Predigten im Wintersemester 2014/15

 

01.02.2015: Dekan Prof. Dr. Johannes Eurich über Mk 4, 35-41

Liebe Gemeinde, seltsam ist das Gefühl durchaus. Da fliegt der Blick zum Beispiel hoch über dem Nil zum Pharaonenpalast – und folgt einem riesigen Heuschreckenschwarm, der gerade in der Stadt einfällt. Da wandert, ganz von oben betrachtet, ein schwarzer Schatten über die Lehmhäuser der Ägypter – und bringt tausendfachen Tod. Da rollt, aus sicherer Höhe gefilmt, eine gigantische Flutwelle heran, um eine ganze flüchtende Armee aus Reitern, Streitwagen und Speerträgern unter sich zu begraben. Den winzigen Menschen, die da unten ameisengleich herumwuseln, geht es dabei nicht gut. Das lässt sich nicht wirklich leugnen. Aber man leidet nicht mit ihnen. Beim Anblick der Naturgewalten, Plagen, Katastrophen und Heimsuchungen, die da hereinbrechen, spürt man etwas ganz anderes: den Schauder des Erhabenen, gepaart mit Zufriedenheit. Wie man sich eben möglicherweise so fühlt, als alttestamentarischer Gott.“ So schreibt Tobias Kniebe in einer Besprechung des Filmes Exodus. Vielleicht haben ja einige von Ihnen den Film gesehen.
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18.01.2015: Prof. Dr. Martin Hailer über Joh 2,1-11

Liebe Gemeinde, »Zum Leben gehört das Unvollendete. Ich bitte die Menschen, sich das zu bewahren«. Hanns Dieter Hüsch hat das einmal gesagt. Der Poet vom Niederrhein hinter der Hammond-Orgel. Kabarettist war Hanns Dieter Hüsch, zuhöchst kundiger Mozart-Verehrer, aber auch nachdenklicher und tiefsinniger Laientheologe. Er raisonnierte schonmal, was ihm durch den Kopf geht, wenn er beim lieben Gott auf der Fahrradlenkstange sitzt und durch die Gegend kutschiert wird. Unter anderem dies: »Zum Leben gehört das Unvollendete. Ich bitte die Menschen, sich das zu bewahren«. Da hat er Recht, der Poet vom Niederrhein, und es ist wirklich nötig, sich das zu bewahren. Es kommt nämlich so: Wir sind umgeben von den Zumutungen, fertig zu sein, vollendet. Wohin man nur schaut, kommt einem diese Zumutung entgegen. Erst vor wenigen Tagen sah ich, Heidelberger Straßenbahn fahrend, ein Werbeplakat für eine zweisprachige Grundschule. Eine gute Sache, sollte man meinen.
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04.01.2015: Prof. Dr. Jörg Neijenhuis über Lk 2,41-52

Ja, liebe Gemeinde, sogenannte „Helicoptereltern“ hatte Jesus offenbar nicht! So werden heutzutage Eltern bezeichnet, die ständig ihr Kind überwachen und sozusagen wie ein Helicopter über dem Kind schweben und von oben kontrollieren, ob es alles richtig macht. Jesu Eltern meinten, dass er sich schon irgendwo unter den vielen Reisenden befand, als sie vom Passahfest auf der Rückreise nach Hause waren. Erst abends fiel ihnen auf, dass Jesus nicht dabei war. Waren Jesu Eltern zu nachlässig? Oder gar zu vertrauensselig? Als sie ihn in Jerusalem fanden, hatte Jesus offenbar kein schlechtes Gewissen. Seine Eltern waren verständlicherweise bestürzt und machten ihm Vorwürfe – wer könnte das nicht nachvollziehen! Plötzlich nicht zu wissen, wo das eigene Kind ist – nicht auszudenken, welche Schrecken und welche Angst man auszustehen hat! Das möchte man mit dem eigenen Kind nicht erleben müssen!
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24.12.2014: Prof. Dr. Klaus Tanner über Lk 2,1-20

Liebe Gemeinde ! Anerkannt werden will jeder Mensch. Das hat einen einfachen Grund: Wie wir uns wahrnehmen und erleben, gründet in der Anerkennung und Annahme, die uns andere zuteil werden lassen. Weil jeder von uns als Kind zunächst von Mutter, Vater, den Geschwistern und dem weitere Kreis der Familie angenommen wurde, konnte jeder von uns die Person werden, die jeder von uns heute ist. Wie lebenswichtig solche Annahme ist, zeigt sich an der Kehrseite, den Erfahrungen verweigerter Anerkennung. Unsere sozialen Beziehungen sind immer auch Verletzungsgeschichten. Unsere Sehnsucht nach Anerkennung ist groß und wird nur selten genug gestillt. Unsere gesellschaftliche Kommunikation ist voller Selbstrechtfertigung von Lebensgeschichten, die die Anerkennung durch andere ersetzen soll, aber nicht kann. Oft fühlen wir uns verkannt. Mangelnde Anerkennung bedroht uns in unserer Identität, sie schmerzt und zerstört Vertrauen. Sie kann zum Rückzug vom Leben mit anderen führen; sie kann aber auch zu einer Quelle von Aggression gegen andere werden.
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21.12.2014: Pfarrer Dr. Martin-Christian Mautner über "Es kommt ein Schiff geladen"

