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ForschungsförderungERC Advanced Grants für zwei Heidelberger Wissenschaftler

Pressemitteilung Nr. 38/2021
22. April 2021

Europäischer Forschungsrat fördert Vorhaben in der Mathematik und Molekularbiologie

Die Mathematikerin Prof. Dr. Anna Wienhard und der Molekularbiologe Prof. Dr. Henrik Kaessmann erhalten einen ERC Advanced Grant, eine renommierte Förderung des Europäischen Forschungsrates (ERC) für herausragende Wissenschaftler. Für ihr Projekt zu Symmetrien in der Mathematik stellt der Europäische Forschungsrat Prof. Wienhard, die am Mathematischen Institut der Ruperto Carola lehrt und forscht, Fördermittel in Höhe von rund zwei Millionen Euro zur Verfügung. Prof. Kaessmann vom Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) erhält rund 2,5 Millionen Euro für ein Forschungsvorhaben zur Evolution des Gehirns von Wirbeltieren. Die Grants laufen jeweils über einen Zeitraum von fünf Jahren.

Die Forschung von Prof. Wienhard wird bereits zum zweiten Mal vom Europäischen Forschungsrat gefördert. 2014 erhielt sie einen ERC Consolidator Grant für ihre Arbeiten zu Symmetrien und Deformationsräumen geometrischer Strukturen. Im Mittelpunkt des aktuellen, darauf aufbauenden Forschungsvorhabens „PosLieRep – Positivity in Lie Groups and Representation Varieties“ stehen sogenannte Lie-Gruppen, die auf vielen Gebieten der Mathematik eine zentrale Rolle spielen und ein wichtiges Werkzeug der theoretischen Physik sind. Lie-Gruppen beschreiben die Symmetrien eines Raumes oder eines Systems. Eine wichtige Struktur in Lie-Gruppen ist die totale Positivität, die um 1930 im Zusammenhang mit Vibrationen mechanischer Systeme entwickelt wurde. Sie hat zahlreiche Anwendungen in der diskreten Mathematik, in der Theorie der stochastischen Prozesse und in der Darstellungstheorie. Im Rahmen des PosLieRep-Projekts sollen von Prof. Wienhard entdeckte neue Positivitäts-Strukturen, die die totale Positivität in Lie-Gruppen verallgemeinern, untersucht werden. „Wir erhoffen uns davon insbesondere neue Erkenntnisse zur Theorie der höheren Teichmüller-Räume. Gleichzeitig eröffnet dieses Forschungsfeld interessante neue Perspektiven auf weitere Gebiete, zum Beispiel auf supersymmetrische Feldtheorien in der Physik“, erläutert die Wissenschaftlerin.

Anna Wienhard studierte Theologie und Mathematik an der Universität Bonn und wurde dort im Jahr 2004 in der Mathematik promoviert. Es folgten verschiedene Forschungsaufenthalte in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten, darunter an der Princeton University, an der sie von 2007 an als Assistant Professor tätig war. Im Jahr 2012 nahm Anna Wienhard einen Ruf an die Universität Heidelberg an. Am Mathematischen Institut leitet sie neben der Arbeitsgruppe Differentialgeometrie auch die Forschungsstelle Geometrie und Dynamik. Darüber hinaus ist sie Co-Sprecherin des Exzellenzclusters STRUCTURES und Mitglied des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen. Seit 2015 forscht sie zugleich als Gruppenleiterin am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS). Für ihre Forschungsarbeiten hat Prof. Wienhard verschiedene Auszeichnungen und Förderungen erhalten.

Prof. Dr. Anna Wienhard

In dem mit einem ERC Advanced Grant geförderten Projekt „VerteBrain – The Ancestral Vertebrate Brain and its Cellular Diversification During Evolution“ beschäftigt sich Prof. Kaessmann mit den evolutionären Ursprüngen des Wirbeltiergehirns. Seine Forschung wird zum dritten Mal vom Europäischen Forschungsrat ausgezeichnet. Im Mittelpunkt der beiden Vorgängerprojekte standen die Evolution der Genaktivität adulter Säugetierorgane sowie die genetische Steuerung der Organentwicklung bei Säugetieren. „Nun werden wir der grundlegenden Frage nachgehen, wie das Gehirn von Wirbeltieren und dessen Strukturen ursprünglich entstanden sind“, sagt der Wissenschaftler. Zur Rekonstruktion der zellulären Zusammensetzung und der zugrundeliegenden genetischen Programme dieses sogenannten „Urgehirns“, das vor etwa 600 Millionen Jahren in gemeinsamen Vorfahren existierte, werden moderne genomische Einzelzell-Technologien zum Einsatz kommen. Gleichzeitig wollen Prof. Kaessmann und sein Team die strukturelle und funktionale Diversifizierung des Gehirns während der nachfolgenden Evolution bis in die Gegenwart in allen großen Wirbeltierlinien nachzeichnen. „Wir erhoffen uns dadurch unter anderem, den Ursprung des Neocortex zu verstehen, der letztlich dem Menschen die Entwicklung von besonders komplexen kognitiven Fähigkeiten ermöglichte“, so der Heidelberger Wissenschaftler.

Henrik Kaessmann studierte Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Universität Uppsala in Schweden. Promoviert wurde er im Jahr 2001 an der Universität Leipzig mit einer Dissertation auf dem Gebiet der Evolutionsanthropologie. Es folgten Auslandsaufenthalte an der Universität Chicago (USA) sowie der Universität Lausanne (Schweiz), an der er von 2003 an zunächst als Assistenzprofessor und anschließend als ordentlicher Professor tätig war. 2015 folgte Henrik Kaessmann einem Ruf an die Universität Heidelberg. Am Zentrum für Molekulare Biologie leitet er die Forschungsgruppe Evolutionäre Genomik. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Molekularbiologie ist Prof. Kaessmann mit verschiedenen Preisen und Förderungen ausgezeichnet worden.

Prof. Dr. Henrik Kaessmann

Der ERC Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates wendet sich an herausragende, bereits etablierte Forscherinnen und Forscher, die im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit bahnbrechende und im positiven Sinn risikobehaftete Forschungsvorhaben umsetzen möchten. Die Förderdauer beträgt fünf Jahre.