19.07.2009: Pfr. Albrecht Herrmann zu Mt 28,16-20

Predigt am 6. So. n. Trinitatis in der Peterskirche am 19.7.2009

Predigttext: Mt 28,16-20

 

Prediger: Studierendenpfarrer Albrecht Herrmann

 

 

Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe: ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

 

 

Liebe Jüngerinnen und Jünger Jesu,

 

Christus ist König, jubelt laut! Er ist auferstanden von den Toten, er sitzt zur Rechten Gottes, des himmlischen Vaters!

Und Sie alle sind gekommen, um Gottesdienst zu feiern, um Gott die Ehre zu geben, um Jesus Christus anzubeten, um dem heiligen Geist die Herzenstür zu öffnen.

Die 11 Jünger Jesu haben diese Erscheinung des Auferstandenen erlebt. Sie waren nicht in bester Verfassung, es heißt, einige aber zweifelten. Vielleicht sind auch heute unter uns einige, die noch am Morgen zweifelten: Soll ich heute in den Gottesdienst gehen? Eigentlich fühle ich mich nicht in der richtigen Stimmung. Aber dann sind sie doch gekommen.

Was will dieses Zweifeln einiger Jünger sagen? Sie sehen doch gerade den Auferstandenen, sie hören seine Regierungserklärung. Was gibt es da zu zweifeln? Aber wir Menschen funktionieren nicht nach vernünftigen Gründen und Gesichtspunkten, oft verstehen wir selber nicht, was wir tun. Die Bibel ist sehr nüchtern darin, wie sie uns Menschen schildert. Das Erstaunliche ist, dass Jesus, obwohl er das weiß, wie wir Menschen sind, trotzdem all das tut und sagt, was jetzt kommt. Es hängt eben nicht daran, ob die Menschen fähig sind, die er da vor sich hat. Offenbar traut Jesus sich zu, uns Menschen zu befähigen, selbst wenn wir zweifeln.

Und nun kommt diese einzigartige, faszinierende Regierungserklärung des Herrn aller Herren und des Königs aller Könige. Sie ist noch immer in Kraft. Es lohnt sich, sie auswendig zu können, wie wir das von allen Konfirmanden verlangen. Und es ist gut und richtig, dass diese Erklärung jeder Taufe zugrunde liegt.

 

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Jesus Christus ist Sieger über die Macht des Bösen und über die Macht des Todes. Er hat pasa exousia, alle Vollmacht von Gott, dem himmlischen Vater, übertragen bekommen. Das Böse und der Tod sind entmachtet, sie haben keine Ewigkeit, „ob sie noch so brummen“.(EG 396,3)

Wir zweifeln verständlicherweise: Aber die Zeitungen und die Nachrichten sind doch voll von den Auswirkungen des Bösen und des Todes. Was sich im Iran abspielt oder zwischen Israel und Palästina. Wo und wie spüren wir denn etwas davon, dass Jesus Christus die Macht des Bösen und des Todes bezwungen hat? Dass er tatsächlich alle Gewalt in Händen hat?

Die Antwort ist nicht einfach: Noch immer beten wir: Dein Reich komme. Wir erwarten, dass Jesus wiederkommt und dann das Reich Gottes aufrichtet für alle sichtbar. Und 2. Jesus selbst hat ja auf unsrer Erde gelebt und hat den Namen Gottes geheiligt: Er hat Abba gerufen Tag und Nacht und hat dem himmlischen Vater vertraut in allen Dingen. Er hat den Willen seines himmlischen Vaters getan und so hat das Reich Gottes angefangen, wo Jesus wirkte. Wie im Himmel so auf Erden, das hat Jesus verwirklicht. Er hat Himmel und Erde miteinander verbunden, sodass in seiner Nähe, in seinem Namen der Himmel auf der Erde schon anfängt. Und das hat er gegen das Böse am Kreuz und gegen den Tod im Grab durchgekämpft, dh. er ist nicht einen Millimeter von Gott und seinem Willen abgewichen. Und Gott hat dazu Ja gesagt. Gott hat ihn auferweckt von den Toten. Im Himmel ist die Entscheidung also schon gefallen für Jesus und seinen Weg. Und es ist nur eine Frage der Zeit: Auch hier auf der Erde sind die Tage des Bösen und des Todes gezählt.

