Die Anfänge der Universitätsgottesdienste in der Heidelberger Peterskirche

Stefan Karcher | Adobe Den Beitrag als PDF downloaden

 

Peterskirche vor 1900
Die Peterskirche im Vergleich zum Neubau der Universitätsbibliothek um 1900 (Quelle: http://heidicon.ub.uni-heidelberg.de/id/3517)
​Im Jahr 1400 erhielt die Universität Heidelberg das Patronatsrecht über die Peterskirche, die dadurch für 154 Jahre offiziell zur Universitätskirche wurde. Die Universität gab das Patronat 1554 zurück, durfte aber weiterhin eine Seitenkapelle nutzen, die heute noch als „Universitätskapelle“ bezeichnet wird. Seit 1838 werden wieder regelmäßig „Universitäts- und Seminargottesdienste“ gefeiert.

 

Eine Theologische Fakultät braucht einen Universitätsprediger. So scheint es, wenn man die Entstehung des Universitätspredigeramtes in Deutschland betrachtet. Halle, Göttingen, Marburg, Jena, Bonn, Berlin: An allen wichtigen Hochschulstandorten evangelischer Theologie wurde dieses Amt am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert eingerichtet, 1838 schließlich auch in Heidelberg. Amtsinhaber war hier der Direktor des badischen Predigerseminars, das im gleichen Jahr in Heidelberg gegründet wurde. Ein Universitätsprediger braucht auch einen Ort zum Predigen. In Heidelberg konnte dafür nur die Peterskirche in Frage kommen.

 

Obwohl die Gründung der Universität Heidelberg 1386 gottesdienstlich in der Heiliggeistkirche vollzogen wurde, ist die Peterskirche traditionell eng mit der Universität verbunden. Die Grundsteinlegung eines Kollegiengebäudes wurde 1390 von einer Messe in der Peterskirche begleitet. Im Jahr 1400 erhielt die Universität das Patronatsrecht über die Peterskirche, die daraufhin 154 Jahre lang als Universitätskirche diente. Die Kapelle auf der Südseite trägt seit dieser Zeit die Bezeichnung „Universitätskapelle“. Durch Reformation und Gegenreformation, Brand (1693) und Blitzschlag (1737) erfuhr die Kirche ein wechselvolles Dasein, ohne dass sie regelmäßig und durchgängig von einer bestimmten Konfession oder für universitäre Zwecke genutzt worden wäre. Mit der Gründung des Predigerseminars der badischen Landeskirche 1838 und der damit verbundenen Einrichtung des Universitätspredigeramtes stieg auch wieder das Interesse an der Peterskirche.

 

Der Gründung des Predigerseminars ging eine Eingabe der Fakultät voraus, die heftig gegen die geplante Gründung eines Konviktes in Bretten protestierte (UAH 6126). Die praktische Ausbildung der Pfarrkandidaten, argumentierte man, sei wesentlich besser in der Nähe zur Universität angesiedelt. Zudem stellte man fest, dass es zur praktischen Einübung erforderlich sei, akademische Gottesdienste einzurichten (Protokoll der Fakultätssitzung vom 21. Oktober 1837, LkA KA, GA 594). Damit war die Ausrichtung des Predigerseminars bestimmt: Es diente dazu, die im Theologiestudium erworbenen Kenntnisse praktisch umzusetzen. Mit der strukturellen Anbindung des „evangelisch protestantischen Prediger-Seminars“ an die Universität bot es schließlich akademische Lehre zur praktischen Ausbildung in Predigt, Katechese, Liturgik, Pastorallehre, Volksschulwesen, Kirchenrecht, praktischer Exegese und Geschichte der Predigt. Der Lehrstuhlinhaber für Praktische Theologie übernahm das Direktorium des Seminars und trug den Titel des „Ersten Universitätspredigers“. Zusätzlich unterstützte ihn ein „in kirchlicher Funktion stehender Geistlicher der Stadt Heidelberg“, der als „zweiter Universitätsprediger“ wirkte. Diese Aufgabe übernahm üblicherweise der für die hintere Altstadt zuständige Pfarrer der Heiliggeistkirche. Die exegetischen und systematischen Übungen unterrichteten die Lehrstuhlinhaber der Fakultät. Die enge Verbindung von kirchlicher und universitärer Ausbildung wurde dadurch komplettiert, dass der Besuch des Seminars zwar grundsätzlich für alle Theologiestudierenden möglich war, für die badischen Kandidaten aber verpflichtend und unentgeltlich (Statuten des Seminars, Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungs-Blatt VII, Karlsruhe, 3. Februar 1838).

