Predigten Sommersemester 2016

24.07.2016: Dekanin Prof. Dr. Ingrid Schoberth über "Bildung" im Semesterschlussgottesdienst

Liebe Gemeinde, und heute in besonderer Weise – zum Semesterschluss – liebe Studierende und Lehrende an der Universität und den Hochschulen hier in Heidelberg. Auch die Predigt heute am 9. Sonntag nach Trinitatis soll sich auf die Reformation beziehen, der wir in diesen Jahren besonders gedenken und daraus nicht nur eine Rückerinnerung machen wollen, die uns vielleicht auch ein wenig verträumt in die Vergangenheit blicken läßt. Wir wollen zugleich einen kritischen aber auch konstruktiven Blick mit ihr ins Heute suchen: Was also ist es, was die Reformation uns heute zu denken und zu überlegen aufgibt? Welchen Anspruch erhebt sie, unsere Wirklichkeit, und in besonderer Weise heute unser Nachdenken über Bildung, zu beeinflussen und auch zu beflügeln?
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17.07.2016: Prof. Dr. Klaus Tanner über "Schrift"

“Die Wiedererweckung meines religiösen Gefühls verdanke ich jenem heiligen Buche, und dasselbe wurde für mich ebensosehr eine Quelle des Heils, als ein Gegenstand der frömmigsten Bewunderung. Sonderbar! Nachdem ich mein ganzes Leben hindurch mich auf allen Tanzböden der Philosophie herumgetrieben, allen Orgien des Geistes mich hingegeben, mit allen möglichen Systemen gebuhlt, ohne befriedigt worden zu sein”. Das schrieb Heinrich Heine in seinen “Geständnissen”, die 1854[1] erschienen sind. Früher galt sein Interesse vor allem der Philosophie schreibt Heine weiter. “Ich [...] wußte den Protestantismus nur wegen der Verdienste zu schätzen, die er sich durch die Eroberung der Denkfreiheit erworben, die doch der Boden ist, auf welchem sich später Leibniz, Kant und Hegel bewegen konnten. In dieser Beziehung habe ich auch die Reformation als den Anfang der deutschen Philosophie gewürdigt [...]. Jetzt, in meinen spätern und reifern Tagen, wo das religiöse Gefühl wieder überwältigend in mir aufwogt, und der gescheiterte Metaphysiker sich an die Bibel festklammert: jetzt würdige ich den Protestantismus ganz absonderlich ob der Verdienste, die er sich durch die Auffindung und Verbreitung des heiligen Buches erworben”.
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10.07.2016: Prof. Dr. Helmut Schwier über 'De Salvatore Mundi' von Manfred Kluge (1962)

„Jesus Christus“: nicht ein Vorname und ein Nachname ist das, sondern ein Bekenntnis. Jesus, Jeshua, Sohn der Maria, Zimmermann in Nazareth, Prediger der Gottesherrschaft, Mensch und Prophet. Er ist Messias, Christus, Gottes Bote und Sohn. Allen Söhnen und Töchtern zeigt er Gottes Willen, zeigt er Gott selbst. Die Musik von Manfred Kluge führt uns den „Salvator Mundi“, den Retter und Heiland der Welt, vor Ohren. Dramatisch, zerrissen, nicht lieblich. Denn die Welt ist nicht lieblich. Der Mensch in seiner Größe und Niedrigkeit – ein auf Gott bezogenes Wesen. Ja! Aber die Beziehung von Gott und Mensch, die Geschichte des Lebens, ist ein Drama, zeigt Liebe und Hass, Verzweiflung, Zerrissenheit. Wie aus dem Nichts begann die Musik. Augenblicke vor der Schöpfung. Doch es entsteht nicht ein Paradies. Adam, der Mensch als Typus, übertritt Gottes Gebote.
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03.07.2016: Prof. Dr. Matthias Konradt über "Gott"

„Woran du dein Herz hängst und wo­rauf du dich verlässest, das ist eigentlich dein Gott.“[1] Diese Zeilen sind die wohl bekanntesten Worte aus Lu­thers Auslegung des ersten Gebots im Großen Katechis­mus: „Du sollst keine anderen Göt­ter neben mir haben!“ Diese Forderung ist in ihrer Ursprungs­situa­tion sehr konkret. Es ist vorausgesetzt, dass es viele Göt­ter gibt, die verehrt werden. Israel aber soll diesen keine Beachtung schenken, sondern allein seinen Gott vereh­ren, den Gott, der sich in der Präambel der Zehn Gebote mit einem Verweis auf sein Handeln für sein Volk vor­gestellt hat: „Ich bin Adonaj, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Skla­venhaus herausgeführt habe.“ Nun leben wir in einem anderen Kontext. Der Glaube an nur einen Gott sieht sich nicht mehr der Konkurrenz durch den Glauben an eine Vielzahl von Göttern ausge­setzt; eher ist der Atheismus das weltanschauliche Ge­genüber geworden, mit dem es sich auseinanderzusetzen gilt.
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26.06.2016: Prof. Dr. Fritz Lienhard über "Kirche"

