Peter Brunner: Predigt über 1 Thess 5,1-10 im Universitätsgottesdienst in der Heidelberger Peterskirche am Ersten Sonntag im Advent, 1. Dezember 1963

erschienen in: Brunner, Peter: Eins ist not. Elf Predigten aus dem Heidelberger Universitätsgottesdienst (Pflüget ein Neues. Göttinger Predigt-Hefte, Heft 15/16), Göttingen 1965, S. 7–13.

  

Von den Zeiten aber und Stunden, liebe Brüder, ist nicht not euch zu schreiben; denn ihr selbst wisset genau, daß der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, dann wird sie das Verderben schnell überfallen gleichwie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen. Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, daß der Tag wie ein Dieb über euch komme: Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasset uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein. Denn die da schlafen, die schlafen des Nachts, und die da trunken sind, die sind des Nachts trunken. Wir aber, die wir des Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. Denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern das Heil zu gewinnen durch unsern Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, auf daß, wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben sollen.

 

Advent ist da! Wir gehen wieder auf die Weihnacht zu. Wieder wird die Passionszeit und Ostern und Pfingsten und die Trinitatiszeit kommen, und übers Jahr wird wieder ein erster Advent sein. Wie oft haben wir das schon erlebt. „Alle Jahre wieder kommt ...“ Halt! Das ist eine gefährliche Melodie! Unser Adventstext schneidet diese Melodie des „Alle Jahre wieder“ scharf ab mit seinem Hinweis auf das plötzliche, aber auch unentrinnbare Wiederkommen des Herrn Jesus. Es ist, als habe die Kirche etwas geahnt von dieser gefährlichen, einschläfernden Wirkung des „Alle Jahre wieder“. Sie hat uns im Advent häufig ganz ähnliche Texte gegeben wie am Ende des Kirchenjahres. Wir erinnern uns an den vergangenen letzten Sonntag des Kirchenjahres. Da klang es uns aus den Worten des Herrn entgegen: „Seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten ... Denn des Menschen Sohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint“ (Lk.12, 36. 40). Heute, an der Schwelle des neuen Kirchenjahres, ermahnt uns der Apostel des Herrn mit dem gleichen Bilde: „Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht. Ihr wißt das ganz genau. Darum laßt uns wachen.“ Diesen Ruf zum Wachen, dieses Vigilemus, | [8] wirft die Kirche gerade auch in der Adventszeit in die Waagschale gegenüber einem einschläfernden „Alle Jahre wieder“. Die ganze Adventszeit ist von ihren biblischen Texten her eigentlich wie ein großer Vigilgottesdienst der Kirche gestaltet. Gerade im Advent steht die Kirche Christi mitten in dunkler Nacht wie ein Wachtposten gepanzert und behelmt auf Wache und schaut beharrlich unverrückt nach vorne in Erwartung dessen, der da kommen wird.

An dieser Adventszeit der Kirche Gottes scheiden sich zwei Welten. Da ist auf der einen Seite die urtümliche Religionswelt des periodischen, zyklischen Kreislaufes. Alle Jahre wieder stirbt der Gott und wird neu geboren. Alle Jahre wieder wird eine sterbende, vergehende Welt im Kultus neu geschaffen, damit die Menschen leben können. Götter und Menschen ergreift das kosmische Rad der ewigen Wiederkehr aller Dinge. Wie ein flammendes Schwert, wie ein fliegender Pfeil fährt die biblische Heilsbotschaft in die majestätische Ruhe dieses zyklischen Umschwunges hinein, reißt ihn auseinander und reißt ihn in eine zielgerade, zielsichere Bewegung hinein. Wie mit Nägeln wird das, was unser Heil ist, in die Geschichte hineingenagelt: Damals, dort, beim Durchzug durch das Schilfmeer! Damals, dort, bei der Landnahme in Kanaan! Damals, als der Tempel in Jerusalem erstand, als er zerstört wurde, als er wieder aufgebaut wurde! Vor allem aber damals, dort, als unter Kaiser Augustus der Heiland geboren und unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde und auferstand! Das ist das unwiederholbare Einmal, jenes Ein-für-allemal, an dem unser Heil hängt.

