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Predigt 15.02.2009

Predigt über Matthäus 17,1-9 und 2. Korinther 4,6-10

 

am letzten Sonntag nach Epiphanias, den 1. Februar 2009

 

in der Peterskirche Heidelberg

  von Pfr. Walter Boës 
 

Hier ist gut sein!

  

Liebe Gemeinde,

  

am Semesterende ist es im Theologischen Studienhaus, drüben am anderen Neckarufer, immer am schönsten. Wo am Semesteranfang noch Unsicherheit und Fremdheit unter den Studierenden war, da ist eine ganz kostbare Vertrautheit gewachsen. Wo am Semesteranfang noch Gruppen, Grüppchen und Einzelne waren, da ist nun am Semesterende eine Gemeinschaft gewachsen. Eine Gemeinschaft, die sich kennt, die sich vertraut, die jeden Einzelnen sein lässt wie er ist, die jeden einzelnen auf seine eigene Art schätzt und lieb gewonnen hat. Und der Schatz in den irdenen Gefäßen, von dem Paulus im 2. Korinther schreibt - aus so manchem Augenpaar leuchtet er mir entgegen. Und mir scheint, nein ich bin sicher: Die Menschen, die im Theologischen Studienhaus leben, haben hier etwas erfahren können von dem Geheimnis dieses Schatzes in irdenen Gefäßen. Ich bin sicher, die Studierenden haben etwas aufleuchten sehen, etwas entdeckt und erlebt von dem Geheimnis des Schatzes der in jedem Menschen schlummert. Was sonst im Alltag so oft verborgen und verschüttet bleibt - hier ist etwas davon zur Erscheinung gekommen.

  

Hier ist gut sein!

 

Solche Momente sind selten. Und man würde diesen Moment am liebsten festhalten, niemals Ausziehen aus dem Theologischen Studienhaus, die Zeit anhalten, das momentane Erleben verewigen - auf DVD brennen sozusagen.

  

Hier ist gut sein!

 

Petrus wollte damals drei Hütten bauen, um den Moment festzuhalten, um dem Erscheinen Gottes einen festen Ort zu geben. Einen Ort, an den man wieder hin gehen kann. Einen Ort, an dem man sich der Gegenwart Gottes sicher sein kann. Einen Ort, an dem Mose wohnen kann, Garant für die Anleitung zum rechten Leben nach dem Gesetz, das er gab. Einen Ort, an dem Elia wohnen kann, Garant für den richtigen Gott, für den wahren Gott unter den vielen Götzen. Und einen Ort, an dem Jesus wohnen kann, Garant für das Licht Gottes in der Welt.

  

Ich vermute, hätte Jesus dem Petrus gestattet die Hütten zu bauen, es hätte nicht lange gedauert, dann wären aus den Hütten feste Häuser geworden, drei Tempel, die auf ewig in kalten Stein bannen sollen, was ursprünglich ein Moment voll Lebens war. Und die Priester dieser Tempel wären zu Verwaltern eines göttlichen Momentes geworden, dessen Glanz nach und nach hinter den Steinmauern verblasst wäre - verblasst hinter den Tempelmauern, eingefroren in den Gesetzen und Gesetzlichkeiten des in Stein gehauenen Mose, aufgelöst und erstarrt unter den dogmatischen Unterscheidungen und Richtigkeiten der Eliapriester, eingezwängt in liturgisch geregelte Abläufe und Feste, die den Gottesglanz Jesu wiederholbar machen sollen.

  

Dieses Festhalten wollen, dieses Festbannen des Moments, in dem Göttliches zur Erscheinung kommt, dieses Erzwingen der Gegenwart Gottes ist wohl eine Grundgefahr aller religiöser Menschen, eine Grundgefahr aller Religion: Aus einem Ashram in Indien wird augenzwinkernd erzählt:

 

„Wenn der Guru sich abends zur Andacht niederließ, kam die Ashramkatze und störte die Andächtigen. So ordnete der Guru an, die Katze während des abendlichen Gottesdienstes anzubinden. Als der Guru starb, band man die Katze bei der abendlichen Andacht weiterhin an. Und als die Katze gestorben war, wurde eine neue Katze in den Ashram geholt, damit sie während der Andacht entsprechend angebunden werden konnte. Jahrhunderte später verfassten gelehrige Schüler des Guru gelehrte Abhandlungen über die liturgische Bedeutung des Festbindens einer Katze während der Zeit des Andachtsrituals.“[1]

   

Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.

  

Willst du?“, fragte er Jesus. Jesus wollte nicht.

  

Die Dynamik des Erscheinens Gottes war glücklicher Weise viel zu mitreißend, um sogleich zu erstarren. Das Erscheinen war zu mächtig, um sich sogleich in Form gießen zu lassen. Mose und Elia verschwanden, bevor sich Petrus und die beiden anderen Jünger häuslich einrichten konnten. Oder psychologisch gedeutet: Zwar versuchten Petrus, Jakobus und Johannes zunächst die Verwandlung Jesu, die geheimnisvolle Erscheinung auf dem Berg mit Hilfe von ihnen bekannten Verstehensmustern zu deuten. Zwar versuchten sie das Gesehene zu deuten mit Dingen, die sie kannten: „Das muss wohl Mose sein - und Elia“. Zwar lasen sie Mose und Elia in die Erscheinung hinein und waren damit im Begriff das Neue, das zur Erscheinung gekommen war, im Alten ersticken. Die Dynamik und Größe der Erscheinung aber war für ihr rückwärtsgewandtes Deuten zu mächtig.

 

Als Petrus noch so (daher)redete - Martin Luther übersetzte an dieser stelle „redete“, aber hier steht lalew[2] im Griechischen für reden. Und mir scheint, hier soll ganz bewusst der ursprüngliche lautmalerische Bezug zum „Lallen“ durchschimmern.; lalew steht hier und nicht legw[3], das die Bezogenheit des Redens auf den logos, auf die Vernunft impliziert -

als Petrus noch so daherbrabbelte siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören. Als Petrus noch so wirr daherredet treibt die Dynamik der Erscheinung schon weiter - über die alten Denk- und Deutemuster hinaus. Und eine lichte Wolke überschattet die Szene. Licht und Schatten zu gleich. Das Erstaunen wächst. Und die Hypothesen Elia und Mose werden verworfen. Und Furcht macht sich breit. Entsetzen. Wenn plötzlich die alten Denkmuster nicht mehr greifen, wenn alte Deuteschemata nicht mehr ausreichen, das Neue zu fassen, dann werden selbst die Jünger Jesu verunsichert, die ja eigentlich schon so einiges von Jesus gewohnt waren.

  

Als die Jünger das hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Entsetzen, bodenloses Entsetzen - wenn einem der erscheint, der in keine Kategorie passen will, der durch keinen Gedanken erschöpfend begriffen werden kann, wenn Unbedingtes einbricht in Bedingtes, wenn Vollkommenheit durch eine endliche Welt hindurchscheint, deren Begriffe und Erklärungen nicht ausreichen, sie zu fassen. Drastisch malt Matthäus die Szene aus: Hier im Dunkel, auf dem Boden, auf ihrem Angesicht die Jünger - da im Licht, das ganz andere, unendlich weit entfernt, in der strahlenden Wolke.

  

Und dann... - dann wird von einer Geste Jesu berichtet, die ich bisher immer überlas. Diese unspektakuläre Geste - sie gibt der ganzen Szene ihre Wendung: Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!

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Letzte Änderung: 20.03.2009
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