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ForschungJames Webb Space Telescope enthüllt Geheimnisse naher Galaxien

22. Februar 2023

Als Teil einer weltweiten Kollaboration untersuchen Heidelberger Forschungsgruppen den Einfluss junger Sterne auf die Galaxienentstehung

Astronomische Beobachtungen mit dem James Webb Space Telescope haben ein komplexes Netzwerk von Strukturen in nahen Galaxien enthüllt. Die Infrarot-Aufnahmen erlauben einen detaillierten Blick auf Sterne, Gas und Staub und damit auf die Sternentstehung und Galaxienentwicklung. An der Auswertung der Daten sind auch zwei Forschungsgruppen des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg maßgeblich beteiligt. Mit ihren Arbeiten sind sie Teil eines weltweiten Netzwerkes, das mehr als 100 Forscherinnen und Forscher umfasst. Die jüngsten Untersuchungen dieser sogenannten PHANGS-Kollaboration bilden die Grundlage für 21 neue wissenschaftliche Veröffentlichungen, die nun in der Fachzeitschrift „The Astrophysical Journal Letters“ erschienen sind. Sie ermöglichen unter anderem neue Antworten auf die Frage, welchen Einfluss junge Sterne auf die Entwicklung von Galaxien haben.

Galaxie: Spiralarme von NGC 7496

Die Heidelberger Forschungsgruppen sind eingebunden in die Kollaboration „Physics at High Angular resolution in Nearby Galaxies“ (PHANGS). Mit dem Hubble-Weltraumteleskop, dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array sowie dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte untersucht das PHANGS-Team bereits seit mehreren Jahren 19 Spiralgalaxien, um mehr über die dynamischen Vorgänge der Sternenstehung in Erfahrung zu bringen. Die frühesten Stadien im Lebenszyklus eines Sterns blieben bislang jedoch hinter Gas- und Staubwolken verborgen. Das hat sich mit dem James Webb Space Telescope (JWST) und seinen Fähigkeiten im Infrarotbereich geändert. Infrarote Strahlung durchdringt Staub und Gas und eröffnet damit neue Einblicke in die frühen Phasen der Sternentstehung.

Das PHANGS-Team beobachtete mit dem Webb-Teleskop bis jetzt fünf der 19 Galaxien. Dabei entdeckten die Forscherinnen und Forscher ein komplexes Netzwerk von Strukturen. Leuchtende Staubhöhlen und riesige hohle Gasblasen durchsetzen die Spiralarme. In einigen Regionen scheint dieses Netz aus einzelnen sowie aus überlappenden Schalen und Blasen aufgebaut zu sein, in denen junge Sterne ihre Energie freisetzen. Auch Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), die eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Sternen und Planeten spielen, konnten mithilfe des JWST nachgewiesen werden, wie Dr. Oleg Egorov erklärt. Er gehört zur Forschungsgruppe von Dr. Kathryn Kreckel, Nachwuchsgruppenleiterin am Astronomischen Rechen-Institut, das Teil des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) ist.

Innerhalb der PHANGS-Kollaboration leitet Dr. Kreckel die wissenschaftliche Arbeitsgruppe, die den Zusammenhang zwischen Gasionisation und Sternentstehung untersucht. Dort nutzt Dr. Egorov das Webb-Teleskop, um die Eigenschaften der Polyzyklischen Aromatischen Wasserstoffe zu untersuchen, was mit bodengebundenen Teleskopen allein nicht möglich gewesen wäre. Die Emission der PAKs dient dabei als Indikator für physikalische und chemische Prozesse im interstellaren Medium, in dem diese Moleküle allgegenwärtig sind. Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass PAKs in Regionen mit ionisiertem Wasserstoffgas weniger häufig vorkommen als in neutralen Zonen. Warum das so ist blieb lange unklar. „Unsere Messungen deuten darauf hin, dass die Häufigkeit, mit der PAKs auftreten, stark von der Intensität der ionisierenden ultravioletten Strahlung abhängt“, erklärt Dr. Egorov.

Eine einzelne, 30 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie hat Dr. Elizabeth Watkins untersucht. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen entdeckte sie mithilfe des Webb-Teleskops rund 1.700 Blasen oder Taschen aus heißem expandierenden Gas. Diese Blasen treiben dünne Schalen aus kälterem Gas und Staub vor sich her, die auf den astronomischen Aufnahmen als Löcher erscheinen. Die kleinsten von ihnen haben einen Durchmesser von rund 40 Lichtjahren, einige aber auch von bis zu 3.000 Lichtjahren. Sie werden von Ansammlungen junger Sterne erzeugt. „Das verrät uns etwas über die Voraussetzungen, unter denen sich Sterne überhaupt bilden können“, so die Nachwuchswissenschaftlerin, die ebenfalls dem Team von Dr. Kreckel angehört.

Auch die Forschungsgruppe von Dr. Mélanie Chevance nutzt die mit dem JWST gewonnenn Daten, um Sternentstehungsprozesse in Galaxien zu untersuchen. Jaeyeon Kim, Doktorandin in ihrer Gruppe, war zum ersten Mal in der Lage, die tief in einer fernen Galaxie eingebettete Sternentstehung zu untersuchen. Sie identifizierte dabei wichtige Umgebungseinflüsse, die für die Regulierung insbesondere der frühen Phase der Entstehung von Sternen verantwortlich sind. „Die Strahlung neu gebildeter Sterne wird vom umgebenden interstellaren Staub absorbiert und ist damit für uns unsichtbar“, so Jaeyeon Kim. Die einzige Möglichkeit, diese frühe Phase zu erkennen, besteht darin, die infrarote Strahlung des Staubs zu untersuchen, was nun mit dem Webb-Teleskop möglich ist. Die Forschungsgruppe von Dr. Chevance ist am Institut für Theoretische Astrophysik angesiedelt, das ebenfalls zum Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg gehört.

Originalveröffentlichungen

O. V. Egorov et al.: PHANGS-JWST First Results: Destruction of the PAH Molecules in H II Regions Probed by JWST and MUSE. The Astrophysical Journal Letters, Volume 944, Number 2 (16 February 2023).

J. Kim et al.: PHANGS-JWST First Results: Duration of the Early Phase of Massive Star Formation in NGC 628. The Astrophysical Journal Letters, Volume 944, Number 2 (16 February 2023).

E. J. Watkins et al.: PHANGS-JWST First Results: A Statistical View on Bubble Evolution in NGC 628. The Astrophysical Journal Letters, Volume 944, Number 2 (16 February 2023).