Mit dem, was damals, dort, unter Pontius Pilatus durch Jesus und an Jesus geschehen ist, steht die Welt unmittelbar vor der Schwelle des Letzten. Der Pfeil, der auf der Sehne der Erschaffung der Welt mit der Erwählung Israels abgeschossen wurde, dieser Gottespfeil des Heiles ist mit Christi Kreuz und Auferstehung ein für allemal wie ein Blitz sichtbar geworden. Keine Gewalt im Himmel und auf Erden, auch nicht die Gewalt kosmischer Umschwünge, auch nicht die Gewalt der sich dehnenden Zeiträume unserer Menschengeschichte, kann die Gewalt dieses Gottespfeiles und seines Fluges brechen oder ablenken. Wer von Herzen glaubt, daß Jesus und kein anderer der Messias Israels ist, wer glaubt, daß Jesus und kein anderer als der Messias Israels der eine Heiland der Welt ist, der hat den Pfeil Gottes fliegen gesehen und der sieht, daß dieser Pfeil sein Ziel erreichen wird, so gewiß, wie er dort in Christi Kreuz und Auferstehung alles, was ihm widerstehen konnte, schon durchstoßen hat. Der Glaube an Jesus den Herrn kann gar nicht ohne die Hoffnung sein auf die tatsächliche Wiedervereinigung mit ihm im Ende aller Dinge, wenn alle kosmi- | [9] schen Umschwünge, alle Perioden der Welt- und Kirchengeschichte und die Pilgrimschaften aller Glaubensläufe einmünden werden in den offenbaren Sieg des Auferstandenen.

Wir alle haben es nicht leicht mit dieser Hoffnung auf die Erscheinung des Herrn. Unsere Adventshoffnung ist eine angefochtene Hoffnung. Die neunzehnhundert Jahre, die zwischen uns und der Gemeinde von Thessalonich liegen, sind keine Kleinigkeit. Sie wiegen schwer. Manchmal will uns die Last dieser neunzehnhundert Jahre so schwer werden, daß unserer Hoffnung auf die Wiederkunft Jesu Christi darunter fast erdrückt wird. Aber bedenken wir, ob nicht mit dieser Hoffnung letzten Endes auch unser Glaube auf dem Spiel steht! Erfahren wir es nicht, daß der Angriff, den jene neunzehnhundert Jahre auf unsere Hoffnung ausüben, unmittelbar auch ein Angriff auf den Herzpunkt unseres Glaubens ist. Über neunzehnhundert Jahre ist der Herr Jesus nicht wiedergekommen. Sollte er vielleicht überhaupt nicht wiederkommen? Sollte die Gewalt der sich dehnenden Zeiträume doch gewaltiger sein als die Macht Jesu Christi? Sollte die Weltgeschichte mit ihrem Auf und Ab vielleicht doch gleichsam auf einer gekrümmten Ebene verlaufen und darum nie in ein Ende einmünden, das ein Ende aller Anfänge und aller Endpunkte wäre? Sollte die Macht Jesu sich vielleicht doch nur auf die Innerlichkeit meiner persönlichen Existenz erstrecken?

Ich weiß daß der Kampf der Anfechtung noch härter werden kann. Wenn der Weltlauf als Ganzer nicht unter der Macht des lebendigen Jesus steht, ist Jesus dann überhaupt mein Herr? Wenn die Weltgeschichte sich wie ein undurchsichtiger, dunkler Chaosstrom aus eigener Macht ins Unendliche weiterwälzt, lebt dann der Herr Jesus überhaupt jetzt hier? Ist er dann am Ende nicht doch gestorben, wie ich und du sterben werden, gestorben – und damit Schluß! Visionen von ihm – so etwas kann es natürlich geben. Aber leibhaftige Auferstehung von den Toten, Einsetzung dieses Menschen Jesus in die Gewalt und Majestät Gottes, von dannen er wiederkommen wird – gibt es denn das? Kann es das für uns heute überhaupt geben? Sprechen die neunzehnhundert Jahre seines Nicht-gekommen-seins diese neunzehnhundert Jahre der „Verzögerung“ seiner Wiederkunft, sprechen sie nicht dagegen, daß er überhaupt jetzt hier in der Macht Gottes lebt? Ist er am Ende entschlafen und schläft, wie alle Toten entschlafen sind und schlafen? Wenn es so ist, dann ist alles finster.

