Entnazifizierung 3 von 3
Zu Beginn des Monats sind die Sympathien für Amerikaner sehr gesunken. Man wirft uns allgemeines Desinteresse und Trägheit vor. (…) Wir profitieren allerdings auch davon, dass das Image der Russen drastisch gefallen ist.
US-Amerikanischer Stimmungsbericht
Die dezentrale Neuorganisation der deutschen Polizei vollzog sich im Spannungsfeld zwischen den Zielen der Entmilitarisierung und der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung. Bereits zwei Wochen nach der Einnahme der Stadt forderte Stadtkommandant Haskell von Oberbürgermeister Amberger die Bereitstellung von 200 deutschen Polizisten. Diese sollten – offenbar unbewaffnet – an plünderungsgefährdeten Orten Wache halten und so die amerikanischen Soldaten entlasten. Helmut Hillengass baute in raschem Tempo eine städtische Polizei auf. Sie trat an die Stelle der alten badischen Landespolizeidirektion und erhielt neue, zweisprachige Dienstausweise. Bereits am 27. Juli konnte der 1933 von den Nationalsozialisten entlassene Regierungsrat und neue Heidelberger Polizeidirektor eine Zwischenbilanz vorlegen: Er hatte 341 Personen eingestellt, darunter 220 Verkehrs- und Ordnungspolizisten und 15 Kriminalpolizisten. „Nur ein Viertel“ waren „altgediente Leute“, drei Viertel dagegen unterschiedlich geeignete „Neulinge“. Eine große Herausforderung stellten Ausrüstung und Bekleidung dar: So tragen die drei Polizisten auf dem Foto unterschiedliche Uniformen. Am 6. November 1945 beschloss der Alliierte Kontrollrat die Wiederbewaffnung mit „Feuerwaffen nichtdeutscher Herkunft“. Eine deutsche Waffenproduktion blieb verboten. Die Bewaffnung der Polizei war ein Vertrauensbeweis der Besatzer und ein Zugewinn deutscher Machtbefugnisse, bedeutete aber auch eine große Mehrbelastung für die städtischen Haushalte.
Das Foto belegt nicht nur die Rohstoffknappheit, sondern auch die Informationskontrolle durch die Besatzungsmacht. Mit dem SPD-Mitglied und Gewerkschafter Adolf Rausch zeigt es auch eine zentrale kommunalpolitische Figur der Nachkriegszeit. Bereits am Vorabend der Kapitulation hatte Oberbürgermeister Amberger auf Anweisung der Militärregierung einen zwölfköpfigen, zunächst bloß beratenden „Stadtrat“ einberufen. Rausch hatte eine doppelte Legitimation für seine Mitgliedschaft. Er gehörte zu den sechs erfahrenen Stadträten aus der Weimarer Zeit und war durch Entlassung, Gestapoüberwachung und KZ-Haft ein Verfolgter des NS-Regimes. Mit der am 11. November 1945 erhaltenen Lizenz gründete er den „Adolf Rausch Verlag“, in dem er eine Abhandlung des Widerstandskämpfers Emil Henk zum Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 veröffentlichte. Rausch gehörte ab 1946 auch dem ersten gewählten Gemeinderat an und engagierte sich seit 1954 als Bürgermeister für die sozialen Belange in der Stadt.

Die lächelnde Dame lässt die Szene entweder als gestellt oder als harmlose Routine erscheinen. Zu Beginn der Besatzungszeit war die Stimmung anders. Damals befürchteten die US-Amerikaner Aktivitäten der nationalsozialistischen Untergrundorganisation Werwolf. Stadtkommandant Haskell forderte deshalb die Heidelberger Bevölkerung auf, ihre Waffen bis zum 5. April mittags bei den Polizeirevieren abzugeben. Zur Abschreckung verurteilte das Militärgericht einen Heidelberger wegen „unerlaubten Besitzes zweier Pistolen“ zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von kaum vorstellbaren 50.000 Reichsmark. Die fotografierte Szene spielte sich auf einem Gleis des alten Heidelberger Hauptbahnhofs ab (heute steht an dieser Stelle das Carré). Das Bahnhofsgebäude und die Gleisanlagen waren kaum beschädigt, so dass die US-Amerikaner den Bahnhof bereits nach wenigen Wochen für ihre eigene Material- und Lebensmittelversorgung nutzten. Ab Mitte Juli durfte auch die deutsche Zivilbevölkerung den Bahnhof wieder betreten. Aufgrund von Sicherheitsbedenken und Kohlenmangel wurde der Personenverkehr jedoch nur schrittweise wieder aufgenommen.



