icon-symbol-logout-darkest-grey

ForschungAkademie-Projekt: Hinduistische Tempellegenden in Südindien

27. Juli 2022

Forschungsvorhaben unter der Leitung der SAI-Wissenschaftlerin Ute Hüsken will zentrale Überlieferungen hinduistischer Religiosität erschließen

Mit ihrem großangelegten Forschungsprojekt „Hinduistische Tempellegenden in Südindien“ ist Prof. Dr. Ute Hüsken, Wissenschaftlerin am Südasien-Institut (SAI) der Universität Heidelberg, in das von Bund und Ländern geförderte Akademienprogramm aufgenommen worden. Im Mittelpunkt des Projekts stehen mythologische Erzählungen, die sich um die südindische Tempelstadt Kanchipuram ranken und seit Jahrhunderten in verschiedenen Formen überliefert werden. Die Texte dieser Tempellegenden sollen in Form digitaler Editionen erschlossen werden. Das Forschungsvorhaben ist an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften angesiedelt; eine Forschungsstelle wird in Pondicherry (Indien) eingerichtet. Die Arbeiten beginnen zum 1. August 2022, sie sind mit einer jährlichen Fördersumme von 400.000 Euro auf eine Gesamtlaufzeit von 16 Jahren ausgelegt.

Säulen mit Reliefs von Szenen aus der Tempellegende des Varadaraja-Tempels, Kanchipuram.

Die im heutigen Bundesstaat Tamil Nadu gelegene Tempelstadt Kanchipuram ist eine der ältesten Städte Südindiens und gehört zu den sieben heiligen Stätten des Hinduismus. Ihre Bedeutung für hinduistische Religiosität wird in einer Vielfalt von mythologischen Erzählungen begründet. Seit dem 13. und 14. Jahrhundert werden sie als schriftliche Texte überliefert. Ihren Niederschlag finden sie aber auch in den Tempelarchitekturen, in der Ikonographie, in Inschriften, in der materiellen Kultur, den Ritualen und den mündlichen Überlieferungen der Stadt. Auch für die heute gelebten hinduistischen Traditionen sind diese Erzählungen von zentraler Bedeutung, wie Prof. Hüsken betont.

Das Team um Prof. Hüsken besteht aus sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Drei Mitarbeiter in Heidelberg arbeiten eng mit drei indischen Kollegen zusammen, die an der École Française d’Extrême-Orient in Pondicherry (Indien) angesiedelt sind. Gemeinsam werden die beiden Gruppen in diesem Forschungsvorhaben die unterschiedlichen Überlieferungsformen umfassend aufspüren, digital erfassen und in einer Datenbank zusammenführen. „Damit wollen wir ein neues Verständnis dieses wichtigen kulturellen Erbes sowohl in seiner historischen Bedeutung als auch in seiner gelebten Praxis schaffen“, so die Südasienforscherin, die am SAI die Abteilung Kultur- und Religionsgeschichte Südasiens leitet.

Die Götter nähern sich Shiva (Holzschnitt aus einem Tamil-Druck, 1900)

Grundlage der Datenbank werden die digitalen Editionen jener Tempellegenden bilden, die als Palmblattmanuskripte und alte Drucke in der Gelehrtensprache Sanskrit und der Lokalsprache Tamil in südindischen Bibliotheken aufbewahrt werden. Das Team um Prof. Hüsken wird diese Texte systematisch erfassen, in digitaler Form aufarbeiten und ins Englische übertragen. Zusammen mit einer Dokumentation der jeweiligen Tempelarchitektur und Ikonographie sowie der damit verbundenen Rituale und mündlichen Überlieferungen sollen sie in der – öffentlich zugänglichen – Datenbank abrufbar sein. Prof. Hüsken: „Unser Ziel ist es, diese wichtigen Formen des hinduistischen Kulturerbes zu bewahren und gleichzeitig neue Formen des analytischen Zugangs zu ermöglichen.“

Ute Hüsken studierte Indologie, Tibetologie, Birmanistik, Soziologie und Ethnologie an der Universität Göttingen, an der sie 1996 mit einer Arbeit zum buddhistischen Ordensrecht promoviert wurde. 2003 habilitierte sie sich an der Universität Heidelberg mit einer Arbeit zu hinduistischen Ritualen. Nach Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Hochschulassistentin an der Universität Göttingen forschte sie von 2003 bis 2008 zunächst als Projektmitarbeiterin, dann als Projektleiterin am Sonderforschungsbereich 619 „Ritualdynamik“ der Universität Heidelberg. 2007 übernahm die Wissenschaftlerin eine Professur am Department of Culture Studies and Oriental Languages der Universität Oslo (Norwegen). Im Jahr 2017 kehrte Ute Hüsken als Professorin am Südasien-Institut an die Ruperto Carola zurück. Ihre Forschungsgebiete umfassen Buddhismus, Hinduismus, Ritualstudien, das Studium von Festivitäten sowie Gender-Studien.

Das von Bund und Ländern finanzierte gemeinsame Forschungsprogramm der deutschen Wissenschaftsakademien – das Akademienprogramm – dient der Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung weltweiter kultureller Überlieferungen. Es ist derzeit das größte Langzeitforschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland für geistes- und sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung. Mit einem Gesamtvolumen von rund 72,9 Millionen Euro wird es von der Akademienunion koordiniert und umfasst aktuell insgesamt 128 Vorhaben mit 188 Arbeitsstellen.
 

Palmblatt-Handschrift mit dem Text einer Tempellegende.