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ForschungSaisonale Wasserressource am oberen Indus

Pressemitteilung Nr. 39/2021
28. April 2021

Heidelberger Geographen erstellen vollständiges Inventar der kaum erforschten Aufeis-Felder

Saisonal auftretende Vorkommen von sogenanntem Aufeis stellen eine wichtige Ressource für die Wasserversorgung der lokalen Bevölkerung im Einzugsgebiet des oberen Indus dar. Dennoch wurden sie bislang kaum erforscht. Im Rahmen einer Studie haben Geographen am Südasien-Institut der Universität Heidelberg nun die Verbreitung dieser Vorkommen untersucht und erstmals ein vollständiges Inventar dieser Aufeis-Felder erstellt. Die mehr als 3.700 Akkumulationen von geschichtetem Eis sind für diese Hochgebirgsräume zwischen Süd- und Zentralasien nicht zuletzt in hydrologischer und klimatologischer Hinsicht von Bedeutung.

In den trockenen Himalaya-Regionen Indiens und Pakistans spielt Schmelzwasser aus Schnee und Gletschern eine essentielle Rolle für die Bewässerung der dortigen Landwirtschaft und die Energiegewinnung mithilfe von Wasserkraft. Bisher wenig Beachtung fand in diesem Zusammenhang das Aufeis. Dabei handelt es sich um dünne Eisschichten, die durch sukzessives Gefrieren von Wasser entstehen und mehrere Meter mächtig werden können. Dieses Phänomen tritt saisonal auf, wenn Wasser an Quellhorizonten austritt oder entlang von Rinnsalen und Bächen im Zuge häufiger Frostwechsel gefriert und wieder auftaut. „Vereinzelt wird dieser Prozess durch das Errichten von Steinmauern gezielt verstärkt. Diese künstlich angelegten Reservoire werden in einigen Seitentälern des oberen Indus genutzt, um die saisonal auftretende Wasserknappheit im Frühjahr zu überbrücken. Das genaue Vorkommen, die Größe und die Anzahl der natürlich vorkommenden Aufeis-Felder war bislang jedoch unbekannt“, betont Prof. Dr. Marcus Nüsser vom Südasien-Institut der Ruperto Carola. 

Aufeis am oberen Indus

Die Heidelberger Geographinnen und Geographen haben nun ein Inventar dieser Felder für das gesamte obere Einzugsgebiet des Indus erstellt und in diesem Zusammenhang auch den Einfluss topographischer Parameter wie zum Beispiel die Höhenverteilung oder Hangneigung untersucht. Die Grundlage dafür bildeten mehrere Forschungsaufenthalte in der Region sowie die Auswertung von fast 8.300 Aufnahmen des Satelliten Landsat, die zwischen 2010 und 2020 entstanden sind. Damit konnten die Wissenschaftler das charakteristische saisonale Entstehen von Aufeis erfassen und die jährlich wiederkehrenden Eiskörper kartieren. Die über 3.700 Aufeis-Felder bedecken eine Gesamtfläche von annähernd 300 Quadratkilometern. Der Großteil dieser Eisvorkommen liegt im Trans-Himalaya von Ladakh und auf dem Tibetischen Plateau. Dagegen tauchen diese klima-hydrologischen Phänomene im westlichen Teil des oberen Indus-Gebiets fast gar nicht auf, wie Marcus Nüsser erläutert.

Die Untersuchung ist Teil eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts, das sich mit der Bedeutung von Aufeis und Eisreservoiren für die Bevölkerung und Landwirtschaft in der indischen Region Ladakh beschäftigt. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen der Frage nach, wie wirkungsvoll die unterschiedlichen Typen von Eisreservoiren sind und ob sie sich als effiziente saisonale Wasserspeicher eignen. „Im Zuge des Klimawandels verändert sich sowohl die Schmelzrate als auch der Zeitpunkt, an dem maximale Spitzen des Wasserabflusses auftreten. Damit ergeben sich zunehmende Unsicherheiten für die landwirtschaftliche Existenzsicherung“, betont Prof. Nüsser. „Unsere Erkenntnisse können dazu beitragen, dass geeignete Standorte für Eisreservoire gefunden werden, womit die Wasserverfügbarkeit für die lokale Landwirtschaft verbessert werden kann. Inwieweit die Aufeis-Körper auch als geeignete Indikatoren für den Klimawandel dienen können, soll nun untersucht werden.“

Veröffentlicht wurden die aktuellen Forschungsergebnisse in der Fachzeitschrift „Science of the Total Environment“.
 

Originalpublikation

D. Brombierstäudl, S. Schmidt, M. Nüsser (2021): Distribution and Relevance of Aufeis (Icing) in the Upper Indus Basin. Science of the Total Environment 780

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