Brüder und Schwestern, »mit Kirche stehe ich schlecht da«. So das in der Formulierung etwas abgemilderte Zitat von einem Theologiestudenten, der von der Reaktion zu seiner Entscheidung zu seinem Studium in seiner Familie und seinem Freundeskreis berichtete. Und trotzdem hat er sich dazu entschieden, auf Pfarramt zu studieren und also diese Kirche zu vertreten. Ja, wir leben in einer Zeit, in der die Kirche angefochten ist. Wir sind nicht mehr in einer Situation wie in der Nachkriegszeit, einer einmaligen Situation in Europa, in der die ganze Gesellschaft versagt hatte und lediglich Teile der Kirchen als integer galten, sodass in der Gesellschaft eine Art Hunger und Durst nach Predigt zu beobachten war. Kirchenaustritt, Rückgang beim Gottesdienstbesuch, eine geringere Zahl von Menschen, die an Gott glauben, weniger Menschen, die von sich selbst aussagen, sie seien religiöse Menschen, das sind die Kennzeichen dieser angefochtenen Kirche.
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19.06.2016: Prof. Dr. Manfred Oeming über 'Werke und Liebe'

Unfreiwillig war ich Zeuge eines Gespräches am Kassenautomat unserer Tiefgarage. Ich hörte mit, wie ein reifer Herr zu einem anderen reifen Herrn sagte: „Ich gehe gerne zu den Gottesdiensten in der Peterskirche.“ – „Wie schön“, dachte ich. Doch dann kam die Antwort des anderen Herrn: „Ja, ich schätze die Gottesdienste auch sehr, da ist man dann immer auf dem neuesten Stand der Forschung.“ Mich hat diese Begründung etwas erschreckt. Ich selbst will als Prediger in dieser Kirche etwas anderes: Ich will Sie hier nicht auf den neuesten Stand der Forschung bringen, sondern ich will Ihren Glauben auf den neuesten Stand bringen. Ich will mit Hilfe des Evangeliums immer von neuem Sie persönlich erreichen, Ihre Lebensfreude steigern, Ihr Vertrauen stärken und Ihre Hoffnung festigen.
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12.06.2016: Prof. Dr. Friederike Nüssel über "gerechtfertigt"

Liebe Gemeinde, „Alles gut, alles gut“ sagt die ältere Dame in der S-Bahn zu mir, als ich sie im Gedränge beim Aussteigen anstoße und mich dafür bei ihr sogleich entschuldige. Ich weiß, ich hätte trotz des Gedränges mehr tun können, um das zu vermeiden. Aber sie sagt „alles gut“ – und gibt mir damit das Signal, dass es für sie nicht schlimm war. Ich kann weitergehen, kann diesen kurzen Moment vergessen, der auch anders hätte ausgehen können. Kein bitterböser Blick, kein böses Wort, kein Vorwurf, den ich mit mir eine Weile herumtragen müsste. Es ist ein gutes Zeichen, dass man die beiden Wörtchen „alles gut“ im Alltag so oft hören kann. Mir kommt es so vor, als habe diese kleine Wendung des Verzeihens in den letzten Jahren in unserer Alltagssprache sogar einen Spitzenplatz erobert gegenüber den anderen Wendungen, mit denen wir Verzeihen signalisieren wie vor allem „ist nicht schlimm“, „macht nichts“ oder „kein Problem“. „Alles gut“ sagt mir: „mach Dir wirklich keine weiteren Gedanken“. Und es setzt ein positives Vorzeichen für den Fortgang.
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05.06.2016: PD Dr. Heike Springhart über "Sünde und Gnade"