 

Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker! 11 Jünger und auf der anderen Seite alle Völker. Was für eine Chance geben wir diesen 11? Mit dem Verstand betrachtet, gar keine. Aber nun leben wir fast 2000 Jahre später. Wir können nicht leugnen, dass eine erstaunliche Kraft von diesen 11 ausgegangen ist. Haben wir eigentlich angesichts dessen einen Grund zu zweifeln? Warum sind wir oft so schwach in unsrem Glauben? Warum sind wir so verzagt im Blick auf die Zukunft der Kirche?

Vielleicht liegt es daran, dass wir in der Kirche oft meinen, wie wüssten es besser als Jesus. Wir haben da so unsere eigenen Vorstellungen davon, wie es funktionieren soll. Wir holen uns Rat bei McKinsey und trauen den Unternehmensberatern mehr zu als dem Evangelium.

Was sagt denn Jesus selbst? Geht hin, macht euch auf den Weg, geht auf die Menschen zu, verschließt euch nicht in euch selbst, beschäftigt euch nicht nur mit euch selbst, geht aus euch heraus, so wie Jesus selbst sich entäußerte und ein Mensch wurde, so wie Paulus den Juden eine Jude und den Griechen ein Grieche wurde.

Und nun kommt das Entscheidende: die Methode Jesu, genau so, wie er selbst es gemacht hat: mathäteuete, macht zu Jüngern. Was ist denn das für eine Methode? Es ist das Ende von oben und unten, das Ende von Herrschaft, das Ende davon, dass der eine zum andern sagt: Erkenne den Herrn! Denn Jesus führt uns doch zum himmlischen Vater, seine eigene innige Beziehung zum Vater eröffnet er uns, er nimmt uns hinein. Und diese Beziehung zu Gott ist das Entscheidende am Jüngersein. Wie sollte es da noch eine Hierarchie geben? „Einer ist euer Meister, ihr aber seid alle Brüder und Schwestern.“(23,8)

Als Christ gehe ich also auf einen anderen Menschen zu und mache mich bekannt, interessiere mich für sein Leben und verschweige nicht, was meinem eigenen Leben Grund und Ziel gibt. Was mir selbst gut tut, das gebe ich bereitwillig weiter, nämlich die innige vertrauensvolle Gottesbeziehung. Und ich lade den anderen Menschen in die Gemeinde ein, in den Gottesdienst. Ich mache den anderen Menschen also keineswegs von mir abhängig, denn der christliche Glaube ist ja gerade die Befreiung von jeglicher Abhängigkeit, denn wir alle glauben an Gott.

Macht zu Jüngern alle Völker! Da gibt es keinen Rangunterschied, entwickelt oder nicht, hohes BSP oder geringes, denn alle Menschen gehören Gott und so auch alle Völker. Mit Jesus gehen wir nicht vom irdischen Status quo aus, sondern vom himmlischen. Im Himmel sind die Rangunterschiede schon längst aufgehoben, ach und wie wichtig nehmen wir sie hier auf der Erde! Wie lange hat es gedauert, bis ein Barak Obama Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden konnte?

 

Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes!

