Die künstlerische und materielle Organisation niederländischer Tapisserien

Dr. Anna Rapp Buri und Dr. Monica Stucky-Schürer

 

In den Niederlanden galten im 15. Jahrhundert Tapisserien als das kostbarste Medium monumentaler Kunst. Philippe le Bon nannte die in seine Zeit bedeutendste Kollektion von Tapisserien sein eigen.
Mit ihnen demonstrierte der Burgunderherzog öffentlich seine Macht und seinen Reichtum, verliehen sie doch bei Staatsfeiern, Hoffesten oder diplomatischen Verhandlungen den genau geplanten würdigen Rahmen.

Die im Vergleich zu anderen Kunstgattungen selten dichte Quellenlage erlaubt es, die Organisation der kostspieligen Tapisserieaufträge genau nachzuvollziehen: Nachdem der Auftraggeber die Entwürfe gutgeheißen hatte, wurden sie in die maßstabgerechte Vorlage aus Leinwand vergrößert. Diese sogenannten patrons wurden durch die Wirker ins textile Bild umgesetzt. Für die Organisation des komplizierten Herstellungsverfahrens zeichneten Tapisseriehändler verantwortlich. Sie verpflichteten sich vertraglich, die Tapisserien innerhalb der festgelegten Frist und zu den vereinbarten Konditionen betreffend Ikonographie, Material und Maße abzuliefern. Da sich für die Verdüre von 1466 aus dem Besitz Philipps des Guten (Historisches Museum Bern) auch eine Reihe ausführlich verfaßter Zahlungsbelege erhalten hat, läßt sich die Verbildlichung des mit Worten umschriebenen Auftrages erkennen.

Der Fülle von genauen Informationen über die Produktionsbedingungen stehen erstaunlich wenig Angaben zu den ausführenden Künstlern gegenüber. Zu den seltenen namentlich erwähnten Malern haben sich die entsprechenden Tapisserien leider nicht erhalten. Da bei der Herstellung einer Tapisserie der entwerfende Künstler, der Kartonmaler und die Kunsthandwerker gleichwertig beteiligt waren, ist es äußerst schwierig, den künstlerischen Anteil des Entwurfs freizulegen und gesondert zu bewerten, zumal sowohl der Patronenmaler wie der Wirker je ihren individuellen Stil zum Ausdruck gebracht haben. Daher steht fest, daß eine Tapisserie mit der ihr eigenen Bildsprache stets das Werk von mehreren, eng zusammenarbeitenden Künstlern war.

In Ausnahmefällen haben Wirker auch Gemälde berühmter Meister detailgetreu in Tapisserie umgesetzt und mit diesen Kopien bewiesen, daß sie ihr Können auch vollständig in den Dienst der Malerei stellen konnten.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 01.07.2009
zum Seitenanfang/up