Verleihung des Werner Krauss-Preises

Isabel Exner

Isabel Exner studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Romanistik und Philosophie in Berlin, Granada und La Habana. In der Folge hatte sie Forschungsaufenthalte an der Universidad de La Habana, der Universidad de Puerto Rico, der New York University und am IFK Wien. Sie war Stipendiatin der DFG im Graduiertenkolleg ‚Die Figur des Dritten‘ an der Universität Konstanz. Die Dissertation schloss sie 2013 an der Humboldt-Universität zu Berlin bei Prof. Dr. Dieter Ingenschay und Prof. Dr. Janett Reinstädler ab. Momentan unterrichtet sie als wissenschaftliche Assistentin romanische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität des Saarlandes.

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​Zusammenfassung des Projekts

Wenn das Schmutzige, nach der bekannten Definition von Mary Douglas, ‚Materie am falschen Ort‘ ist und eine unzulässige Überschreitung von durch die symbolischen und sozialen Ordnungen vorgegebenen Grenzen impliziert, kann es nicht überraschen, dass das semantische Feld, das ‚Schmutz‘ um sich gruppiert, sich in machtvollen diskursiven Modellen kultureller Wissensorganisation und Sinnbildung artikuliert. Ausgehend vom Paradigma der Un/Reinheit werden sowohl künstlerische Formen und Normen als auch Werte der Gesellschaft und Kultur verhandelt. Die Dissertation untersucht aus diachroner Perspektive die metaphorischen Figurationen und narrativen Muster, die das Motiv des Schmutzes und seiner Variationen (Makel, Mischung, Chaos, Müll, Abfall, Überrest, Abjekt, Verseuchung, Verschmutzung, Ansteckung...) in den Literaturen und Kulturtheorien der spanisch- und französischsprachigen Karibik durchziehen. Sie hinterfragt die Identifikationen und Subjektpositionen, die von seiner Inszenierung angestoßen werden, und durchleuchtet die Beziehung zwischen ästhetischen Modellen und Modellen des Zusammenlebens, die über den textuellen Ort von ‚Schmutz‘ ausgehandelt wurden.

Die figurative Korrelation zwischen Schmutz und Gesellschaft wird zunächst darauf überprüft, wie sie Obsessionen der Reinheit und Exklusionsmechanismen in den Wissensformen und in der sozialen Ordnung des Kolonialismus und der Moderne unterstützt. Bis in die gesellschaftlichen Anklagen der naturalistischen Literatur (Manuel Zeno Gandía) können kontinuierlich Formen symbolischer Gewalt nachgewiesen werden, die auf  ‚Purizentrismus‘ fußen. In den 1990er Jahren taucht das Motiv in den Kontexten der Karibik vermehrt wieder auf. Diese Neubelebung ist jedoch mit wichtigen Bedeutungsverschiebungen verbunden: Kulturtheorien, die sich auf Konzepte wie Kreolisierung, Relation, Spur oder Chaos stützen, sowie eine neue ökopoetische Literatur (Patrick Chamoiseau) rekurrieren auf eine positive und innovative Art und Weise auf Metaphern der Unreinheit. (Symbolische) Rückstände werden zu Quellen eines epistemologischen Potentials und Recycling wird als neue materielle und memoriale Kulturpraxis herausgestellt. Die neuesten literarischen Inszenierungen von Schmutz und Vermüllung, die in der Arbeit analysiert werden (Edgardo Rodríguez Juliá, Pedro Juan Gutiérrez), stellen sich, andererseits, als Beispiele für die ambivalente Rolle der Literatur gegenüber den dominanten diskursiven Paradigmen einer Epoche dar. Ihre Poetiken leiten dazu an, die Präferenz von Unreinheitsmodellen als imaginative Basis von Kulturkritik zu hinterfragen.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 06.03.2015
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