Siegel der Universität Heidelberg
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Forschen in Mannheim

Seit 1991 ist Klaus van Ackern Dekan der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg. Der Professor für Anästhesiologie, der in Heidelberg studierte, sich 1975 in Mannheim habilitierte und anschließend in München und Lübeck lehrte, wurde 1989 an die Universität Heidelberg berufen. Als Dekan leitet er gleichzeitig das Zentrum für Medizinische Forschung Mannheim. Er hat sich zum Ziel gesetzt, der Forschung in Mannheim "FORMAT" zu verleihen, ein individuelles Profil. Hier ein Interview von Claudia Wassmann.

 

Wofür steht "Zentrum für Medizinische Forschung"?

Unsere Fakultät heißt klinische Fakultät, und dieser Name ist Programm. Die Mannheimer Fakultät ist in eine außergewöhnliche Forschungslandschaft eingebettet, mit zwei Universitäten und Universitätskliniken, dem Deutschen Krebsforschungszentrum, einem Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung, dem Europäischen Labor für Molekulare Biologie sowie der forschenden pharmazeutischen Industrie. In diese Landschaft will sich das ZMF einfügen und seine Attraktivität als Partner mit eigenständigem Profil erhöhen. Wir meinen, daß man heute nicht mehr Breitenforschung betreiben kann, sondern sich auf Schwerpunkte konzentrieren muß, um im Konkurrenzkampf um die Forschungsmittel erfolgreich zu sein. Ziel des ZMF ist es, klinisch orientierte Grundlagenforschung in die Klinik hineinzubringen. Wir möchten der Mannheimer Klinik die entsprechenden Faszilitäten schaffen, die man für diese Forschung braucht. Das heißt: Zentralisierung der Möglichkeiten, der Räume, der Geräte wie des Personals, die zeitlich begrenzt und leistungsorientiert vergeben werden.

 

Wie schafft man das?

Nun haben wir in Mannheim die einzigartige Situation in Deutschland, daß die Fakultät für Klinische Medizin sowohl Gelder von der Stadt wie vom Land bekommt. Die Landesmittel sind für Forschung und Lehre bestimmt, die anderen für die Krankenversorgung. Diese Art der Differenzierung haben die anderen Universitätskliniken bisher nicht. Sie haben zwar verschiedene Quellen, die den Gesamtetat speisen, Krankenkassen und Land, aber alles geht in einen Topf; bei uns nicht. Wir haben nun vor vier Jahren eine Haushaltsgestaltung geschaffen, die jedem Lehrstuhl eine knappe Grundausstattung an Personal und Geräten zur Verfügung stellt, aber den Großteil der Forschungsgelder in einen Forschungsfonds fließen läßt. Indem wir Grundausstattung und Geräteausstattung knapp halten, haben wir Geld eingespart, das nun für die Forschungsförderung zur Verfügung steht. Wir schließen Werkverträge mit Wissenschaftlern und medizinisch-technischem Dienst von einem bis zwei Jahren, damit werden wir flexibel. Und damit wir eine noch größere Flexibilität erreichen, sind die Personal- und Gerätekosten untereinander nocheinmal deckungsfähig. Wenn also die Fakultät entscheidet, wir wollen 60 Prozent der Mittel für Personal und nur 40 Prozent für Geräte, ist das vom Haushalt her möglich. Unser Anliegen ist, möglichst große Beweglichkeit zu schaffen, in den starren Strukturen des öffentlichen Rechts.

 

Stößt das nicht auf Widerstand?

Das ist eine Umorganisierung, und wie jede Umorganisierung natürlich schwierig. Wir haben zehn Prozent unserer Landesstellen für das ZMF zur Verfügung gestellt. Es sind zunächst Wissenschaftlerstellen, die mit einem Sperrvermerk versehen sind und bei Neubesetzung an das ZMF fallen. Das gleiche ist vorgesehen für das technische Personal. Hinter dem ganzen steht die Idee, das alte System der Besitzstandswahrung aufzuheben, dem ich natürlich, wenn Sie mich fragen, auch unterliege. Ich möchte natürlich möglichst viele Mitarbeiter und möglichst viel eigenes Labor haben. Aber Allgemeinwohl geht vor Einzelwohl. Und wenn man heute Forschung betreiben will, muß man sich konzentrieren. Das heißt, wir müssen alle zusammenlegen, und das heißt für einige auch, die nicht aktiv forschen, eben zu verzichten. Wir haben alle Stellen abgegeben an das ZMF.

Wenn Sie leistungsbezogene Forschung wollen, welche Unterstützung bieten Sie?