Eigentlich heißt es ja „Tauft sie in den Namen...“ Als ich gerade zwei Jahre Pfarrer in Kandern war, kam einmal ein junger Familienvater und sagte, er wolle sich taufen lassen und zwar so, wie es bei den Baptisten üblich sei, mit Ganzkörpertaufe. Ich ließ mich auf diesen Wunsch ein. Wir feierten den ersten Teil des Taufgottesdienstes in unsrer Kanderner Kirche und machten uns dann auf den Weg zu einer Gemeinde mit Taufbecken in Basel. Diese Taufe werde ich nie vergessen. Einen erwachsenen Mann dreimal unterzutauchen, das ist etwas anderes als einen Säugling mit etwas Wasser zu benetzen. Und doch sind beide Taufen gültig. Aber an diesem Untertauchen lässt sich anschaulicher zeigen, dass die Taufe einen Herrschaftswechsel markiert: aus dem bisherigen Sein in Abhängigkeit in das neue Sein in Gott, im Herrschaftsbereich des dreieinigen Gottes als freie Söhne und Töchter, als Schwestern und Brüder.

 

Und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe! Was ist denn das, was Jesus uns befohlen hat? Da können wir das ganze Matthäusevangelium nehmen und wir finden es alles beisammen, angefangen bei dem ersten öffentlichen Ruf Jesu: Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! (4,17) über die Bergpredigt mit den Seligpreisungen, den Antithesen, dem Vaterunser, der Klärung: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon! Richtet nicht! Bittet, so wird euch gegeben! Die goldene Regel. Dann die vielen Heilungen, die Berufung der 12 und ihre Aussendung, die Frage des Täufers, der Heilandsruf, die Gleichnisse... Es gibt eine christliche Gemeinschaft, die mit der Peterskirche verbunden ist, die koinonia, von Hermannsburg kommend, mit einer Wohngemeinschaft in der Pfaffengasse 4, die haben als Regel: das Matthäusevangelium regelmäßig zu lesen. Diese Regel möchte ich uns allen wärmstens empfehlen. Etwa unter dieser Fragestellung: Was hat Jesus seinen Jüngern befohlen? Was befiehlt er mir heute? Was befiehlt er uns heute?

Vielleicht liegt da auch eine der Ursachen für unsere Mattigkeit: dass wir gar nicht mehr darauf achten, was Jesus uns befohlen hat. Wie sollen wir aber dann andere lehren, sich daran zu halten, wenn wir selbst es nicht tun? Wie konnte es beispielsweise zu der weitverbreiteten Meinung kommen, Protestanten bräuchten nicht zum Gottesdienst zu gehen? Klar, wir verdienen uns nicht unser Heil damit, dass wir zum Gottesdienst gehen. Aber ohne Gottesdienst erlischt das Feuer des Glaubens in uns, wie bei einem Holzscheit, das aus dem Lagerfeuer herausgezogen wird, es hört auf zu brennen. Ohne Gottesdienst verachten wir Gottes Güte in seinem Wort und Sakrament und die Gemeinschaft der Schwestern und Brüder. Wir bringen uns also selbst um das Beste des Glaubens, wenn wir den Gottesdienst versäumen.

 

Wenn es ums Befehlen geht, dann zucken wir innerlich immer ein wenig zusammen, wir denken an unangenehme Pflichten und die unnachgiebige Forderung der Mutter oder des Vaters, diese Pflicht endlich zu erledigen: Schuhe putzen, Zimmer aufräumen, Dankesbrief schreiben...Am vergangenen Wochenende war ich auf einer Hütte im Schwarzwald, um mit unserem Sohn Johannes und seinen Kameraden den Geburtstag zu feiern. Am Samstag forderte ich die 13jährigen Jungs auf, eine Wanderung auf den nahegelegenen Feldberg zu unternehmen. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Johannes murmelte mir zu: Die wollen eigentlich gar nicht. Aber ich ließ mich nicht beirren und so brachen wir auf. Als wir am Ziel angekommen waren, fragte ich einen, der ziemlich deutlich gezeigt hatte, dass er nicht wandern mag: Na, wie war's denn? Seine Antwort: Ich wusste ja gar nicht, dass man da so viel erlebt.

Ich nenne zwei ungewöhnliche Befehle aus dem Mt: Fürchtet euch nicht! (28,10)

Ist das nicht ein wunderbarer Befehl, z.B. angesichts des Examens: Fürchte dich nicht!? Ein Befehl, der kein wenn und aber duldet, an den wir uns halten sollen wie an einem Seil, wenn es eine steile Klippe zu überwinden gilt.

