DWI Institutsabend am 30. Oktober 2019

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Am 30. Oktober 2019 fand der Institutsabend des Diakoniewissenschaftlichen Instituts statt, dieses Mal mit dem Referenten Stefan Scheuerl, der von seiner Arbeit als Gemeindepfarrer in Tansania berichtete.

Pfarrer Scheuerl gehört zur Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern. Er setzt seit einigen Monaten sein Engagement in Tansania ehrenamtlich fort. Der Vortrag drehte sich um die Frage, in welchem Maße diakonische Tätigkeiten schon Teil der lokalen Gemeindearbeit in Tansania sind und welche Perspektiven es gibt, diese in direkter Zusammenarbeit mit den Gemeinden auszuweiten.

Einleitend mit den Worten „Eigentlich bin ich ein Afrikaner“ erzählte Pfarrer Scheuerl anschaulich und lebendig von seinen Erlebnissen aus sieben Jahren Tätigkeit als Gemeindepfarrer in Arusha, Tansania. Er überrascht die Zuhörenden mit einigen aufschlussreichen Beobachtungen. Ausgangspunkt für den Vortrag ist die Antwort, die er in seiner dortigen Gemeinde auf die Frage bekommen hat: „Ein Vater der Waisen ist Gott. Wer ist dann die Mutter?“ – „Wir!“, sagte ein Gemeindemitglied. Doch zu Anfang habe das so nicht stattgefunden, sagte Scheuerl. Zunächst sei in den Kirchengemeinden vor Ort zwar genug Budget vorhanden, um diakonische Arbeit zu leisten. Es fehle allerdings der Blick dafür und an einigen Stellen werde das Geld in andere Dinge investiert, wie bspw. neue Kirchengebäude, die zum Statussymbol werden. Daher sind Spendengelder aus Deutschland oder Europa in soziale Projekte vor Ort differenziert zu bewerten, da sie die afrikanischen Gemeinden nicht von ihrer Pflicht als Diener ihrer Mitmenschen entbinden sollten. Denn „help leaves people helpless“, so zitierte Scheuerl ein Aussage aus Tansania.

Das Kirchenpersonal vor Ort müsse gezielt motiviert werden, sich beispielsweise für die Waisen in ihrem Ort einzusetzen. Nach und nach konnte eine ambulante Waisenbetreuung in 50 verschiedenen Gemeinden aufgebaut werden. Denn wie er berichtete, gibt es viele prekär lebende Jugendliche in direkter geographischer Nähe einer Kirchengemeinde, ohne dass diese sie automatisch wahrnimmt und an einer Hilfestellung interessiert wäre.

Ein weiteres Problem sei die Versorgung der Witwen, die aufgrund der üblichen Praxis oft nicht neu heiraten dürfen und daher von ihren Versorgern abhängig sind. „VICOBA“ ist ein Hilfsprogramm, das durch das Einzahlen in einen gemeinsamen Spar-Topf verhindere, dass einzelne Witwen ihr geringes Kapital verschenken oder falsch investieren. Durch die Zusammenarbeit in einer Gruppe können Anschaffung und Verleih von Vieh und Landwirtschaftsgeräten ermöglicht werden oder andere Investitionen getätigt werden.

Mit dem Ansatz „Was bei Witwen und Waisen funktioniert, ist auch auf andere Gruppen anwendbar“, gestaltet Stefan Scheuerl seine Arbeit gemeinsam mit örtlichen Bischöfen und anderen Partnern. Eigene Ideen und Initiativen der Gemeinden sowie lokal entstandene Hilfesysteme sind dabei laut Pfarrer Scheuerl das einzig nachhaltig wirksame Mittel. Die Tansanier müssten mehr darauf vertrauen, dass sie auch unabhängig von den finanziellen Hilfen der Europäer verantwortlich und vor allem fähig seien, diakonische Arbeit in ihren Gemeinden zu leisten. „Wir brauchen nicht Projekte, wir brauchen diakonische Identitäten“, so Scheuerl.

Auch die starke Orientierung an den lokalen Ressourcen steht im Vordergrund – ganz dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend, das auch in Deutschland in der Diakonie eine wichtige Rolle spielt.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 05.02.2020
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