Siegel der Universität Heidelberg
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Editorial (ueber Drittmittel)

Liebe Leserin, lieber Leser,

"Durch die Verbindung von Forschung, Lehre und Studium dienen die Universitäten der Pflege und der Entwicklung der Wissenschaften." Das Universitätsgesetz spricht es klar aus: Die Forschung gehört zu den elementaren Aufgaben der Hochschule. Sie nimmt im Selbstverständnis der Universität die zentrale Stelle ein, auch wenn gelegentlich der Anschein erweckt wird, daß die Forschung nur noch wenig zur Lösung unserer Probleme beitrage und mitunter gar selbst zum Problem werde. Vornehmlich drei Gründe sind es, die meines Erachtens die Hochschulforschung unverzichtbar machen und sie gegen ihre Alternativen profilieren: die Möglichkeit der Grundlagenforschung ohne den Druck unmittelbarer kommerzieller Verwertbarkeit; die zunehmende Bedeutung der Forschung in sogenannten Querschnittfächern und die Förderung einer Forschungselite durch den wissenschaftlichen Nachwuchs, für dessen Ausbildung die Universität immer noch der geeignetste Ort ist. Die Hochschulforschung wird vornehmlich über Drittmittel finanziert, die die vom Land bereitgestellten Mittel für die Grundausstattung ergänzen. Für die Qualität der Forschung wichtig ist die drittmittelfinanzierte Forschung deshalb, weil sie begutachtet wird und die Forschungsprojekte sich der Konkurrenz stellen und im Wettbewerb bestehen müssen. Mithin stellt die Finanzierung von Geräten und Personal über Drittmittel auch ein Steuerungsinstrument von Forschungsaktivitäten nach Zielrichtung und Qualität dar. Dies gilt in besonderem Maße vor dem Hintergrund, daß die Forschung in der Medizin und in den Naturwissenschaften immer kostenintensiver wird. Gegenwärtig scheint es wichtig, darauf hinzuweisen, daß Mittel auch für solche Vorhaben verfügbar sein sollten, die nicht im Hauptstrom der Forschung und Entwicklung liegen und keinen unmittelbaren Anwendungsbezug erkennen lassen. Zudem ist das Drittmittelaufkommen ein gewichtiger Indikator für die Forschungsleistung und -qualität in der Hochschule. Der Blick in die Heidelberger Drittmittel-Statistik belegt die besondere Qualität der Forschung an der Ruperto Carola. Von 13,8 Millionen Mark im Jahr 1975 steigerte sich die Universität auf 77,2 Millionen 1993, ohne das Klinikum. Damit liegt Heidelberg national in der Spitzengruppe unter den "klassischen" Universitäten. Stolz können wir auch darauf sein, daß die am intensivsten begutachteten DFG- Projekte fast die Hälfte aller Drittmittel in Heidelberg ausmachen - im Landesdurchschnitt betrug der Anteil der DFG-Mittel an den Drittmitteln 1992 knapp 38 Prozent. Der Landesanteil ist demgegenüber erheblich gesunken. Betrug das Verhältnis von Grund- zu Drittmitteln 1975 noch 10:1, so fiel es 1990 auf 3,3:1 und bewegt sich seitdem auf diesem Level. Bundesweit lag das Verhältnis 1990 bei 4,5:1.

Diese Entwicklung stimmt bedenklich. Denn nicht alle Defizite lassen sich durch Drittmittel kompensieren. Vor allem die Geisteswissenschaften sind von der Schieflage zwischen Grund- und Drittmitteln betroffen, da etwa eine Verbesserung der Bibliotheksausstattung über Drittmittel nicht möglich ist. Mittlerweile ist die Drittmittelforschung in einigen Bereichen der Universität - etwa in der Umweltphysik oder am Physikalisch- Chemischen Institut - an einem Punkt angelangt, wo den ambitionierten Wissenschaftlern gesagt werden muß, daß gute und erfolgversprechende Projekte in Heidelberg nicht durchgeführt werden können, da es an der nötigen Grundausstattung mangelt. Ohne den dringend benötigten und seit langem überfälligen Verfügungsbau wird Heidelberg seine Spitzenstellung in der Forschung kaum behaupten können.

Aber die nackten Zahlen sind nur die eine Seite der Drittmittelanalyse. Die Zahlen kommen nicht von selbst zustande. Hinter den Drittmitteln steht nicht selten auch eine ganz bestimmte Berufungspolitik, die auf Persönlichkeiten zielt, die die Forschung tragen. Alle Erhöhungen materieller Ausstattungen können die Forscherpersönlichkeit nicht ersetzen. Es war der berühmte Heidelberger Philosoph der Nachkriegszeit, Karl Jaspers, der hierzu bemerkte, daß "das Schicksal der Universität ganz und gar abhängt von dem Range der Persönlichkeiten, die an ihr wirken". Forscherpersönlichkeiten müssen ihre Bedeutung zwar nicht unbedingt nur an Zahlen ablesen. Es ist jedoch auffällig, daß die "peaks" in der Drittmittelstatistik auf ganz bestimmte Berufungen zurückgeführt werden können. Mit der Einführung einer neuen Rubrik zur Drittmittel-Forschung und dem Offenlegen der "Sponsoren" und Gelder in der Ruperto Carola will die Universität zur größeren Transparenz und Akzeptanz der Forschung beitragen. Gleichzeitig dokumentiert die Breite der Forschungsaktivitäten das Spektrum des universitären Geisteslebens in Heidelberg. Ein nicht unbedeutender Nebenertrag wäre es schließlich, wenn dem Leser dabei bewußt würde, daß die Forschung noch einen Ort darstellt, in dem das uns allgeläufige Nützlichkeitsdenken nicht ausschließlich dominiert und die "curiositas" des Forschers, das Erkenntnisstreben um der Sache selbst willen, noch einen Eigenwert darstellt.

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