Gerhard Rau: Predigen in pastoraltheologischer Perspektive

Georg Lämmlin | Adobe Den Beitrag als PDF downloaden

 

 

Gerhard RauGerhard Rau (Quelle: Michael Schwarz, Universitätsarchiv Heidelberg, Pos I 08904)

Gerhard Rau:

Geboren 9. September 1934

Professor für Praktische Theologie in Heidelberg von 1974-1999; Prediger im Universitätsgottesdienst 

 

 

Gerhard Rau hat als Professor für Praktische Theologie von 1974 bis 1999, als Dekan und Prodekan der Theologischen Fakultät und Prorektor der Universität Heidelberg die Theologische Fakultät in Heidelberg im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt. Auch als Prediger in den Universitätsgottesdiensten hat er seiner besonderen pastoraltheologischen Perspektive, der existenziellen theologischen Synthese aus Text- und Situationshermeneutik, beredten Ausdruck gegeben.

Im berufsbiographischen Nachwort zu seinen „Beiträge(n) zur Praktischen Theologie“ (anlässlich seines 70. Geburtstages von Jan Hermelink u.a. herausgegeben) reflektiert Gerhard Rau die Formung seines (praktisch-)theologischen Selbstverständnisses von „Theologie als Lebensform“ insbesondere durch die akademischen Lehrer seines Theologiestudiums in Heidelberg in den 50er Jahren: Günther Bornkamm, Gerhard von Rad, Otto Weber, Ernst Wolf und Hans-Wolfgang Heidland. Der letztgenannte wurde auch sein Lehrer in der praktischen Theologie bei der er von 1963 bis 1967 als Assistent arbeitete und mit der Dissertation zur Pastoraltheologie 1967 promoviert wurde. Seine eigene praktisch-theologische Perspektive wurde durch zwei weitere Faktoren stark geprägt, die auf die Assistentenzeit in Heidelberg folgende Tätigkeit als persönlicher Referent des Landesbischofs, zu der ihn Hans-Wolfgang Heidland 1967 berufen hatte, und das dann nebenbei absolvierte Studium der Soziologie und Regionalwissenschaft in Karlsruhe 1968 bis 1971, das Gerhard Rau in eine große Nähe nicht nur zur verstehenden Soziologie, sondern auch zu den empirischen Fragen und Methoden der Sozialwissenschaft brachte. Das floss nicht nur ein in den Aufbau der neuen Abteilung im Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Baden für „Planung und Organisation“, und die davon angestoßene Gemeinde- und Strukturreform, sondern auch in die spätere akademische Tätigkeit, nachdem Gerhard Rau 1974 zum Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät in Heidelberg berufen wurde.

Bei seiner Predigt zu Lk 18, 9-14, dem Gleichnis von Pharisäer und Zöllner, am 31. August 2003 wird manches deutlich, was den Prediger Gerhard Rau ausmacht. Der Prediger nimmt sich zunächst Zeit für ein Lob von Luthers Übersetzung des griechischen Wortlauts in Bezug auf das Wort Anmaßung. Er macht damit auf eine beiläufige Weise klar, dass dem Wort der Predigt ein fremder Text zugrunde liegt, dessen „Evangelium“ den Weg in die Sprache und den Glauben der Gegenwart erst finden muss. Und um die Sachen, um die es in diesem Evangelium geht, zu schärfen, zieht der einen Gedanken Nietzsches heraus, der den Kontrapunkt zu einer Kritik an der Anmaßung, fromm zu sein, bildet: Sein Wort von der Sklavenmoral der christlichen Demut. Die feine Argumentation, mit der das Evangelium des gerechtfertigten Sünders in diesem Gleichnis ausgelegt und als Öffnung der Existenz auf Gott hin den Hörerinnen nahegerbacht wird, ließe ich im Einzelnen aufzeigen.

Die Schlusspointe der Predigt, mit der Gerhard Rau der allgemeinen Weisheitserfahrung selbstverständlich Rechnung trägt, aber zugleich das Evangelium eben doch in einer freiheitsbegründenden Weise davon unterscheidet, kann durchaus genau als das Maß dienen, das man an eine Predigt anlegen kann: Ob darin das Evangelium hör- und unterscheidbar geworden ist. Der Prediger Gerhard Rau erfüllt dann auch genau den Anspruch, vor den er die Studierenden in seinem homiletischen Seminar gestellt sah: Einen integralen, hermeneutischen und theologischen Deutungsakt zur Sprache zu bringen, in dem das Evangelium zur befreienden Lebensdeutung wird. Dass mit dieser Aufgabe die praktische Theologie eine Integration des theologischen Studiums und der Theologie zu leisten hat, dieser Anspruch hat mindestens einen seiner Studenten im homiletischen Seminar nachhaltig geprägt.

 

Predigtbeispiel: Predigt über Lk 18, 9-14 am 31. August 2003.

 

 

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Letzte Änderung: 30.05.2018
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