Habe ich mit diesen Fragen nur eine eingebildete Teufelsgestalt an die Wand gemalt? Oder habe ich nicht doch diesen Teufel beim Namen genannt, der unter uns umgeht und sucht, wen er verschlinge? Man muß ja den Teufel beim Namen nennen, wenn man ihn austreiben will! Die teuf- | [10] lische Gewalt der Versuchung hat viele Masken, in denen sie uns anfällt. Die Maske einer neunzehnhundertjährigen Verzögerung des Jüngsten Tages, die Maske einer neunzehnhundertjährigen getäuschten Erwartung auf das Kommen des Herrn ist vielleicht die gefährlichste Teufelsmaske der Neuzeit. Denn in dieser Anfechtung einer neunzehnhundertjährigen vergeblichen Erwartung steht offenbar das Ganze unseres Glaubens auf dem Spiel. Entweder ist Jesus der Herr und kommt trotz jener neunzehnhundert Jahre; oder alles läuft weiter unberührt von ihm im ewig kreisenden Umschwung, und dann ist Jesus eben nicht der Herr, sondern war nur ein Mensch wie wir, und damit tot für immer. Wer von uns käme heute an diesem Entweder-Oder vorbei? Wer wagt noch im Ernst eine ausgleichende Vermittlung zwischen diesem Entweder-Oder? Die Anfechtungen, denen wir ausgesetzt sind, zertrümmern alle Brücken, die wir zwischen diesem Entweder-Oder schlagen wollen. Es ist ja auch Zeit, daß sie zerbrechen! Die Christenheit muß wieder erfahren und wird wieder erfahren, daß sie den Herrn Jesus als ihren Herrn nur so haben kann, daß sie auf sein Kommen wartet, ihn selbst in Person erwartet, Jahr für Jahr, Tag für Tag, in wacher, nüchterner Bereitschaft ihm entgegeneilend zur letzten Vereinigung mit ihm Auge in Auge, Brust an Brust.

Wenn wir jetzt noch einmal in unseren Predigttext hineinsehen, so staunen wir, wie einfach und unkompliziert, wie frisch und klar da alles ist. Jene neunzehnhundert Jahre, die unseren Glauben bis in die Wurzel hinein anfechten wollen, sind in diesem Text von dem Apostel gleichsam von vornherein aus den Angeln gehoben. „Zeiten und Stunden – darüber brauche ich euch nichts zu schreiben.“ Der Herr kommt ja wie der Dieb in der Nacht. Nichts im äußeren Weltverlauf scheint darauf hinzudeuten, daß er kommt. Vielleicht herrscht gerade ein wohlausgewogener Völkerfriede, eine Pax Romana, die den ganzen Erdkreis umspannt, in der alle Völker sich der Segnungen und Vergnügungen einer Wohlstandsgesellschaft endlich erfreuen, selbst in China und Afrika – und plötzlich stürzt alles um, und der Herr ist da und mit ihm das Gericht. Wir haben vor wenigen Tagen etwas davon erfahren, was ein plötzliches, unvermutetes Ereignis bedeuten kann, das uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel überfällt. Zwei, drei Kugeln aus dem Gewehr eines Mörders – und in wenigen Sekunden ist die Welt, in der wir leben, anders geworden. Wir hatten ja alle das Gefühl, als ob mit diesen tödlichen Schüssen auf den Präsidenten Kennedy plötzlich der Boden durchgebrochen wäre, der uns bisher wie selbstverständlich getragen hatte. So nahe ist uns das unheimlich Plötzliche, das alles im Nu verwandelt, nicht nur in unserem privaten Leben, sondern gerade auch im Bereich der Weltgeschichte. Das Strukturge- | [11] füge dieser Weltgeschichte scheint uns wie selbstverständlich von einem Tag sicher zum nächsten Tag, von einem Jahr zum anderen hinüberzutragen. Es gibt da gewiß große Veränderungen. Der Boden zittert einmal da oder dort. Aber wir haben doch das Gefühl, als müsse die Gegenwart, die uns heute trägt, gleichsam aus sich heraus uns auch die Balken und Bretter unter die Füße legen, auf die wir am nächsten Morgen treten können. Aber da fällt ein Schuß, und wir spüren erschüttert, daß das gar kein Balkengefüge unter unseren Füßen ist, das uns von Tag zu Tag hindurchträgt, sondern eigentlich nur eine dünne Eisdecke, über die uns der Wirbelsturm der weltgeschichtlichen Bewegung gerade noch hinübergleiten läßt, die aber jeden Augenblick durchbrechen könnte ins Bodenlose. So nahe ist uns im Bereiche des Weltgeschehens das gefährlich Plötzliche, das Unvorhergesehene, das Umwerfende.