Aus der Tiefe rufen Predigt über EG 299 im Universitätsgottesdienst am 5. Juni 2016 PD Dr. Heike Springhart Liebe Gemeinde, er hängt als Poster in Zimmern melancholischer Teenager, als Karikatur in WG-Wohnzimmern, ziert auf Kunst-Magneten Kühlschränke in postmodernen Küchen und teilt den Bekanntheitsgrad mit den Sonnenblumen Van Goghs und mit der Mona Lisa Leonardo da Vincis: „Der Schrei“ von Edvard Munch. Munch hat ihn viermal gemalt, unzählige Male wurde er von anderen abgemalt und verändert. Wohl kein anderes Gemälde zeigt so deutlich die tiefsten Tiefen, aus denen Menschen schreien, Situationen, in denen es so scheint, als sei der Mensch nichts anderes ist als ein einziger Schrei. Ob es lautes Wehklagen und verzweifeltes Schreien oder resigniertes Seufzen ist. Tiefe Not drückt sich aus im Schrei.
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29.05.2016: Prof. Dr. Martin Hailer über "Gewissen"

Liebe Gemeinde, das ist natürlich nicht von mir, sondern ein Zitat. Martin Luther hat es so – oder so ähnlich – vorgebracht. Er musste auf dem Reichstag in Worms anno 1521 erscheinen und über seine Schriften und seine Position Auskunft geben. Über den Ablass hatte er geschrieben, über die Freiheit eines Christenmenschen, über die Rechte von Bischöfen und Papst – die echten und die nur eingebildeten. Es ist überliefert, dass eine Auswahl seiner Schriften auf dem Tisch lag, als der kleine Mönchsprofessor da vor Kaiser und Reich stand. Nicht alles, was er schrieb, sollte er widerrufen, aber doch manches. Der Legende und manchen heldischen Gemälden entgegen war sein Auftritt übrigens gar nicht heldenhaft, sondern vorsichtig, fast ängstlich. Mit den Vorwürfen konfrontiert erbittet er sich nämlich Bedenkzeit. Sie wird gewährt, und am nächsten Tag kommt Luther wieder. Er nimmt einige Abstufungen in seinen Werken vor, im Kern aber bekennt er sich zu ihnen. Und am Schluss dann das: »Mein Gewissen ist gefangen in Gottes Wort. Ich kann und will nichts widerrufen, weil gegen das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir. Amen«
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22.05.2016: Prof. Dr. Christoph Strohm über "Dreieiniger Gott"

Liebe Gemeinde, „Es wäre heute, lieber Freund, ein hohes und reiches Euangelion, aber heute ist der Artikel von der heiligen Dreifaltigkeit zu behandeln und so bekennen wir: ich gleube inn Gott Vater, Gott Son und Gott heiligen Geist, und so muessen wir dem Feste sein Recht thun und das Euangelion lassen anstehen, Das wort nu ‚Dreifaltigkeit‘ ist zwar nicht ein fein Wort, aber was können wir dagegen tun? Wer stamlet, der stamlet, wer wohl redet, der redet wohl. Denn wir muessen doch inn Gottes Sachen stamlen und reden, wie wir koennen, sonderlich aber inn diesem Artikel, welcher der hoechste ist inn unserem heiligen Glauben und der heiligen christlichen Kirchen. Denn er ist nicht von einem Menschen erdacht oder noch sein Lebtag je inn eines Menschen Kopff kommen, es mus ihn allein Gottes Wort und der heilige Geist hinein bringen.“[1] Mit diesen Worten beginnt Martin Luther seine Predigt am 23. Mai 1535, dem Fest der Dreieinigkeit, heute fast genau auf den Tag vor 481 Jahren.
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15.05.2016: Prof. Dr. Gerd Theißen über "Heiliger Geist"

In alle Wahrheit führen – das ist die Verheißung des Geistes Gottes. Im Johannesevangelium wird er der „Geist der Wahrheit“ genannt. Er will erleuchten und zusammenführen. Er verheißt Erfüllung des Lebens, indem er es „heiligen“ will. Er will Konsens über die Grenzen von Sprachen, Völkern und Konfessionen hinweg schaffen. Die Reformation war überzeugt, dass sie durch diesen Heiligen Geist inspiriert war. Die Wahrheit suchen und finden – das ist die Verheißung der Wissenschaft. Auch sie will Konsens schaffen und das Leben fördern. Auch sie will die Wahrheit verbreiten. Auch sie verbindet Menschen über die Grenzen von Sprachen und Völkern hinweg. Auch die Universität ist dem Geist der Wahrheit verpflichtet. Universal wollen beide sein: der Geist Gottes und der Geist der Universität, die Wahrheit der Wissenschaft und des Glaubens. Oft werden sie jedoch als Konkurrentgen oder gar als Gegner erlebt.
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08.05.2016: Prof. Dr. Dr. Michael Welker über "frei und gehorsam" - Die christliche Freiheit