 

Zum ersten Seminardirektor wurde Richard Rothe berufen. Er übernahm den Lehrstuhl für Praktische Theologie und Dogmatik und erhielt für seine Doppelfunktion eine jährliche Vergütung von 2800 Gulden. Am 18. Mai 1838 eröffnete er das Seminar mit einem feierlichen Gottesdienst in der Peterskirche, die ab diesem Zeitpunkt für regelmäßige Universitäts- und Seminargottesdienste an das Seminar übertragen wurde. Das Gebäude, insbesondere Dachstuhl und Turm, befanden sich jedoch in einem solch schlechten Zustand, dass eine Renovierung unbedingt erforderlich war. Ab 1864 wurde mit Unterstützung der Universität ein aufwendiger Umbau begonnen. Die neogotische Umgestaltung innen wie außen war so umfassend, dass das Erscheinungsbild der Kirche wie ein Neubau wirkte. Da das Gebäude nicht beheizt werden konnte, mussten die Universitätsgottesdienste im Winter in die wärmere Providenzkirche ausweichen.

 

Die Gottesdienste in der Peterskirche erfüllten nicht nur den Zweck der praktischen Übung, sondern gründeten auch auf dem Argument Schleiermachers, dass die Frömmigkeit im Studium gefestigt werden müsse. Durch den öffentlichen Universitätsgottesdienst entstand eine inneruniversitäre Gemeindestruktur, die der Universitätsprediger hauptverantwortlich organisierte. Seine sonntäglichen Gottesdienste wechselten sich mit Seminargottesdiensten ab, in denen die Pfarrkandidaten ihre ersten Erfahrungen im Predigen sammelten. Die Ursprungsidee des Universitätsgottesdienstes in Heidelberg war damit, einen Ort zu schaffen, an dem Theorie zur Praxis wurde und an dem letztlich auch das theologischen Profil der Fakultät öffentlich vor einer akademisch gebildeten Gemeinde dargelegt wurde. Dass sich mit einer Universitätsgemeinde Kirche konstituierte, wurde 1854 in der Frage deutlich, ob die Universitätsgemeinde das Abendmahl feiern dürfe, was anfänglich mit dem Verweis auf die Stadtgemeinde verneint wurde (LkA, SpA, 3827).

 

In Folge des sog. Schenkelstreits um dessen Schrift „Das Charakterbild Jesu“ – wegen dieser wurden Petitionen eingereicht und die Amtsenthebung gefordert – und den geänderten Kirchengesetzen 1860 (Frommel, S. 32), die den Seminarzwang in Heidelberg auflösten, wurden 1867 auch das Predigerseminar geschlossen und in ein „evangelisch-protestantisches, theologisches Seminar“ umgewandelt. Inhaltlich änderte sich dadurch zunächst nichts. Die Studierenden wurden weiterhin in den praktisch-theologischen Disziplinen unterrichtet und mussten nachweisen, dass sie über ausreichende theoretische Kenntnisse verfügten (Statuten des Seminars, Großherzoglich Badisches Regierungs-Blatt XLVIII, Karlsruhe, 29. Oktober 1867). Obwohl die geänderte Satzung nun keine Lehrfunktion für einen städtischen Geistlichen vorsah, blieb die Verbindung zur Stadtgemeinde erhalten. Weiterhin wurden die Pfarrer der Heiliggeistkirche in den Lehrkörper berufen. Das Amt des ersten Universitätspredigers wurde an den Direktor des evangelisch-protestantisch, theologischen Seminars gebunden, der die Universitätsgottesdienste verantwortete. Auch als das Seminar 1895 unter Heinrich Bassermann in das bis 2012 bestehende Praktisch-Theologische Seminar umgewandelt wurde, bestand die Funktion des Universitätspredigers fort und wurde vom praktisch-theologischen Lehrstuhl übernommen.

