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Gustav Werner. Leben - Wirken - Theologie

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Kerngedanken des Vortrages von Dr. Walter Göggelmann

 

 

 

 

 

 

„Im Folgenden soll Gustav Werner, über theologische und soziologische Wurzeln hinaus, nach der Mitte seiner Theologie und seiner Diakonie befragt werden, sodass die Unterschiede zu anderen Diakoniegründern des 19. Jahrhunderts deutlich werden.

 

Theologischer Grund und diakonischer Handlungsimpuls Gustav Werners ist das tätige „Warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach Gottes Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnt“ (2. Petrus 3,13).

 

Dieses durchgängige Grundmotiv wird entfaltet in drei größeren Abschnitten:
 

 

1) Dieses „Warten“ gibt alle Entscheidungen dieser diakonischen Biografie vor von den ersten gemeindediakonischen Versuchen nach den Mustern Jean Frédéric Oberlins (1760-1828), des Pfarrers aus dem Steintal im Elsass, über die Gründung des „Hauses Werner“ in Reutlingen als „Anstalt“ und die Gründung der „Hausgenossenschaft“ als diakonischer Gemeinschaft über die Gründung von „christlichen Fabriken“ bis hin zu Friedensinitiativen im Krieg gegen Frankreich 1870/71 und der Überführung aller diakonischen Initiativen in die „Gustav-Werner-Stiftung zum Bruderhaus“ (1881/82)

 

 

2) „Dass dem Reich Gottes Bahn gebrochen und eine Stätte bereitet und die Gesetze desselben in das Gesamtleben der Menschheit eingeführt werden…“ – diese Hoffnung will gesellschaftliche Wirklichkeit werden durch diakonisches Handeln an bedürftigen Menschen. Jetzt und hier ist die Zeit und der Ort, dass Liebe, Gerechtigkeit und Haushalterschaft, die aus Gott selbst kommenden „Tugenden“, menschliches Handeln auf allen Lebensgebieten als Maßstäbe bestimmen und dass so ein Lebensgebiet nach dem anderen in die Herrschaft Gottes in Gerechtigkeit hereingeholt wird. Das ist für Gustav Werner Zeitansage und Handlungsimpuls zugleich.

 

 

3) Diese Hoffnung soll in Gustav Werners „Bruderhaus“ auf vier Lebensgebieten im Modell diakonische Realität werden: Ein „Rettungshaus“, das der Not im Königreich Württemberg nachgeht und das über die Reutlinger „Mutteranstalt“ hinaus durch 31 „Tochteranstalten“ im Schwarzwald und im Schwäbischen Wald ergänzt wird, bietet heimatlosen und bedürftigen Menschen, darunter vielen Kindern, Heimat und Arbeit. Bildung und Ausbildung sind als wichtige Elemente der Diakonie erkannt, um Menschen Perspektiven zu schaffen. Das „Haus Werner“ wird von einer eigens dazu gegründeten diakonischen Gemeinschaft von Männern und Frauen, der „Hausgenossenschaft“, personell getragen. Ein von Frankfurt a. M. bis nach Zürich reichender Freundeskreis, den Gustav Werner durch Reisepredigt und eine Hauszeitschrift kontinuierlich geistlich betreut und in Pflicht nimmt, ist geistliche und wirtschaftliche Ressource zugleich und schafft Werners Diakonie eine breite Öffentlichkeit. „Christliche Fabriken“ sollen nicht nur Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen und auch „halbe Kräfte“ am hohen Gut der Arbeit teilhaben lassen, sondern der sich kapitalistisch organisierenden Industrie der Gründerzeit eine Alternative in Gerechtigkeit und Menschenwürde entgegen setzen und so das wichtigste gesellschaftliche Gebiet der Zukunft dem „Mammon“ entreißen und für das Reich Gottes gewinnen. Dem 1871 im Deutschen Kaiserreich geeinten „deutschen Vaterland“ will Gustav Werner die Maßstäbe der „Gerechtigkeit gegen Freund und Feind“ mit auf den Weg geben. Bereits mitten im Krieg 1870 setzt er durch Reisen ins elsässische Kriegsgebiet und durch die Aufnahme von über 80 französischen Kriegswaisen in seinen Anstalten ein Friedenszeichen in die politische Landschaft der europäischen Nationalstaaten.

 

So führt Gustav Werner durch seine „Gustav-Werner-Stiftung zum Bruderhaus“, eine Stiftung bürgerlichen Rechts, die heute als „Bruderhausdiakonie. Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg“ mit 10000 Betreuten und 3500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Diakonie „mit Menschen für Menschen“ weiter entwickelt, durch die Gründungsgeschichte seiner Einrichtung der Diakonie ganz eigene unverwechselbare Impulse zu. Die Konturen seiner Diakonie aus vor-sozialstaatlicher Zeit sind in einer Zeit, in der der Sozialstaat zahlreiche Lücken lässt, auf eine ganz neue Art und Weise aktuell.“

 

Walter Göggelmann

 

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Letzte Änderung: 29.05.2018