Liebe Gemeinde. Wohl zu keiner Zeit des Jahres wird mehr gesungen als gerade jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit. Mir fällt das bei jeder Veranstaltung und Zusammenkunft derzeit auf. Und in der Tat gibt es unerhört reichen Schatz an Advents- und Weihnachtsliedern, aus welchem wir uns bedienen können, den wir da zur Auswahl haben. Unter diesen Liedern gibt es welche, die hauptsächlich eine Stimmungslage, eine Atmosphäre vermitteln, andere erzählen eine Geschichte. Einige sind auch Betrachtungen, gleichsam musikalische Bilder, die es sich erst zu erschließen und dazu am besten zu ersingen gilt. Ein solches Lied ist die Nummer 8 in unserem Gesangbuch. Ich bitte Sie es aufzuschlagen, denn unsere Predigt heute soll das Singen und Betrachten dieses Bild-Liedes sein. Es handelt sich um eines der bekanntesten Adventslieder, zugleich um eines der inhaltlich dunkelsten. Es geht Ihnen vermutlich nicht anders als mir selbst: Beim Singen erahne ich den Inhalt mehr, als dass ich ihn zunächst konkret benennen könnte.
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14.12.2014: Prof. Dr. Matthias Konradt über Mt 11,2-6

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Ich lese den Predigttext für den heutigen dritten Adventssonntag. Er steht im 11. Kapitel des Matthäusevangeliums: 2 Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken des Christus hörte, sandte er durch seine Jünger 3 und ließ ihm sagen: „Bist du der Kommende, oder sollen wir einen anderen erwarten?“ 4 Und Jesus antwortete und sagte zu ihnen: „Geht hin und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: 5 Blinde sehen wieder, und Lahme gehen, Aussätzige werden rein, und Taub(stumm)e hören, und Tote werden auferweckt, und Armen wird das Evangelium verkündet. 6 Und glückselig ist, wer nicht Anstoß nimmt an mir!“ Was ist los mit Johannes dem Täufer: „Bist du der Kommende, oder sollen wir einen anderen erwarten?“, fragt er zweifelnd. Weiß er es nicht? Einst, da hatte er es doch gewusst. Oder? Matthäus erzählt, wie Jesus zu Johannes zur Taufe kam, an den Jordan. Dorthin war dieser Rufer in der Wüste hinausgezogen, um Israel die Umkehr zu predigen und die Willigen zu taufen. Seine Zeitgenossen verstanden die Symbolik des Ortes: So wie seinerzeit das Volk des Exodus aus der Wüste durch den Jordan in das gelobte Land, in das Land der Verheißung, eingezogen war, so stand man jetzt am Jordan an einem Übergang: am Übergang zur großen immerwährenden Heilszeit, die Gott verheißen hatte.
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07.12.2014: Prof. Dr. Michael Welker über Lk 21,25-33

Wie, liebe Gemeinde, würden Sie auf diesen Bibeltext reagieren, wenn wir nicht in einem gottesdienstlichen Raum versammelt wären, in adventlicher Stimmung und in Erwartung einer Auslegung dieser Worte Jesu, die er kurz vor dem Passafest an seine Jünger richtet? Wie würden Sie reagieren auf das befremdliche Konglomerat von Bildern und Gedanken, das da auf uns einstürzt: Szenarien von Endzeitkatastrophen; merkwürdige mythologische Bilder vom Kommen des sogenannten Menschensohnes; die Behauptung, dass all das aufrichtend, ja, sogar der Anfang von Erlösung sei; aber auch die Behauptung, dass schlichtes Erkennen genüge, es zu erfassen – denn die Zeichen dafür seien in ihrer Klarheit vergleichbar dem unspektakulären, alljährlich wiederkehrenden Austreiben der Feigenbäume; und alles gipfelt dann noch in der Behauptung, dass Jesu Zeitgenossen all das unmittelbar bevorstehe. Mein erster Eindruck von diesem Bibeltext – Lukas 21, Vers 25-33 – jedenfalls war, dass er, neudeutsch gesagt, Bibel und Religion zum Abwinken und Abgewöhnen biete. Katastrophenbeschwörung, Rettungsrhetorik – und natürlich hat sich dies alles nicht erfüllt.
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30.11.2014: Dekanin Dr. Marlene Schwöbel-Hug über Mt 21,1-9

