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Das lachende Kind verweist auf zeitloses Familienglück, der Standort seines Bettchens hingegen verdeutlicht die beengte Wohnsituation im Heidelberg der Nachkriegszeit. Zwar waren nur 0,5 Prozent des Gebäudebestandes zerstört worden, doch der Wohnraum vergrößerte sich bis 1948 nicht, weil Baumaterial fehlte. Er verringerte sich sogar, da die Amerikaner mehr als 1.000 größere Wohnungen (vier Prozent) beschlagnahmt hatten. In diesen Fällen musste die gesamte Einrichtung im Haus verbleiben, nur Lebensmittel und Kleidung durften mitgenommen werden. Die Aufnahmebereitschaft war daher bald erschöpft. Bereits am 12. Juli 1945 beschloss der Stadtrat eine Zuzugssperre für Auswärtige. Bei Zuwiderhandlung sollten die Lebensmittelkarten entzogen werden. Nach den Fliegergeschädigten und den US-amerikanischen Besatzungsarmeen kam ab 1946 mit den „Ostflüchtlingen“ eine neue große Gruppe von Menschen hinzu, die schnellstmöglich untergebracht werden mussten. Im Dezember 1945 kündigte der Flüchtlingskommissar in Karlsruhe die Zuweisung von 15.000 Menschen aus den sowjetisch besetzten Gebieten des ehemaligen Deutschen Reiches und aus Ostmitteleuropa an. Die Stadtverwaltung protestierte erfolglos. In den Sommermonaten 1946 kamen alle acht bis zehn Tage Züge mit je 1.000 Menschen an. Im Auffanglager in der Wilckensschule wurden sie nach einer Quarantäne untersucht, registriert und vom Arbeitsamt erfasst. Nach Monaten unter katastrophalen hygienischen Bedingungen in Gaststätten und anderen Sammellagern wies sie das Wohnungsamt in Privatwohnungen ein – ohne Zustimmung der bereits dort lebenden Menschen.

Auf dem Foto sieht man zwei Heidelbergerinnen, die bei einem Metzger Wurstwaren kaufen. Dieser trennt die dafür benötigten Lebensmittelmarken ab. Die Bevölkerung musste nach Kriegsende weiterhin Marken vorweisen, um bestimmte Lebensmittel kaufen zu dürfen. Die Militärregierung hatte dazu neue Lebensmittelkarten eingeführt. An US-amerikanische Soldaten durften in deutschen Geschäften keine Lebensmittel abgegeben werden. Die Region Heidelberg war auf Fleischimporte aus Überschussregionen – beispielsweise dem Landkreis Eppingen – angewiesen, da sie nur ein Drittel ihres Bedarfs selbst decken konnte. Ab April 1945 konnten Berufsfischer Lizenzen für den Fischfang auf dem Neckar beantragen, es wurde mit 10–15 Interessenten gerechnet. Im selben Monat bot die Militärregierung an, die täglich im DP-Camp der Grenadierkaserne anfallenden großen Mengen an Lebensmittelabfällen unentgeltlich für die Schweinemast zur Verfügung zu stellen. Am 2. Mai waren in Heidelberg insgesamt ungefähr 100.000 Personen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Aufgrund des Kohlemangels mussten Metzgereien und Schlachthöfe täglich Eis von der Stadt erhalten, und Bäckereien sollten im Juni 1945 zusammengelegt werden, um nur noch an einem Standort zu backen und an den restlichen lediglich zu verkaufen. Neben dem regulären Markt blühte auch der illegale Tauschund Schwarzhandel ohne Lebensmittelmarken, an dem sowohl Einheimische als auch US-Soldaten und DPs beteiligt waren.

Das Bild zeigt eine Menschenschlange vor der Tabakausgabe im Landfriedhaus im Stadtteil Bergheim. Eigentlich durfte die Heidelberger Tabakfabrik J. P. Landfried Tabak auf Anordnung der Militärregierung ausschließlich an US-Amerikaner abgeben. Dennoch versuchten immer wieder ehemalige Wehrmachtssoldaten hier Tabak zu erwerben. Nachdem zwei amputierte Kriegsheimkehrer illegalerweise mehrere Päckchen Tabak geschenkt bekommen hatten, verselbständigte sich das Phänomen. Immer mehr entlassene deutsche Kriegsgefangene machten sich in der Folgezeit auf den Weg nach Heidelberg, um von der Tabakfabrik Rauchwaren zu erhalten. Gerüchten zufolge erhielt jeder entlassene Wehrmachtssoldat je zwei Päckchen Feinschnitt und Pfeifentabak. Nach den Schilderungen des Heidelberger Autors Werner Pieper wurden insgesamt 600.000 Päckchen Tabak auf diese Weise verteilt. Bei vier Päckchen pro Mann würde das bedeuten, dass in Summe 150.000 ehemalige deutsche Wehrmachtssoldaten nach ihrer Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft – entgegen der Anweisung der Militärregierung – in Heidelberg mit Tabak versorgt wurden. Tabak war eines der wichtigsten Güter für den illegalen Tauschund Schwarzhandel, sodass nicht nur Raucherinnen und Raucher an Tabak interessiert waren.

