwas zu kritisieren oder zu verhandeln ist. Ich freue mich über Offenheit und Vertrauen in der Familie und unter Freunden. Ich freue mich über gute Leistungen meiner Studierenden, Vikarinnen und Vikare. Vor drei Wochen prüfte ich in einem Examensgottesdienst, ging hin mit gemischten Gefühlen und eher gedämpfter Erwartung und wurde von der Vikarin total überrascht: außergewöhnliche Liturgie, ernsthafte Predigt in Wort und Musik, glänzendes Kolloquium. Auf solche Pfarrerinnen und Pfarrer können sich auch die Gemeinden freuen.
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20.11.2016: Prof. Dr. Martin-Christian Mautner über Mk 13,28-37

Liebe Gemeinde, wahrscheinlich ist es nicht üblich eine Predigt mit einem Werbeblock zu beginnen. Ich will es heute dennoch wagen. Kennen Sie Rockenhausen, eine beschauliche frühere Kreisstadt in der Hinteren Pfalz, im Tal des Flüsschens Alsenz gelegen, mit manch heimeligem Winkel, netten Fachwerkhäuschen und sogar einem ehemaligen Wasserschloss...? Warum ich das frage? Nun, ich konnte neulich die eigentliche Attraktion des Städtchens besuchen – das „Museum für Zeit“ nämlich. So nennt sich das dort ansässige Pfälzische Turmuhrenmuseum. Neben einer sehenswerter Kollektion verschiedenster alter Uhren beschäftigt sich ein Raum mit der Geschichte der Zeitmessung von der Frühzeit über die Antike, das Mittelalter und die frühe Neuzeit bis in die Gegenwart – und visionär durchaus darüber hinaus... Am meisten beeindruckte mich, mit welcher Akribie, welcher Ausdauer, mit welchem intellektuellen, handwerklichen und organisatorischen Aufwand nachgedacht wurde über die Zeitmessung. Ja, noch mehr, in welchem Maße das Messen der Zeit stets einherging mit kosmologischer Spekulation.
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13.11.2016: Prof. Dr. med. Andreas Unterberg über Mt 25,31-46 zum Volkstrauertag 2016

Liebe Gemeinde, Hotel-Dieu, auf deutsch: „Hotel Gottes“, heißt ein einmaliges architektonisches Ensemble, das sich im burgundischen Beaune befindet, etwa 450 km südwestlich von Heidelberg. Es ist ein Krankenhaus der frühen Neuzeit, gestiftet von Nicolas Rolin, einem reichen, einem eitlen burgundischen Kanzler, im Jahr 1443. Treibende Kraft soll seine fromme dritte Frau Guigones de Salins gewesen sein. Bis 1971 war das Hospital in stiftungsgemäßem Betrieb. Einige von Ihnen werden es vielleicht – so wie ich – schon besucht und bewundert haben. Was hat das mit unserem heutigen Predigttext zu tun?, fragen Sie sich.
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06.11.2016: Prof. Dr. Martin Hailer über Mi 4,1-5

Liebe Gemeinde, wir leben unser Leben nicht allein. Wir leben nicht nur je für uns selbst so vor uns hin. Wir leben mit unseren Mitmenschen und für sie. Und, das ist heute vor allem das Thema, wir leben unser Leben im Angesicht Gottes und auf ihn zu. Eingangs dieses Gottesdienstes haben wir gebetet: »1000 Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Lehre uns bedenken dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.« Da haben wir es schon: wir leben unser Leben nicht allein, weil wir wissen dass es endlich ist. Wir leben unser Leben nicht allein, weil wir wissen: Es geht auf Gottes definitives Leben, auf seine Wirklichkeit zu. Es ist eines zu sagen, dass das Leben so und so lange dauert. Wohl ein anderes ist es, zu sagen, dass unser Leben auf Gottes definitives Leben zu strebt. Er, Gott, setzt unserem Leben die Grenze. Genauso aber gibt er unserem Leben die Richtung. Das was von Gott her gilt, gilt auch schon jetzt und scheint in unser Leben hinein. Das was Gottes endgültige Zukunft einst bestimmen wird, bestimmt uns bereits jetzt. Hören wir in diesem Sinne einige Verse aus dem Buch Micha.
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30.10.2016: Prof. Dr. Johannes Ehmann über Röm 13,1-7

Liebe Gemeinde, ich beginne mit einem Bekenntnis; besser: mit zwei Bekenntnissen: das erste: Es macht mir Freude, zu predigen; das zweite: Heute nicht! Zu tief ist scheint Geläuf, um sich einen Weg durch den Predigttext zu Bahnen. Mit jedem Vers, mit jedem Halbvers verfängt man sich mehr und mehr, weiter und tiefer in den Verstrik­kungen eines politischen Ratschlags des Apostels Paulus, der im Hören nur verhängnisvoll an Unterordnung und Muckertum erinnert. Was schafft sich nicht alles Bahn bei diesem Hören: Thomas Manns „Untertan“ vielleicht, oder auch Luthers Ratschlag zum Umgang mit den aufrührerischen Bauern? Oder schon reflektierter: Treibt uns vielleicht wieder die Sorge vor einem zu starken Staat um, der jede Gelegenheit nutzt, genauer ins unser Privatleben hineinzuleuchten und öffentliche Plätze mit Kameras zu überwachen. War das nicht der unheilvolle Motor der deutschen Geschichte, die Angst vor dem Chaos, vor den Bolschewiken, vor den Demokraten, letztlich die Angst vor der eigenen bürgerlichen Freiheit? Die Diktatur, nein die wollen wir natürlich nicht, aber ein bisschen behütende Staatsmacht, ein wenig vormund­schaftlicher Staat, der mir lästige Entscheidungen abnimmt, wer sollte hier etwas einwenden? Und: Wer nichts Böses tut, der braucht doch ja auch keine Angst vor dem Staat haben! Umgekehrt: Wer den Staat seiner strafenden Autorität berauben möchte, der muss doch irgendwie Dreck am Stecken haben, zumindest ein böses Gewissen. So höre ich es selbst, wenn mir Röm 13 begegnet.
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23.10.2016: Hochschulpfarrer Dr. Hans-Georg Ulrichs zum Semestereröffnungsgottesdienst über Mi 6,1-8

Liebe Gemeinde, der väterliche Geduldsfaden in mir war immer arg angespannt, wenn meine Söhne ihre Hausaufgaben machten oder sich gar für Klassenarbeiten vorbereiteten. Zeitlich viel zu knapp, vom Umfang viel zu gering und über die Intensität will ich lieber gar nicht reden. Ich fand es schade, dass nur so output- oder zielorientiert gelernt und gearbeitet wurde, und meinte dahinter eine gewisse Verachtung für das jeweilige Schulfach spüren zu müssen: Es ging – schien es mir – nie um das Wissen an sich, um die Gehalte eines Faches, um das Durchdringen und Aneignen von Kulturgut um seiner selbst willen, sondern ausschließlich um das erfolgreiche Abschneiden bei einer schriftlichen Prüfung. Irgendwie scheint da ein System mächtig zu sein, und in dessen Regeln bewegt man sich, und wenn es geht eben erfolgreich. Das muss mit der Sache, die das System zu vermitteln beauftragt ist und vorgibt, nicht notwendigerweise etwas zu tun haben.
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Letzte Änderung: 23.05.2018
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