Liebe Gemeinde, ein neues Kirchenjahr beginnt. Adventszeit. Viele Stichworte und Assoziationen verbinden sich mit der Adventszeit. Vieles vermischt sich: Plätzchengeruch mit dem Rauch der Waffen in den Krisenherden unserer Welt, Stollen mit dem Hungern der Flüchtlinge, Kerzen mit der Dunkelheit vieler einsamer Menschen, wunderbare Musik mit dem Geschrei von Fundamentalisten und Kriegstreibern. Adventszeit. Überall ist die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Wärme und nach Harmonie spürbar. Vorfreude auf Weihnachten möchte gelebt werden. So viel Widersprüchliches tut sich auf. Und das darf es auch.
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23.11.2014: Prof. Dr. Gerd Theißen über 2 Petr 3,3-13

Liebe Gemeinde, War es ein Irrtum, als Jesus und die ersten Christen das nahe Ende der Welt und den Anfang einer neuen Welt erwarteten? Das behaupten nicht nur Spötter, wie unser Predigttext sagt. Das sagen heute alle, die in Glaubensfragen aufrichtig sein wollen. Dieser Irrtum hat auch etwas Gutes. Wenn man ihn erkannt hat, kann man die Bilder der Bibel nicht mehr wörtlich nehmen. Wenn man ihn erkannt hat, kann man das Glaubensbekenntnis mit neuen Worten sprechen. Religionskritiker sagen zwar, das sei das Ende des Glaubens. Christliche Fundamentalisten applaudieren. Ich aber sage: Das ist das Ende des naiven Glaubens. Und dieses Ende begann schon bei Jesus.
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16.11.2014: Prof. Dr. Christoph Strohm über 2 Kor 5,1-10

Liebe Gemeinde, „Hätten die Nüchternen einmal gekostet, alles verließen sie, und setzten sich zu uns an den Tisch der Sehnsucht, der nie leer wird.“ Diese Worte finden sich in einem der geistlichen Lieder, die der Romantiker Friedrich von Hardenberg, bekannt als Novalis, im Jahr 1798 zum Druck gebracht hat. In der Hymne besingt Novalis das Geheimnis der Liebe und er tut das, indem er aufs Stärkste religiöse Metaphorik heranzieht: „Wenige wissen / Das Geheimnis der Liebe, / Fühlen Unersättlichkeit / Und ewigen Durst. / Des Abendmahls / Göttliche Bedeutung / Ist den Irdischen Sinnen Rätsel…“ Novalis kann gar nicht anders als die Erfahrungen der Liebe mit dem Hinweis auf die himmlische Welt zu erläutern: „Wem das Auge aufging, / Daß er des Himmels / Unergründliche Tiefe maß, …“ Novalis schreibt die Worte auf dem Höhepunkt des Siegeszuges der Aufklärung, ein paar Jahre nachdem Immanuel Kant in seinen Kritiken die Möglichkeiten des menschlichen Verstandes, zuverlässige Informationen über die himmlische Welt zu erhalten, kräftig destruiert hatte.
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15.11.2014: Dekan Prof. Dr. Ekkehard Felder zum Volkstrauertag 2014

Wir sind hier zusammengekommen, um der Toten unserer Universität zu gedenken. Gestatten Sie mir zu Beginn eine persönliche Anmerkung: Als Kind musste ich mit meinem Vater, der im Krieg noch als junger Soldat eingezogen wurde, an jedem Volkstrauertag auf den Friedhof zur zentralen Gedenkveranstaltung meiner südbadischen Heimatstadt gehen. Ich erinnere mich noch an eine Totenglocke, die mich beeindruckte. Außerdem erklang das Lied „Der gute Kamerad“, das mit der berühmten Verszeile von Ludwig Uhland „Ich hatte einen Kameraden“ beginnt. All dies hat meinen Vater – ansonsten niemand, der zur besonderen Darstellung von Gefühlen neigte – stets sehr berührt. Kein Wunder, denn wir Kinder wussten, dass er im November 1944 im Alter von 18 Jahren mit mehr als 1000 Gleichaltrigen noch in den Krieg geschickt wurde und dass weniger als 200 junge Menschen seiner Einheit heimkehrten.
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19.10.2014: Prof. Dr. Helmut Schwier über Eph 5,15-20 zur Semestereröffnung

Liebe Gemeinde, der Anfang eines neuen Semesters – manchmal wohnt auch ihm ein Zauber inne. Für die einen ist es das erste Semester: Beginn eines neuen Lebensabschnitts, neue Freiheiten, endlich weg von Zuhause, aber auch neue Verantwortung für sich selbst; und die beginnt manchmal, wenig zauberhaft, bei Alltagsdingen wie Zimmer putzen und selbst Einkaufen. Für andere ist es das erste Semester in Heidelberg: ein neuer Ort, eine Universität mit Traditionsbindung und Zukunftsgewissheit seit 1386. Sie ist bestimmt exzellent, diese Uni! Für die alten Heidelberger ist es ein weiteres Semester mit neuen Herausforderungen, Fragestellungen, Studienzielen. Und wir wissen: sie ist exzellent, diese Uni, vor allem aber ist sie lebendig, und zwar durch die vielen unterschiedlichen Menschen, junge und alte, die hier studieren, lehren, leben und mitunter Gottesdienst feiern.
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Letzte Änderung: 29.02.2016
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