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ForschungMit Geoinformatik die komplexe Veränderung eines Blockgletschers erfassen

4. April 2023

Heidelberger Forschungsteam untersucht mithilfe von Laserscanning und 3D-Drohnenaufnahmen ein Schutt-Eis-Gemisch in Tirol

Ein Blockgletscher in Tirol – ein hangabwärts fließendes Schutt-Eis-Gemisch mit einer Ausdehnung von mehr als 40 Hektar – wird im Zuge steigender Temperaturen instabil und bewegt sich zunehmend schneller Richtung Tal. An den Untersuchungen zum „Äußeren Hochebenkar“ im österreichischen Ötztal ist auch ein Forschungsteam der Universität Heidelberg beteiligt. Die Geoinformatikerinnen und Geoinformatiker unter der Leitung von Prof. Dr. Bernhard Höfle haben mittels terrestrischem Laserscanning und 3D-Drohnenaufnahmen Messdaten erhoben, die dazu beitragen, die komplexen Dynamiken dieser Permafrostform zu entschlüsseln. Mithilfe der von ihnen neu entwickelten Algorithmen können die Daten zu Bewegung und Destabilisierung präziser ausgewertet werden.

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    Österreichisches Ötztal
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Blockgletscher sind Permafrostformen, die kilometerlange und mächtige Schutt-Eisströme bilden können. Die einzelnen Blöcke des sich hangabwärts bewegenden Schutt-Eis-Gemisches können so groß wie ein Kleinwagen sein und die Bewegungsraten mehrere Zehnermeter pro Jahr betragen. Die Bewegung und Veränderung des Blockgletschers „Äußeres Hochebenkar“ in Tirol wird bereits seit den 1950er Jahren gemessen und beobachtet. Prof. Höfle führt mit seiner Forschungsgruppe „3D-Geodatenverarbeitung (3DGeo)“, die am Geographischen Institut der Universität Heidelberg angesiedelt ist, seit 2015 mithilfe von terrestrischem Laserscanning und 3D-Drohnenaufnahmen Messungen im vorderen Bereich des Blockgletschers durch. Dabei wird die Schutt-Block-Oberfläche im Zentimeterabstand abgetastet und dreidimensional digital aufgenommen. Durch Messungen in regelmäßigen Zeitabständen lassen sich detaillierte Veränderungen bestimmen. Sie können dabei helfen, die komplexe und noch nicht vollständig verstandene Dynamik dieser Permafrostform zu entschlüsseln.

Für ihre Untersuchungen haben die Geoinformatikerinnen und Geoinformatiker an der Universität Heidelberg neue Algorithmen entwickelt. Sie erlauben es, mehrere Bewegungsrichtungen und genauere Bewegungsraten aus diesen datenreichen 3D-Laserscanning-Punktwolken automatisch und korrekt abzuleiten. Dadurch wird es erstmals möglich, sich überlagernde Prozesse der Oberflächenänderung zu bestimmen und die Veränderungen potentiellen Ursachen zuzuordnen. „So können wir beispielsweise feststellen, ob es sich vor allem um eine Verlagerung von Material hangabwärts handelt, wie bei einer Rutschung, oder ob gleichzeitig ein Verlust von Eismaterial im Untergrund stattfindet“, erläutert Vivien Zahs, Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der 3DGeo-Forschungsgruppe.

Die von den Heidelberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstellten dreidimensionalen Änderungskarten sind Teil eines interdisziplinären Projekts. In Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Innsbruck (Österreich) und der Universität Zürich (Schweiz) wurden weitere Beobachtungen wie meteorologische Daten in die Analysen miteinbezogen. Sie beruhen auf einer Studie, die über einen Zeitraum von 70 Jahren für den gesamten Blockgletscher durchgeführt wurde. Die Untersuchungen zeigen, dass sich die Fließgeschwindigkeit des Blockgletschers „Äußeres Hochebenkar“ infolge steigender Temperaturen stark erhöht hat, wie Prof. Höfle erläutert. Der relativ junge und lokale Datensatz seiner Forschungsgruppe liefert dabei insbesondere neue Erkenntnisse im Hinblick auf das Verständnis der Prozesse, die an der Blockgletscherfront ablaufen. Dieses Wissen ist beispielsweise von Bedeutung für den Umgang mit der steigenden Steinschlaggefahr an einer wichtigen Versorgungsstraße für taleinwärts gelegene alpine Hütten.

Die neuen Algorithmen wurden in Zusammenarbeit mit dem Scientific Software Center der Universität Heidelberg in die Open-Source-Software „py4dgeo“ integriert. Dieses Tool zur Analyse geographischer Veränderungen steht allen Forscherinnen und Forschern weltweit frei zur Verfügung. Auch die 3D-Daten des Tiroler Blockgletschers werden fortlaufend als Open Data veröffentlicht. Dadurch wird es möglich, lokale Blockgletscherstudien und verschiedene Standorte in den Alpen zu vergleichen.

Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten aus der Kooperation zwischen den Universitäten in Heidelberg, Innsbruck und Zürich wurden in der Zeitschrift „Earth Surface Dynamics“ veröffentlicht.

Originalpublikation

L. Hartl, T. Zieher, M. Bremer, M. Stocker-Waldhuber, V. Zahs, B. Höfle, C. Klug, A. Cicoira: Multi-sensor monitoring and data integration reveal cyclical destabilization of the Äußeres Hochebenkar rock glacier. Earth Surface Dynamics, 11 (1), 117–147. (28 Feb 2023).