 

Die Amtszeit Heinrich Bassermanns brachte eine wichtige Änderung für den Status der Peterskirche. Die Nutzung der Kirche von 1838 bis 1896 ging lediglich auf eine Vereinbarung Richard Rothes mit der Heidelberger Stadtgemeinde zurück, die die Peterskirche weiterhin unterhielt und der Universität unter gewissen Bedingungen zur Verfügung stellte (LkA KA, GA 594). Es durften nur acht Gottesdienste während der Vorlesungszeit gefeiert werden. Die Nutzung der Providenzkirche im Winter war mit der Entrichtung eines Heizkostenzuschlages verbunden. Die Situation bis 1896 änderte sich für die Stadtgemeinde dahingehend, dass sie die Providenzkirche für die alleinige Nutzung benötigte. Mit 500 bis 600 Besuchern jeden Sonntag und einem fast fließenden Übergang von Gemeinde- und Universitätsgottesdienst war die Providenzkirche für zwei Gemeinden zu klein geworden, außerdem benötigte man einen Raum für Kindergottesdienste, die zeitgleich zum Universitätsgottesdienst stattfinden sollten. Die Peterskirche, die die meiste Zeit leer stand und nicht für die Gemeinde benötigt wurde, sollte an die Universität zur Nutzung übergeben werden, falls sich Stadtgemeinde und Universität die Kosten für den Einbau einer Heizung in Höhe von 3866 Mark teilen würden. Zum einen löste man damit das leidige Problem, dass die Peterskirche im Winter „für Frauen und Kinder“ zu kalt war, zum anderen das, dass es immer wieder zu Konflikten um den Heizkostenzuschlag der Providenzkirche gekommen war. Ein Vertrag vom 27. März 1896 sicherte den status quo der „Universitäts- und Seminargottesdienste“ als Gemeindegottesdienst der Universität und Übung für die Seminaristen (UAHD RA 6132). Mit der Entstehung des Praktisch Theologischen Seminars blieb dadurch die Ideen einer praktisch-theologischen Ausbildung mit praktischen Übungen erhalten. Nun völlig unabhängig von kirchlichen Ausbildungsstrukturen und als rein universitäre Einrichtung wurden die Gottesdienste eigenverantwortlich durchgeführt und durften das ganze Jahr über, mit Ausnahme der hohen Feiertage, gefeiert werden. Nach mehr als 340 Jahren war die Peterskirche damit wieder offiziell Universitätskirche.

 

LITERATURHINWEISE:

 

FROMMEL, Otto: Das Heidelberger Praktisch-Theologische Seminar in den hundert Jahren seines bisherigen Bestehens, in: HUPFELD, Renatus (Hrsg.): Hundert Jahre Praktisch-Theologisches Seminar der Universität Heidelberg. Zur Erinnerung an die Gedenk-feier am 16. Juni 1938, Heidelberg 1938, S. 19-49.

 

HERBST, Wilhelm: Die St. Peterskirche in Heidelberg, ein geschichtlicher Versuch, in: Kirchen-Kalender der evangelisch-protestantischen Gemeinde in Heidelberg, Heidelberg 1878.

 

HUTH, Hans: Sicherungs- und Renovierungsarbeiten an der Peterskirche zu Heidelberg, in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg 7 (1964), S. 78-81.

 

OECHELHÄUSER, Adolf: Die Kunstdenkmäler des Groß-herzogtums Baden 7.2. Die Kunstdenkmäler des Amts-bezirks Heidelberg, Tübingen 1913, S. 155-197.

 

RITTER, Adolf Martin: 100 Jahre Universitätsgottes-dienst in der Peterskirche, in: Heidelberger Jahrbücher 40 (1996), S.235-245 (online unter: http://www.peterskirche-heidelberg.de/die-peterskirche/geschichte-2/100-jahre-universitatsgottesdienst-in-der-peterskirche/).

 

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Letzte Änderung: 17.11.2016
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