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ForschungAmbitionierter Klimaschutz zahlt sich aus

14. Juli 2020

Neue Studie bestätigt, dass UN-Klimaziele ökonomisch sinnvoll sind

Klimaschutz kostet Geld – aber Klimaschäden verursachen ebenso finanzielle Belastungen, insbesondere für nachfolgende Generationen. Wieviel Schutz des Klimas ist also wirtschaftlich gesehen sinnvoll? Um dies herauszufinden, hat ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung eine frühere Computersimulation mit aktuellen Daten und Erkenntnissen aus Klima- und Wirtschaftswissenschaften gespeist. Die Forschungsarbeiten unter Beteiligung von Umweltökonomen der Universität Heidelberg haben gezeigt, dass die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad – wie auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris festgelegt – ein wirtschaftlich optimales Gleichgewicht zwischen künftigen Klimaschäden und den heutigen Kosten für den Klimaschutz herstellt. Das würde einen CO2-Preis von mehr als 100 US-Dollar pro Tonne erfordern.

Im Jahr 2018 erhielt Prof. Dr. William Nordhaus von der Universität Yale (USA) den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, mit dem er für die Integration des Klimawandels in die langfristige makroökonomische Analyse ausgezeichnet wurde. Konkret gelang dies dem amerikanischen Wissenschaftler mithilfe einer Computersimulation, dem „Dynamic Integrated Climate-Economy Model“. Das DICE-Modell wurde nun auf der Basis neuer Forschungsergebnisse aus der Klimawissenschaft und der Wirtschaftsanalyse aktualisiert. Dies umfasst unter anderem ein verbessertes Kohlenstoffkreislaufmodell, eine neue Gewichtung des Temperaturmodells und eine angepasste Schadensfunktion, die beurteilt, wie stark sich künftige Klimaveränderungen auf die Weltwirtschaft auswirken werden. Normative Annahmen des rekalibrierten DICE-Modells betreffen konkret die Frage, wie eine gerechte Verteilung von Wohlstand zwischen heutigen und zukünftigen Generationen unter Berücksichtigung des Klimawandels gestaltet werden sollte. Die Aktualisierung der sogenannten sozialen Diskontrate basiert auf einer breiten Palette von Expertenempfehlungen zur Generationengerechtigkeit. Weitere Ergänzungen beziehen sich zum Beispiel auf Technologien zu negativen Emissionen, mit denen CO2 aus der Atmosphäre zurückgeholt werden kann, oder die erreichbare Geschwindigkeit bei der Abkehr von einer kohlenstoffbasierten Wirtschaft.

Die soziale Diskontrate spielt eine entscheidende Rolle im aktualisierten DICE-Modell. Das ökonomische Konzept gibt an, wie wir das Wohlergehen unserer Kinder und Enkelkinder im Vergleich zu unserem Wohlergehen bewerten. Die Klimaauswirkungen derzeitiger Emissionen haben langfristige Folgen. Um sie angemessen bewerten zu können, müssen unterschiedliche Ansichten darüber berücksichtigt werden, wie sich ein Ausgleich zwischen den Interessen heutiger und zukünftiger Generationen schaffen lässt. Erstmals enthält die Studie eine repräsentative Auswahl an Empfehlungen von mehr als 170 Expertinnen und Experten. Danach ist das Zwei-Grad-Ziel nach den von der Mehrheit der Fachleute vorgeschlagenen sozialen Diskontraten ökonomisch optimal. In diesem Zusammenhang hat Dr. Frikk Nesje vom Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg untersucht, wie am besten zwischen verschiedenen Expertenmeinungen über die soziale Diskontrate für politische Zwecke vermittelt werden kann.

Die Änderungen am Modell, insbesondere die Neubewertung der sozialen Diskontrate zugunsten des Wohlergehens künftiger Generationen, haben auch Auswirkungen auf den Preis für CO2. Während das Standard-DICE-Modell von William Nordhaus knapp 40 US-Dollar pro Tonne CO2 im Jahr 2020 ergibt, errechnet das vollständig rekalibrierte Modell der internationalen Forschergruppe einen CO2-Preis von über 100 US-Dollar. Er wäre – mit wenigen Ausnahmen – somit höher als das, was in den meisten Wirtschaftssektoren selbst in den ehrgeizigsten Regionen der Welt umgesetzt wird, wie Dr. Nesje betont. Ein CO2-Preis von mehr als 100 US-Dollar wäre beispielsweise dreimal höher als der Emmissionspreis der Europäischen Union. Die Studie fordert damit mehr Ehrgeiz in der Klimapolitik, um zu vermeiden, dass kommenden Generationen eine ungerechtfertigt hohe Last der Klimaauswirkungen hinterlassen wird.

An der Studie „Climate Economics Support for the UN Climate Targets“ waren neben Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der Universität Heidelberg auch Forscher der Universität Hamburg, der Universität Göteborg und der Chalmers University of Technology in Göteborg (Schweden) sowie der London School of Economics and Political Sciene und der University of York (Großbritannien) beteiligt. Die Ergebnisse wurden in „Nature Climate Change“ veröffentlicht.

Originalpublikation

M.C. Hänsel, M.A. Drupp, D.J.A. Johansson, F. Nesje, C. Azar, M.C. Freeman, B. Groom, T. Sterner: Climate Economics Support for the UN Climate Targets. Nature Climate Change (published online 13 July 2020).