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MasterstudiengangDen Nahen Osten in seiner Vielfalt verstehen

18. Dezember 2019

Neuer Masterstudiengang in Kooperation mit der Hochschule für Jüdische Studien

Der moderne Vordere Orient in seiner geschichtlichen Tiefe und sprachlich-kulturellen Vielfalt kann seit diesem Wintersemester erstmals in Heidelberg studiert werden: „Nahoststudien“ heißt der deutschlandweit einzigartige Masterstudiengang, den die Universität und die Hochschule für Jüdische Studien als Joint Degree anbieten. Mit zwei Spezialisierungen – „Jüdischer Naher Osten“ und „Islamischer Naher Osten“ – richtet er sich an Bachelorabsolventen aus Judaistik, Islamwissenschaft, Nahoststudien, Geschichte und Politikwissenschaft.

„Die Intensität des Sprachlehrangebotes ebenso wie die Kombination der fachlichen Disziplinen – etwa der Philologie, der Religions-, der Kultur- und Sozialwissenschaften sowie der Geschichte – ist bundesweit einmalig“, erklärt Juniorprofessor Dr. Johannes Becke. Seit 2015 hat der Politikwissenschaftler den Ben-Gurion-Stiftungslehrstuhl für Israel- und Nahoststudien an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg inne und sich von Beginn an für einen gemeinsamen Studiengang mit den Islamwissenschaften eingesetzt. Bei Prof. Dr. Henning Sievert, der am Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients der Ruperto Carola die Abteilung für Islamwissenschaft leitet, stieß er damit auf offene Ohren: „Pluralität ist ein Aspekt, der die Gesellschaften des Vorderen Orients seit jeher kennzeichnet. Um die gesamte Region – von Marokko bis hin zum Iran – in ihrer ganzen religiösen und kulturellen Vielfalt zu verstehen, braucht es den Blick über den Tellerrand.“

Porträt Michael Pfister

Die Kompetenzen, die uns vermittelt werden, liegen nicht nur in den Bereichen Sprachen und Faktenwissen. In dem Studiengang geht es insbesondere auch um das Denken in größeren Zusammenhängen und die Reflexion der eigenen Denkmuster. Wir lernen vermeintlich einfache Gegebenheiten zu hinterfragen ebenso wie die plakativen Meinungen und Urteile, die es zum Nahen Osten reichlich gibt.

Michael Pfister, 24 Jahre

Im Mittelpunkt des neuen Studiengangs stehen der Kontakt und der Vergleich zwischen jüdischer und muslimischer Kultur. Wie wichtig dieser kultur- und religionsübergreifende Zugang ist, betont Johannes Becke: „Israel ist ohne den Nahen Osten nicht zu verstehen und der Nahe Osten nicht ohne Israel.“ Dabei wolle man wegkommen von der unnötigen Verengung auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina, der den allgemeinen Diskurs über den Vorderen Orient so prägt. Grundvoraussetzung dafür sind solide Sprachkenntnisse, insbesondere die Kombination des modernen Hebräischen und einer weiteren nahöstlichen Sprache, das heißt Türkisch, Arabisch oder Persisch. Der Master bietet den Studierenden die Möglichkeit, ihre bereits vorhandenen Kenntnisse auszubauen und eine zusätzliche Sprache aus dem für sie neuen Kulturraum zu erlernen. Denn: „Der wichtigste Zugang zu einer fremden Kultur ist immer die Sprache“, wie Henning Sievert deutlich macht. „Eine Gesellschaft lässt sich nur seriös erforschen, wenn man ihre Sprache beherrscht.“

Porträt Hanan Lischinsky

Zum einen ist der Masterstudiengang für mich die natürliche Fortsetzung meines Bachelors in den Islamwissenschaften, zum anderen gibt er mir als gebürtigem Israeli die Gelegenheit, tiefer in meine eigene Kultur und Geschichte einzutauchen.

Hanan Lischinsky, 26 Jahre

„Ich halte die Kombination von Islamwissenschaft und Jüdischen Studien für logisch und überzeugend“, erklärt Hanan Lischinsky, einer der ersten Studierenden der „Nahoststudien“, „denn um die Zusammenhänge und Wechselwirkungen im Nahen Osten zu verstehen, kann es nicht angehen, dass Israel als geographisches Zentrum dieser Region eine Leerstelle bleibt.“ Auch sein Kommilitone Michael Pfister ist dieser Auffassung: „Mit dem Erlernen des Hebräischen und mit den vergleichenden soziologischen und geschichtswissenschaftlichen Ansätzen, die uns hier vermittelt werden, bietet sich mir ein sehr viel breiterer und kompletterer Blick.“ Wie Hanan Lischinsky hat auch Michael Pfister im Bachelor Islamwissenschaft an der Universität Heidelberg studiert und sich nun für das Masterstudium der „Nahoststudien“ entschieden.

Samira Batke-AlSalaita

In meinem Bachelorstudium lag der Schwerpunkt auf der arabisch-islamischen Welt. Ich habe mich für das Masterstudium der Nahoststudien entschieden, weil es mich schon immer gereizt hat, den kompletten Raum des Vorderen Orients zu erforschen, ohne dabei einen Staat auszuklammern.

Samira Batke-AlSalaita, 28 Jahre

Eine weitere Studentin der neuen Master-Kombination ist Samira Batke-AlSalaita, die ihren Bachelor mit dem Schwerpunkt „Politik des Nahen und Mittleren Ostens“ an der Universität Marburg absolvierte. „Für mich steht zunächst im Vordergrund, Hebräisch zu erlernen, um mir neben dem arabischen und persischen auch diesen Sprachraum zu erschließen.“ Ein Auslandspraktikum in Tel Aviv soll ihren Erfahrungsschatz erweitern. „Mich reizt das Berufsfeld der interkulturellen Kommunikation, der Gedanke, an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Staaten zu arbeiten. Der Master bietet eine gute Grundlage, um mich beispielsweise später im Auswärtigen Amt zu bewerben“, so die 28-Jährige. Auch Michael Pfister ist überzeugt: „Der Studiengang eröffnet mir ganz neue Karriereoptionen, zum Beispiel in politischen Stiftungen, im Journalismus oder auch in Migrationsbehörden.“

Dass die Studierenden von dem neuen Angebot profitieren, davon sind Henning Sievert und Johannes Becke überzeugt. So erwerben sie nicht nur einen Abschluss von zwei international anerkannten Einrichtungen, sie können auch auf die Kontakte beider Institutionen in die Region zurückgreifen, beispielsweise zu den Orientinstituten in Beirut und Istanbul oder zur Ben-Gurion- und zur Hebräischen Universität in Israel. „Zudem erschließen sich durch die Kombination beider Fächer neue Forschungsfragen, die einmal für ein Promotionsprojekt spannend sein können“, so Sievert. In einigen Jahren, so sind sich die beiden Wissenschaftler sicher, werden sich die „Nahoststudien“ als fester Bestandteil der transdisziplinären Ausbildung an der Universität Heidelberg und der Hochschule für Jüdische Studien etabliert haben.

Unispiegel

Die Universitätszeitung für Mitglieder, Alumni und Freunde der Ruperto Carola sowie die interessierte Öffentlichkeit: Dreimal im Jahr erscheint der Unispiegel und informiert über Neuigkeiten aus Forschung, Studium und Campusleben.
Dieser Artikel ist im UNISPIEGEL 2/2019 erschienen.

Unispiegel

 

Unispiegel Cover 2/2019