Diese Erfahrung, die wir alle in den letzten Tagen gemacht haben, ist allerdings nur ein ganz entferntes Gleichnis für die Nähe des Plötzlichen, das dem Tage des Herrn eigen ist. Seitdem der Mensch Jesus, der Gottes wahrhaftiger Sohn von Ewigkeit her ist, in unserer Mitte war, für uns am Kreuz gestorben ist und als erster und einziger von den Toten auferstanden und in die Majestät Gottes eingesetzt ist, seitdem ist dieses ganze, uns tragende Weltgefüge bis hinauf in die fernsten Milchstraßensysteme und bis hinab in die innersten Atomkerne hauchdünn geworden, weil jetzt der von den Toten auferstandene Herr Jesus, der Herr aller Herren, unmittelbar dahintersteht. Diese hauchdünne Decke kann auf sein Geheiß in jedem Nu platzen. Dann tritt er selbst aus der Verborgenheit hervor in Herrlichkeit.

Daß dem so ist, das war in Thessalonich so klar, daß darüber kein Wort zu verlieren war. Nur dies mußte der Apostel der Gemeinde sagen: Wartet in Bereitschaft und Nüchternheit! Macht dem Herrn keine Vorschriften, wann er kommen soll. Die Zeiten und die Stunden stehen bei Gott allein. Wir haben keinen Fahrplan für Christi Kommen in der Hand. Darum ist es auch töricht, so zu reden, als ob er sich verspätet hätte. Die Wiederkunft Jesu hat keine Zugverspätung und kann keine Zugverspätung haben; aber dieser Zug kann jederzeit eintreffen!

