Dr. Christoph Leidl

Forschungsperspektiven

 

- Da ich in den letzten Jahren wiederholt zur Rezeption (Ovid, Apuleius, Antike bei Richard Wagber geforscht habe, möchte ich eine an methodischen Fragen (nicht stofflich) orientierte systematische Einführung in die Rezeption der Antike erarbeiten. Flankiert könnte diese werden durch umfassendere Studien zur Ovidrezeption und der Rolle der Antike im Werk Richard Wagners. Solche Studien sollen aber nicht bei der Präsentation des überreichen Materials verharren, sondern beispielhaft die me­thodischen Bedingungen für die Möglichkeit von Rezeptionsforschung reflektieren. Besonde­res Augenmerk ist dabei zu richten auf die Autonomie der Kunstformen bzw. deren Antago­nismus (wie z.B. die Konkurrenz zwischen Poesie und bildender Kunst, die die Rezeptions­formen besonders in der Renaissance prägt). Ansätze der neueren „Bildwissenschaft“ (nach dem „iconic turn“; H. Bredekamp) sind hier ebenso einzubeziehen wie die Formen der literarischen Rezep­tion, wie z.B. in der neulateinischen (und volkssprachlichen) Literatur der Renaissance (Boccaccio, Petrarca, Hypnerotomachia Poliphili) oder der Neuzeit (z.B. Durs Grünbein).

 

- Das Verhältnis des Lateinischen zum Griechischen in der Vermittlung der jeweils anderssprachigen Literatur habe ich im für griechisch-lateinische (und volkssprachliche) Übersetzungen in der Historiographie am Beispiel des Historikers Appian (und bei fingierten Übersetzungen griechischer Redner) in der frühen Neuzeit untersucht. Die Untersuchungen sollen auf weitere Texte aus der Historiographie und Rhetorik ausgedehnt werden. Daran anschließend soll der konzeptionelle Einfluß antiker Modelle insbesondere auf die neulateinische Historiographie allgemein untersucht werden.

- In der Antike möchte ich ähnliche Überlegungen für das Verhältnis von gleichzeitiger griechischer und lateinischer Rhetorik(theorie) anstellen, wobei die Perspektive in beide Richtungen geht (also die lateinischen Texte durchaus auch als impulsgebend für die griechischen gelesen werden könnten).

 

- Weiterer Forschungsbedarf besteht m.E. bei Seneca Rhetor, dessen weiterer Rezeption außerhalb der Altertumswissenschaft schon das Fehlen von Kommentaren (mit Ausnahme zu den Suasorien) bis heute entgegensteht, und dessen Werk auch in seiner formalen Beson­derheit noch keineswegs völlig erschlossen ist, und Fronto, bei dem der vorliegende Kommentar erst deutlich macht, was hier noch zu leisten ist, etwa im Hinblick auf seine Überlegungen zum Sprachgebrauch in der Spannung zwischen Rhetorik und Grammatik oder sein Verhältnis zur zeitgenössischen griechischen Rhetorik (s.o.). Bei Seneca wie auch bei Fronto ergibt sich etwa die Fragestellung nach Form und Funktion des Zitates als nicht nur argumentativ bekräftigendem, sondern auch strukturierendem Element die­ser Werke. Die Bearbeitung dieser literaturwissenschaftlichen Grundsatzfrage wird über den engeren Bereich dieser Werke hinaus für das Verständnis rhetorischer Literatur und von antiker Lite­ratur überhaupt von Relevanz sein.

 

- Unter dem Arbeitstitel "Raum und Text" möchte ich Überlegungen fortsetzen, die sich im Rahmen meiner Untersuchungen zur Rezeption des Amor-und-Psyche-Textes ergeben haben. Dabei setze ich aber den Schwerpunkt dezidiert innerhalb der Sprache der Texte, nicht in der Rezeption: Es geht um die Frage, wie in der antiken Literatur die Möglichkeiten zur Verweisung auf räumliche Dimensionen, die lokale Deixis, eingesetzt werden, um Raumvorstellungen in Texten zu evozieren und welche Rolle diese Räumlichkeit für die Interpretation des Texte spielt. Dabei kann es sich sowohl um die innere Struktur der Texte handeln (unter dem Aspekt der Form, in der ein Text wahrgenommen werden soll, sequentiell oder simultan, Stichwort "spatial form"), als auch um die Evozierung realer oder imaginierter Orte (wobei an die traditionellen Überlegungen zu "Dichterlandschaften" anzuknüpfen wäre). Als Gegenstand wäre z.B. nicht nur an erzählende Literatur (im Bereich des Dramas wurde bereits in dieser Richtung gearbeitet), sondern vor allem auch, in Anknüpfung an Überlegungen zur grie­chischen Lyrik, etwa an die Lyrik des Horaz zu denken.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 16.12.2016
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