Die Reform der Künste um 1900

Das Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg veranstaltet in Kooperation mit dem Verein "Das Bild als Ereignis" e.V. im Wintersemeser 2013/14 die Vortragsreihe "Die Reform der Künste um 1900".

Kontakt

Oliver Sukrow, M.A.
o.sukrow@zegk.uni-heidelberg.de

KONZEPTION

2013 Ws13-14 Vortragsreihe Reform-der-kuenste

"Um 1900" ist mehr als eine bloße Datierung einer historischen Zäsur. Der Ausdruck ist zu einem erläuternden Label bei der Charakterisierung der fundamentalen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandlungen geworden, welche die Entwicklung Deutschlands bis weit in das 20. Jahrhundert prägen sollten. Der Historiker und Journalist Martin Doerry hat diese wilhelminische Ära um 1900 bereits vor einiger Zeit treffend als eine von "Übergangsmenschen" geprägte Phase bezeichnet.

Die Reihe "Die Reform der Künste um 1900" nimmt die These einer transitorischen Epoche zum Ausgangspunkt und widmet sich aus kunstgeschichtlicher Perspektive den Reformen in Architektur, Malerei, Plastik, Design und Interieurgestaltung, welche in dieser Übergangszeit der Moderne den Weg bahnten und gleichzeitig den Traditionen des 19. Jahrhunderts verhaftet blieben.

Der Zyklus soll Einblick geben in das vielfältige künstlerische Schaffen im Deutschen Kaiserreich vor dem I. Weltkrieg und fragt dabei sowohl nach prägenden Künstlerpersönlichkeiten und verbindlichen Leitthemen und -motiven als auch nach den weltanschaulich-ästhetischen Grundlegungen dieser Zeit zwischen Ancien Régime und Lebensreform.

Neben Beiträgen aus der universitären Forschung sollen auch aktuelle Erkenntnisse aus der musealen Praxis präsentiert werden, die sich mit der vielgesichtigen Reform der Künste um 1900 auseinandersetzen.

VORTRÄGE

24.10.2013 | Prof. Dr. Kai Buchholz (Hochschule Darmstadt)

Die Kunst ist keine Eisbombe. Stilkunst und Lebensreform um 1900

Beginn: 18 Uhr c.t., Veranstaltungsort: IEK, Graimberg-Raum, Seminarstr. 4, 69117 Heidelberg

Die Bewegungen in Architektur und Kunstgewerbe, die sich um 1900 gegen den Historismus richteten, werden häufig mit dem Schlagwort ›Ästhetizismus‹ belegt. In dieser Perspektive erscheinen sie als eine Flucht vor der harten Realität des modernen Lebens. Dass ein solches Verständnis dem Anliegen der Stilkunst nicht gerecht wird, zeigt sich besonders deutlich, wenn man sie im Zusammenhang der Lebensreformbewegung betrachtet. Die Verschönerung der alltäglichen Lebenswelt erscheint dann als ein Aspekt unter vielen. Ziel war ein humanes Leben, in dem der Mensch nicht zum Sklaven der Technik verkommt. Der Vortrag zeigt anhand konkreter Beispiele die enge Verbindung zahlreicher Architekten und Gestalter zu Lebensreformkreisen – wie Naturheilkunde, Vegetarismus, Freikörperkultur, Reformkleidung, Gartenstadtbewegung, Reformpädagogik, Feuerbestattern, Theosophen – aus der Zeit der Jahrhundertwende auf.

07.11.2013 | Prof. Dr. Bernhard Maaz (Staatliche Kunstsammlungen Dresden)

Bildhauerkunst um 1900: Stile, Themen und Materialien

Beginn: 18 Uhr c.t., Veranstaltungsort: IEK, Graimberg-Raum, Seminarstr. 4, 69117 Heidelberg

Um 1900 - zur Zeit von Reinhold Begas und Adolf von Hildebrand - befand sich die deutsche Bildhauerkunst in einer besonderen Situation, da offizielle und persönliche Stile nebeneinander zeitgleich einhergingen. Denkmal, große Bauaufgaben mit plastischer Ausschmückung, Porträt, Grabmalsplastik, ja sogar die Plakettenkunst offerierten sehr verschiedene Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten. Es werden verschiedene Facetten dieser Umbruchzeit kurz vor dem expressionistischen Aufbruch in ganz neue experimentelle Formsprachen vorgestellt.

