Besatzung 2 von 3

Endlich war die schreckliche Zeit zu Ende. Einen Augenblick vergaßen wir die millionenfachen Greuel, die in dem vergangenen Jahrzehnt in unser aller Namen verübt worden waren.

Alexander Mitscherlich, Mediziner und Schriftsteller

Vom Einmarsch der US-Amerikaner in Heidelberg bis zum Kriegsende mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai vergingen fast sechs Wochen, in denen nicht nur in weiten Teilen Deutschlands noch gekämpft wurde, sondern auch in den bereits besetzen Gebieten der Kriegszustand andauerte. Dementsprechend folgte die US-amerikanische Besatzungspolitik in der ersten Phase militärischer Logik und konzentrierte sich ganz auf die Sicherheit der eigenen Truppen. Dies bedeutete: Entwaffnung und Gefangennahme deutscher Soldaten, Kontrolle der Zivilbevölkerung inklusive Wohnungsdurchsuchungen und Verpflichtung zur Abgabe von Waffen, Einschränkung des Fahrzeugverkehrs und strenge Ausgangssperren sowie die Schließung der meisten öffentlichen Einrichtungen. Handlungsleitend war anfangs auch die Sorge vor Sabotageakten und Guerillataktiken seitens der sogenannten Werwolf- Gruppen – Partisaneneinheiten, die von der SS-Führung seit dem Jahresende 1944 aufgebaut worden waren, um gegen die alliierten Besatzer und deutsche Kollaborateure zu kämpfen. In Heidelberg war vom Werwolf allerdings nichts zu sehen; mutmaßliches letztes Kriegsopfer war Mitte April ein aus der Gefangenschaft geflohener 18-jähriger Soldat, der in Handschuhsheim von einer Militärpatrouille erschossen wurde.

Auch wenn in den ersten Tagen die militärischen Belange ganz im Vordergrund standen und noch offen war, welchen politischen Zwecken die Besatzungsherrschaft dienen würde, war den meisten Heidelbergerinnen und Heidelbergern klar, dass sie eine Zeitenwende erlebten. Diese wurde zunächst darin sichtbar, dass neben dem deutschen Militär auch die bisherigen politischen Machthaber umgehend ausgeschaltet wurden: „the removal of all active Nazis und ardent sympathizers“ war eines der Leitprinzipien, das im „Handbook for Military Government“ formuliert war. Über die weiteren Ziele und Maßnahmen der Besatzungspolitik wurde in den folgenden Wochen und Monaten auf verschiedenen Ebenen beraten: als höchster auf der interalliierten Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August. Die Handlungsspielräume der lokalen Militärregierung, die im Heidelberger Rathaus Quartier bezog und im Juli ein erstes Mal personell umbesetzt wurde, waren begrenzt durch die bald gebildete Landesmilitärregierung und ihre Spezialeinheiten sowie durch Interventionen des militärischen Nachrichtendienstes (Counter Intelligence Corps).

Historisches Foto: Uniformierte auf dem Heidelberger Marktplatz