Im Grunde war die Idee, das ZMF hält an verschiedenen Orten Labors zur Verfügung, und stellt sie zeitlich begrenzt zur Verfügung. Jetzt sind wir dazu übergegangen, auch räumlich zu zentralisieren. Wir verfügen über ein tierexperimentelles Labor, in dem im 24-Stundenbetrieb, inklusive Samstag und Sonntag, geforscht wird. Hinzu kommt nun ein großes klinisches Labor, mit 1033 Quadratmetern, das für elf Millionen ausgebaut wird. Die Arbeitsmöglichkeiten werden zentral vergeben und unterstehen dem Dekan. Die leistungsbezogene Vergabe der Forschungsmittel setzt einen fakultätsinternen Wettbewerb voraus, der herausragende Leistungen belohnt, Nachwuchswissenschaftler fördert und wissenschaftliche Schwerpunkte herausarbeitet. Ein gefördertes Projekt muß drittmittelfähig sein und soll die interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessern. Obwohl wir auf diese Haushaltsgestaltung erst seit kurzem zurückschauen, beträgt die eingeworbene Summe von Drittmitteln etwa das Dreifache dessen, was der Forschungsfonds ausgezahlt hat.

 

Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben Sie gesetzt?

Wir haben drei inhaltliche Schwerpunkte geschaffen. Zum einen die Intensivmedizin: Lungenversagen zum Beispiel ist ein großes Problem in der Intensivmedizin. Während man ein gebrochenes Bein eingipsen kann und abwartet, bis seine Funktionstüchtigkeit wiederhergestellt ist, läßt sich die Lunge, die ihre physiologische Funktion nicht erfüllt, schlecht ausschalten. Mit Hilfe der extrakorporalen Membranoxygenierung, ECMO, kann man das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff versorgen, eine Methode, die für frühgeborene Kinder entwickelt wurde, die mit unreifen Lungen zur Welt kommen. Die Mannheimer Klinik ist Referenzzentrum für diese Art der Behandlung und hat die meisten pädiatrischen ECMO-Patienten in Europa. Als klinisch orientiertes Forschungsprogramm wird die Behandlung jetzt auch für Erwachsene aufgebaut. Das ZMF unterstützt die Arbeiten bis zur vollständigen klinischen Anwendung. Der Nebeneffekt der Schwerpunktbildung ist, daß die Teams erfahren werden.

Der zweite Schwerpunkt ist die Molekularbiologie. Wir haben einen C3-Professor für Virologie berufen, in der Dermatologie die Kooperationseinheit Dermato-Onkologie mit dem DKFZ eingerichtet, eine Stiftungsprofessur Transfusionsmedizin/Immunologie eingeworben, und außerdem eine Stiftungsprofessur klinische Pharmakologie, für die das Forschungsministerium bereits vor Antritt des Kollegen eine Unterstützung in Höhe von 2,8 Millionen Mark zugesagt hat. Und wir werden jetzt einen der bekanntesten Nephrologen berufen, der rein immunologische Forschung betreibt. Daß er dafür eine Lebensposition an der Mayo-Klinik ablehnen würde, unterstreicht die Attraktivität Mannheims auf dem Gebiet. Meine persönliche Einstellung ist, jede Mark, die wir bei einem Berufungsverfahren für einen Zweitrangigen investieren, ist eine verlorene Mark. Jede Mark, die wir in einen Erstrangigen setzen, auch wenn es mehr ist, als vielleicht sonst üblich, ist gewonnenes Geld, bringt Profit, nicht in Geld, sondern in wissenschaftlicher und klinischer Reputation. Und deshalb muß man bestrebt sein, die Besten zu holen, oder gar keinen.

Den dritten Schwerpunkt haben wir in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Mannheim geschaffen: Organersatz. Ziel der Forschungsaktivitäten ist die Blasenstimulation bei querschnittsgelähmten Patienten. Hierfür erhalten wir eine Förderung von 4,68 Millionen Mark vom BMBF.

 

Wie sorgen Sie für hochqualifizierten Nachwuchs?

Neben der Projektförderung aus dem Forschungsfonds steht die Personenförderung, genannt "Forschung Mannheim", kurz FORMAT. Die Zukunft einer wissenschaftlichen Einrichtung liegt in der Gewinnung von gutem Nachwuchs. Deshalb fördern wir junge Leute, indem wir ihnen entweder ein Stipendium ermöglichen oder eine Stelle in Einrichtungen außerhalb unserer Fakultät finanzieren, wo sie Methoden lernen können und das Know-how nach Mannheim zurückbringen. Gleichzeitig können wir aus dem Pool auch Assistenten oder Wissenschaftler von auswärts anstellen.

Wir sind zum Beispiel eines der drei Zentren in Deutschland für Epilepsie geworden - moderne Epilepsieforschung bis hin zur chirurgischen Behandlung. Dafür bewilligte das Bundesministerium für Gesundheit ein spezielles EEG-Gerät für 570 000 Mark. Wir konnten uns erfolgreich bewerben, weil wir bereits gezielt einen Neurochirurgen berufen hatten, der die Methodik beherrscht. Gleichzeitig konnten wir die Infrastruktur vorweisen und waren bereit, die Ausbildung des Personals zu bezahlen, das heißt die Betreffenden nach Harvard zu schicken, wo dieses Gerät bereits in Betrieb ist. Das sind die kleinen Mosaiksteinchen, die man über eine Idee wie das ZMF zusammensetzen kann.

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