Studium Generale – Digital PROBLEMATISCHE PROGNOSEN: RELIGION IM SÄKULAREN ZEITALTER

Prof. Dr. Hans Joas, Humboldt-Universität zu Berlin, Theologische Fakultät

18. Mai 2020

Die lange Zeit weitverbreitete Annahme, dass Modernisierung im Sinne von Wirtschaftswachstum und wissenschaftlich-technischem Fortschritt zwangsläufig zu Säkularisierung im Sinne einer Schwächung von Religion führe, hat in den letzten Jahren stark an Plausibilität verloren. Daraus ergeben sich die drei Fragestellungen dieses Vortrags. Erstens: Wenn Modernisierung als solche nicht die Erklärung für Säkularisierung ist, Fälle von Schwächung der Religion aber nicht zu leugnen sind, brauchen wir eine andere Erklärung für diese. Zweitens: Wenn Modernisierung und Säkularisierung kein unauflösliches Gespann bilden, gerät auch die verbreitete Deutung der Vorgeschichte moderner Säkularisierung ins Wanken, nämlich die auf Max Weber zurückgehende Geschichte von einem jahrtausendelangen Prozess der Entzauberung. Dabei ist die Kritik an der Entzauberungskonzeption deutlich zu unterscheiden von der an der Säkularisierungstheorie. Drittens: Wenn wir die Fehlerhaftigkeit der Prognosen, die sich aus der Säkularisierungsthese und der Entzauberungserzählung ergeben, ernsthaft durchdenken, stoßen wir auf sehr grundsätzliche Fragen, was solche geschichtlichen Tendenzbehauptungen generell angeht. Diese haben oft prophetische Züge. Aber es gibt echte und falsche Propheten. Unser Reden über die Zukunft ist immer Teil gegenwärtiger Kämpfe um diese. Auch diesem Zusammenhang sind einige Gedanken zu widmen.

Pressemitteilung

Hans Joas

Hans Joas wurde im Jahr 1979 an der Freien Universität Berlin promoviert; zwei Jahre später folgte die Habilitation. Nach Lehr- und Forschungstätigkeiten als Professor für Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und der Freien Universität Berlin wirkte er von 2002 bis 2011 als Max-Weber-Professor an der Universität Erfurt. Dort leitete er auch das Max-Weber-Kolleg. Hans Joas ist Gastprofessor an der University of Chicago (USA) und seit 2014 Inhaber der Ernst Troeltsch-Honorarprofessur für Religionssoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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