Und 2. ein ganz krasser Befehl, an dem ich mein Leben lang schon rumkaue: „Wenn dein Auge dich zum Abfall verführt, reiß es aus und wirf's von dir. Es ist besser für dich, dass du einäugig zum Leben eingehst, als dass du zwei Augen hast und wirst in das höllische Feuer geworfen.“(18.9) Das höllische Feuer ist ein fester Bestandteil der Verkündigung Jesu nach dem Matthäus-Evangelium. Die Logik verstehe ich folgendermaßen: Weil das höllische Feuer das Schlimmste von allem ist, was uns Menschen passieren kann, deshalb ist es folgerichtig, wenn wir alles vermeiden, was uns von Gott und seinem Willen abbringt. Denn bei Gott allein finden wir die Seligkeit. Wer so bei Gott durch Jesus Ruhe gefunden hat selbst vor der Höllenangst, den kann keine irdische Macht mehr schrecken.

Das bedeutet nicht, dass wir immer alles richtig machen müssen, weil wir sonst in die Hölle kommen, sondern es bedeutet, dass wir als Christen angesichts unserer Fehler und Versäumnisse aus der täglichen Vergebung Gottes und untereinander leben und 2. dass wir in schwierigen Entscheidungssituationen – denken wir an die Nazi-Zeit –  keine faulen Kompromisse eingehen müssen, sondern lieber Leiden und Tod in Kauf nehmen als Gott untreu zu werden.

Jesus geht es wirklich darum, dass wir unser Leben konsequent am Willen Gottes ausrichten. Dafür steht hier das „alles, was ich euch befohlen habe“. Im Gespräch mit einem Theologiestudenten wies ich einmal auf die Gemeinderegel hin „Sündigt dein Bruder an dir, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein...“ Seine Antwort war: „Wer achtet denn heute noch auf die Gemeinderegel?“ (18,15) Wenn wir Christen nicht einmal selbst die Gebote Jesu achten, wie sollen wir dann überzeugend sein für andere?

Die mangelnde Ausstrahlung der Christen und der Kirche wird ja immer wieder bedauert. Hier sehe ich einen wichtigen Ansatzpunkt.

Das erste ist, dass wir selbst die Gebote Jesu befolgen, das zweite, dass wir die anderen mitnehmen auf diesen Weg des Lebens, diesen Weg des Segens, des Heilwerdens und auch des Leidens. Das bedeutet: „lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“

Jesus nachzufolgen inmitten unsrer Lebensbedingungen, die nach ganz anderen Regeln funktionieren auch hier an der Universität, das war damals genauso schwer wie es heute ist. Aber nach den grausamen Regeln funktionieren zu müssen, die in unserer Welt gang und gäbe sind auch in unsrer Gesellschaft, ist das vielleicht besser? Aufkosten anderer zu leben oder selbst Opfer zu werden? Jesus zeigt den Ausweg und er ruft ausdrücklich diejenigen, die es abgekriegt haben, zu sich: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“(11,28-30) Genau diese wunderbare Zusage greift Jesus noch einmal auf am Schluss seiner Regierungserklärung: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“

 

Wir Jüngerinnen und Jünger leben also in der freudigen Gewissheit, dass Jesus Christus auferstanden ist und alle Vollmacht innehat im Himmel und auf der Erde, und wir leben in der Hoffnung, dass er wiederkommen wird, um Gottes Reich endgültig auf der ganzen Erde aufzurichten am Ende der Zeit. Und indem wir uns auf den Weg machen und Jesus nachfolgen Tag für Tag und unsere Mitmenschen einbeziehen, bauen wir mit an seinem Reich und werden wir seine Nähe spüren, wie wir sie nachher im Abendmahl schmecken dürfen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen

 

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Letzte Änderung: 28.07.2009
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