Verkörperung als Paradigma einer evolutionären Kulturanthropologie

Das Heidelberger Marsilius-Projekt

„Verkörperung als Paradigma einer evolutionären Kulturanthropologie“

 

Am 13. März 2013 wurde am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg ein neues Marsilius-Projekt gestartet, an dem mit den Professoren Gregor Etzelmüller, Klaus Tanner und Michael Welker sowie Matthias Baum und Dr. Alexander Maßmann als Nachwuchswissenschaftlern auch fünf Vertreter der Theologischen Fakultät beteiligt sind.

Das Marsilius-Projekt „Verkörperung als Paradigma einer evolutionären Kulturanthropologie“ arbeitet zum einen daran, die vom kognitionswissenschaftlichen Paradigma der embodied cognition herausgestellte Verkörperung aller menschlichen Lebensprozesse genauer zu erfassen. Wie lässt sich im Licht fachgebundener Heidelberger Forschungen – von der Robotik und Neurologie über die Psychopathologie bis hin zur Literaturwissenschaft, Philosophie und Theologie – die Einsicht der radikalen Verkörperung des menschlichen Geistes präziser bestimmen? Zum anderen lotet das Marsilius-Projekt die Konsequenzen des Verkörperungs-Paradigmas für eine neue interdisziplinäre Anthropologie aus. Die Zuwendung zum menschlichen Leib eröffnet neue Brücken zwischen naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Forschung. Es scheinen Spezifika des menschlichen Leibes und seiner seelisch-geistigen Dimensionen zu sein, die es dem Menschen ermöglichen, bestimmte Kulturformen auszuprägen, und die so Geschichte mit ihren rasanten Entwicklungsdynamiken hervorbringen. Auch der Umschlag von natürlicher Evolution in geschichtliche Entwicklung ist in der Evolution des menschlichen Leibes verkörpert. Umgekehrt schreibt sich die Geschichte der Menschheit dem menschlichen Leib ein. Der Leib ermöglicht Geschichte – und Geschichte prägt den Leib.

Die Projektgruppe (zunächst Gerd Albert, Thiemo Breyer, Andreas Draguhn, Gregor Etzelmüller, Thomas Fuchs, Miriam Haidle, Thomas Holstein, Stefano Micali, Hannah Monyer, Magnus Schlette, Grit Schwarzkopf, Klaus Tanner und Michael Welker) nutzte das Sommersemester 2013, um sich in den aktuellen Verkörperungsdiskurs einzuarbeiten, diesen mit anderen Positionen ins Gespräch zu bringen und die interdisziplinären Perspektiven des Themas weiter auszuloten. Dazu dienten neben internen Treffen zwei Studientage mit Prof. Dr. Matthias Jung (Koblenz) am 8. Mai 2013 zur Anthropologie der Artikulation und mit Prof. Dr. Joachim Fischer (Dresden) am 20. Juli 2013 zur Philosophischen Anthropologie.

In den folgenden beiden Semestern verfassten alle Teilnehmer der Projektgruppe sog. short papers, die aus der jeweiligen Fachperspektive das Thema der Verkörperung in den Blick nahmen und auf internen Arbeitstreffen diskutiert worden sind. Im Zuge dieser Diskussionen erschien es als sinnvoll, die Projektgruppe um Vertreter der Entwicklungspsychologie und Robotik zu erweitern. Mit den Kolleginnen Prof. Dr. Katja Mombaur vom IWR und PD Dr. Stefanie Höhl vom Psychologischen Institut konnten zwei mit dem aktuellen Verkörperungsdiskurs vertraute, international renommierte Wissenschaftlerinnen für die Mitarbeit in der Gruppe gewonnen werden.

In den kommenden zwei Semestern sollen die bisherigen Beiträge zu wissenschaftlichen Aufsätzen ausgebaut werden, so dass Anfang 2016 ein Heidelberger Entwurf einer Anthropologie der verkörperten Intersubjektivität vorgelegt werden kann.

Das Marsilius-Projekt umfasst zudem vier Teilprojekte, die sich den Themen Verkörperte Empathie, Theologie der Verkörperung, Literaturwissenschaft und Leiblichkeit und Interdisziplinäre Anthropologie und Bioethik widmen.

Um die Potentiale des Verkörperungsparadigmas für die Theologie zu erkunden, organisierten Gregor Etzelmüller und Michael Welker zusammen mit Prof. Dr. Annette Weissenrieder (San Francisco Theological Seminary/GTU Berkeley) im Rahmen des Teilprojektes 2 einen international besetzten Workshop, der am 10. und 11. Januar 2014 in Heidelberg stattfand. Neben Kolleginnen und Kollegen aus Berkeley, Bern, Heidelberg und Köln nahmen auch 15 Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen aus Heidelberg und Bern an diesem Symposium teil. Die vielfältigen Perspektiven aus den verschiedenen theologischen Disziplinen haben zu erkennen gegeben, dass das Thema der Verkörperung dazu beitragen kann, genuin theologische Themen (wie Schöpfung und Neuschöpfung, Herrschaftsauftrag, Gemeinde als Leib Christi, innerer Mensch etc.) sachangemessener zu verstehen. Es gilt dabei, den Körper in den theologischen Blick zu nehmen – und vom Körper ausgehend eine theologische Anthropologie am Leitfaden des Leibes zu entwickeln.

Weitere Informationen unter

http://www.marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de/projekte/verkoerperung/index.html

 

Gregor Etzelmüller

 

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Letzte Änderung: 29.02.2016
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