Wie klar und einfach ist auch die Folgerung, die der Apostel daraus zieht. Da draußen außerhalb der Gemeinde ist Nacht und Finsternis. Die Menschen in dieser Dunkelheit sehen überhaupt nicht, worauf es ankommt. Sie schlafen, sie träumen in Illusionen, sie sind wie Betrunkene und waren sicher auch nicht selten tatsächlich betrunken. Sie haben keinen Ausblick nach vorne. Sie sind in der Tat eine „geschlossene Gesellschaft“, die sich die Zeit vertreibt im Leerlauf von Lust und Gewinn und Unter- | [12] haltung, so gut sie es versteht. Wenn in diese Finsternis hinein der Tag des Herrn einschlägt wie ein Blitz, wahrhaftig, da wird es tagen mit Schrecken! Aber ihr, liebe Brüder, sagt der Apostel, ihr seid nicht da draußen in der Finsternis. Hier in der Gemeinde steht ihr im Licht, und zwar in einem doppelten Lichtkegel: Hinter euch glänzt hell und klar eine Krippe; vor euch leuchtet schon der Tag des Herrn. In diesem doppelten Lichtkegel lebt ihr. Diesem Licht, insonderheit diesem auf euch zukommenden Licht des Jüngsten Tages seid ihr verhaftet. Es hat euch gepackt. Es hat euch die Augen aufgetan. Es hat euch aufgeweckt. Jetzt seht ihr, worum es geht, wahrhaftig nicht um diesen Leerlauf von Lust und Erwerb, jetzt geht es um Erwerb des Heils, um das Heil, das Jesus Christus für euch erworben hat, und das sein Tag in Fülle über euch ausgießen wird. Bleibt nur in diesem Licht, und es wird sich an euch erfüllen, wozu ihr berufen seid und Gott euch gesetzt hat: Nicht der Zorn, sondern das Heil, nicht die richterliche Abscheidung von dem Leben Gottes, das in Jesus ist, sondern die vollendete Lebensgemeinschaft mit ihm. Mit ihm zusammen leben, mit ihm nicht weniger eng zusammen sein, als jener Simeon mit ihm zusammen war, als er das Kindlein auf seine Arme nahm, mit ihm so zusammen sein wie jener Jünger, der an seiner Brust lag, und wie jener andere, der die Hand ihm reichte und in seine Seite legen durfte, so mit ihm zusammen leben, das ist es doch, was auf euch zukommt. Ihr wißt doch, wo ihr hingehört: zum Tag und nicht zur Nacht, zum Licht und nicht zur Finsternis! Dabei bleibt! Weil ihr im Lichte des Tages steht und aufgewacht seid, darum bleibt wach! Weil ihr klare Augen bekommen habt und seht, worauf es letzten Endes allein ankommt, darum bleibt nüchtern und haltet euch so, wie es sich für Menschen gehört, die im Scheinwerferlicht dieses Tages stehen. Bleibt auf eurem Wachtposten! Ihr steht dort nicht unangefochten. Aber ihr habt den Schutzpanzer des Glaubens und der Liebe, und ihr habt den Helm, den ihr unter keinen Umständen wie einen abgetragenen Hut beiseite legen dürft, den Helm, der die Hoffnung auf das Heil selber ist, die Hoffnung auf den Heilstag der Erscheinung des Herrn. Mit dieser Waffenrüstung angetan werdet ihr die Vigil des Advent durchstehen – auch wenn sie noch einmal neunzehnhundert Jahre dauern sollte.

Wie klar, wie einfach, wie lebendig ist das alles, was der Apostel seiner Gemeinde hier zuruft, vielmehr uns zuruft, mitten in die gegenwärtige Christenheit hineinruft, wo die klaren Scheidelinien zwischen Finsternis und Licht, zwischen Nacht und Tag so oft verwischt sind, wo alles grau in grau ineinanderzufließen droht, wo der Panzer des Glaubens und der Liebe so löcherig geworden ist, und wo vor allem der Helm des Heils, die | [13] Hoffnung auf den Tag des Herrn, nicht mehr fest sitzt – wenn dieses Waffenstück nicht sogar da und dort schon klirrend zu Boden gefallen ist. Wenn wir unseren Adventstext recht gehört haben, dann klingt er uns in den Ohren wie ein Trompetensignal, das uns aus den trüben, grauen Nebeln unserer Halbheiten und Weichlichkeiten herausruft in das Licht des Tages Jesu Christi, ein Trompetensignal, das uns erneut auf den Wachtposten ruft, wo nicht geschlafen und geträumt werden kann, wo auch nicht mehr über Zeiten und Stunden diskutiert wird, wo es nur um das Wachen geht, um das Wachen in ständiger Bereitschaft für den Kommenden. Auf diesem Wachtposten wird auch unser Leben wieder klar, einfach, licht. Da wird auch die Scheidelinie zwischen gut und böse, zwischen Trunkenheit und Nüchternheit wieder scharf gezogen. Denn dort auf dem Wachtposten geht es ums Letzte, ums letzte Entweder-Oder.

Was zögern wir eigentlich noch, als ob wir angesichts dieses Entweder­-Oder überhaupt noch eine Wahl hätten? Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern das Heil zu gewinnen durch unseren Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, auf daß wir in jedem Falle, tot oder lebendig, mit ihm zusammen leben sollen. Das ist entschieden! So laßt uns nun nicht schlafen wie die anderen! Vigilemus! Lasset uns wachen und nüchtern sein! Amen.

 

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Peter Brunner: Prediger in endzeitlicher Ausrichtung
 

 

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Letzte Änderung: 22.08.2017
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