14.11.2013 | Sabine Walter, M.A. (Klassik Stiftung Weimar)

Leidenschaft, Funktion und Schönheit. Das Gesamtkunstwerk bei Henry van de Velde

Beginn: 18 Uhr, c.t., Veranstaltungsort: Alte Universität, Senatssaal, Grabengasse 1, 69117 Heidelberg

Anlässlich des 150. Geburtstages von Henry van de Velde realisierte die Klassik Stiftung Weimar im Frühjahr 2013 eine umfassende Ausstellung über den "Alleskünstler". Die Kuratorin erläutert die Konzeption der Schau und stellt das Gesamtkunstwerk des belgischen Malers und Designers in Idee und Ausführung vor. Dabei werden verschiedene Aspekte seines Schaffens diskutiert, wie die  Bedeutung der Linie, Funktion, die industrielle Fertigung oder die ästhetischen Divergenzen zwischen Künstler und Auftraggeber.

Im Anschluss an den Vortrag wird im Universitätsmuseum Heidelberg die Sonderausstellung "Lebensräume gestalten. Heinrich Metzendorf und die Reformarchitektur an der Bergstraße" eröffnet.

Siegel Metzendorf Small

Ausstellung im Universitätsmuseum
vom 14.11. bis 20.12.2013

Lebensräume gestalten.
Heinrich Metzendorf und die
Reformarchitektur an der Bergstraße

05.12.2013 | Dr. Eva Ditteney (Berlin)

"Dies ist heute das einzige Gesetz, das dem Kunstjünger leuchtet in goldigen Lettern: 'Lebe dich selbst.'" – Eine Betrachtung der Malerei um 1900

Beginn: 18 Uhr c.t., Veranstaltungsort: IEK, Graimberg-Raum, Seminarstr. 4, 69117 Heidelberg

Als Teil einer ‚Reform der Künste’ zeigte die Malerei um 1900 viele Gesichter: Neben einen tradierten Motiv- und Formenschatz traten nun neue, ganz individuelle Kunstauffassungen, die ihr schließlich den Weg in die Moderne ebneten. Die Hintergründe und verschiedenen Facetten dieses Aufbruchs an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert werden exemplarisch ebenso vorgestellt, wie diejenigen der ausgeprägten Begeisterung im wilhelminischen Deutschland für den Norden.

16.01.2014 | Dr. Wolfgang Voigt (Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main)

Moschee, Schalterhalle, Westwerk: Über die interkulturelle Wanderung von Architekturformen am Beispiel des Stuttgarter Hauptbahnhofs (1911-22) von Paul Bonatz und der Kirchenbauten von Dominikus Böhm

Beginn: 18 Uhr c.t., Veranstaltungsort: IEK, Graimberg-Raum, Seminarstr. 4, 69117 Heidelberg

Der Stuttgarter Hauptbahnhof (1911-22) von Paul Bonatz gehört zu den prominenten Großbauten des späten wilhelminischen Kaiserreichs und erhielt nach seiner Fertigstellung viel Aufmerksamkeit. Neuere Forschungen zeigen, dass der Bahnhof eine ungewöhnliche Rezeptionsgeschichte als Bindeglied zwischen antiken und islamischen Bauformen des Orients auf der einen und dem frühen Sakralbau der Moderne auf der anderen Seite aufweist. Im Mittelpunkt des Vortrages steht die Genese und Rezeption des architektonischen Motivs der Rundbogen-Vorhalle, wie es der Architekt 1913 aus Kairo mitbrachte. Ein Jahrzehnt später war der fertiggestellte Bahnhof das Vorbild, von dem dasselbe Motiv als sprechendes, vom ursprünglichen Inhalt befreites Architekturzitat weiter wanderte, um in den Kirchen von Dominikus Böhm und anderer Architekten eine neue Verwendung zu finden.

Seitenbearbeiter: Webadministrator
Letzte Änderung: 07.11.2013
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