Die Predigten in den Heidelberger Universitätsgottesdiensten dieses Semesters stehen unter dem Rahmenthema: „Reformation: 1517 und heute“. Sie sollen zentrale theologische Themen der Reformation behandeln. Heute steht das Thema „Freiheit“ im Mittelpunkt unseres Nachdenkens. Unter Freiheit verstehen viele Menschen eine relativ simple Willens- und Entscheidungsfreiheit: Habe ich nicht die Freiheit aufzustehen oder sitzen zu bleiben, jedenfalls, wenn ich gesund bin? Habe ich nicht die Freiheit, entweder Kaffee oder Tee zu trinken, jedenfalls in unseren Umgebungen? Doch bei der Freiheit geht um mehr als diese einfachen Entscheidungssituationen. Zeichnen sich unser Gehirn und unser Bewusstsein nicht durch eine erstaunliche Flexibilität ihrer Reaktions- und Anpassungsleistungen aus, was viele als Freiheit bezeichnen?
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05.05.2016: Prof. Dr. Peter Lampe über "Zwei Reiche" und Himmelfahrt

Liebe Gemeinde, Gestern, am 4. Mai, galoppierte ein Trupp bewaffneter Reiter auf die Reisegruppe eines christlichen Geistlichen zu, ergriff diesen und verschwand im Busch so schnell, wie gekommen. Am 4. Mai. Vor 495 Jahren. Dr. Martinus, auf dem Heimweg vom Wormser Reichstag, blieb fortan monatelang verschollen. Erst 1522 kehrte er aus der Wartburg nach Wittenberg zurück. Hut ab vor dem sächsischen Kurfürsten, der sich gegen Reichsacht und Kaiser stellte und ihn als Junker Jörg versteckte. Respekt dem Mönchlein, der dem weltlichen Druck widerstand, seine Schriften auf dem Reichstag zu widerrufen. Er habe nicht Autoritäten, vielmehr seinem Gewissen zu folgen und sei weder durch Vernunft noch Schrift überzeugt worden.
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01.05.2016: Prof. Dr. Jan-Christian Gertz über "Beten"

Liebe Gemeinde, die Szene ist bekannt. Israel lagert am Berg Sinai. Gott offenbart sich dem wandernden Volk in Wolkendunkel, Feuer und Rauch und teilt ihm seinen Willen mit. Die Zehn Gebote für das Volk Gottes enthalten vieles, was sich eigentlich von selbst versteht, aber auch immer wieder neu gesagt sein muss: Töten, Stehlen, Betrügen, Ehebrechen gehören sich nicht. Das sollst Du nicht tun! Sie heischen aber auch bis dahin Unbekanntes und Ungehörtes: Ich bin dein Gott, ich habe dich aus Ägypten befreit, deshalb sollst du allein mir dienen. Missachte die Götter dieser Welt. Fertige dir keine Götterbilder an. Die bringen dich nur auf dumme Gedanken und lenken dich davon ab, dem einen und wahren Gott zu dienen. Dieser eine Gott ist ein barmherziger Gott. Er ist aber auch ein eifersüchtiger Gott. Damit sind die Verhältnisse klar bestimmt. Doch es kommt wie es kommen muss, kaum ist Mose, der unermüdliche Makler Gottes, wieder auf dem Berg, da verlangt das Volk nach Eindeutigkeit. Es will ein sichtbares Gegenüber und nötigt den heillos überforderten Aaron zur Herstellung eines Götterbildes.
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24.04.2016: Hochschulpfarrer Dr. Hans-Georg Ulrichs über "Singen"

Singen tut gut – und ist Singen gut? Singen macht Spaß, Singen tut gut, ja Singen macht munter und Singen macht Mut. Singen macht froh, denn Singen hat Charme, die Töne nehmen uns in den Arm. Kaum jemand, der sich bei diesen Worten und Klängen eines der beliebtesten Einsinglieder gerade für Kinderchöre nicht sofort hineinnehmen ließe in eine fröhliche Singegemeinschaft. Dazu muss man gar nicht religiös, sondern bloß Mensch sein. Warum nur ist Singen so wohltuend an Körper und Geist und so schön und lustvoll, dass man sich geradezu hineinschmiegt in die Töne? Ist es physiologisch das intensivierte Hinein- und Hinausfließen des viel besungenen Odems? Das Sich-unwillkürlich-Aufrichten, wenn man singt? Macht Singen froh oder singen wir, wenn wir froh sind und sind dann so konditioniert, dass bereits das Singen wiederum froh macht?
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Letzte Änderung: 23.09.2016
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