Siegel der Universität Heidelberg
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Aus der Stiftung Universität Heidelberg

Vom 3. bis 5. November 1994 fand am Internationalen Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg ein Symposion über Urkunden und Urkundenformulare im Klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen statt, veranstaltet von der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft in Zusammenarbeit mit ihren Partnerinstitutionen "Centre de Recherche sur le Proche Orient et la Grèce Antique" und "Groupe de Recherche diHistoire Romaine" der Universität Strasbourg. Die Stiftung Universität Heidelberg unterstützte das Symposion, auf dem die vielfältigen Seiten des administrativen, öffentlichen, gesellschaftlichen und privaten Lebens im Klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen erfaßt werden sollten. Das Ziel war, die Grundlagen für eine gründliche Analyse der Thematik zu schaffen, indem man die verschiedenen Aspekte von offiziellen und privaten Dokumenten aus betrachtet. Daß die Dokumente von eminenter Bedeutung sind, um die öffentlichen und privaten Lebensbereiche zu erfassen, zeigt die Tatsache, daß sie alt und authentisch sind und unzählige Möglichkeiten bieten, die verschiedenen Beziehungen der Teile der Gesellschaft untereinander zu erkennen und zu beschreiben.

Dazu gehört der Bereich, der durch öffentliche Dokumente abgedeckt wird. Leider besitzen wir kaum zuverlässige Angaben über das Funktionieren der Institutionen außerhalb der echten Dokumente, die von den verschiedenen Staatskanzleien ausgegangen sind. Sie allein vermitteln ein authentisches Bild über Aufbau, Organisation und Beziehungen der Institutionen zu den verschiedenen Korporationen und der allgemeinen Bevölkerung. Sie sind von eminenter Bedeutung, gerade für ein zuverlässiges Studium der politischen und der wirtschaftlichen Angelegenheiten des betreffenden Staates.

Der Bereich, der durch private Dokumente abgedeckt wird, umfaßt eine verblüffend vielfältige Palette von Problemen. Aufgrund der Urkunden hat man sichere Quellen, um alle möglichen juristischen Gesichtspunkte abzudecken, die den persönlichen und gesellschaftlichen Bereich betreffen, familiäre Probleme wie die des Geschäftslebens. Die Aufzählung zeigt, welch vielfältige Arbeitsmöglichkeiten die Urkunden den Fachleuten eröffnen können - eine einmalige wissenschaftliche Perspektive für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen des klassischen Altertums und der orientalischen Kulturen. Die international anerkannten Fachleute aus West- und Osteuropa, den USA, aus Kairo und Jerusalem betonten auf dem Symposion die Bedeutung des Mittelmeerraums in seinen europäischen und orientalischen Komponenten für diese wissenschaftliche Zusammenarbeit, zumal die Verflechtungen der einzelnen Kulturen im Orient und in den klassischen Gebieten Europas durch eine solche Fachtagung besonders sichtbar werden. Über die interdisziplinäre Zusammenarbeit hinaus konnte man ein größeres Verständnis für die politischen, sozialen und privaten Probleme der angesprochenen Regionen und für deren Entwicklung bis zum Mittelalter herstellen, ja bis in die moderne Zeit hinein, wie einzelne Beiträge, vor allem über das islamische Mittelalter zeigten.

Eine besondere Freude ist, auf die Pflege einer Heidelberger Tradition durch die Firma Heidelberger Zement aufmerksam zu machen, die dieses Symposion großzügig unterstützte. Die Papyrussammlung der Universität Heidelberg verdankt ihre Entstehung nämlich der Schenkung eines ehemaligen Direktors der Heidelberger Zement, Herrn Schott. Ab 1897 vermachte er der Universitätsbibliothek eine Anzahl von Papyri in vielen Sprachen, die er zum Teil von C. Reinhardt, einem ehemaligen Dragomann des kaiserlich-deutschen Generalkonsulats in Kairo und Doktor der orientalischen Philologie, erworben hatte. Die berühmte Schott-Reinhardt-Sammlung enthält neben ihren zahlreichen griechischen, koptischen und sonstigen Stücken etwa 1000 bis 2000 arabische Stücke, in der Hauptsache Briefe, Kontrakte und Steuerzettel. Darunter einige Raritäten von erstrangiger Bedeutung, die der Heidelberger arabischen Sammlung zu weltweitem Ansehen verhalfen, weil sie zu den ersten Kulturzeugnissen des Islams zählen und die ältesten erhaltenen ihrer Gattung überhaupt darstellen.

Dazu zählt erstens die größte Sammlung wertvoller Briefe aus der Kanzlei des in Alt-Kairo amtierenden Omajjaden-Stadthalters Kurra Ibn Scharik (709-714 n. Chr.), die sogenannte Kurra- Korrespondenz. Die gut erhaltenen Briefe von Heidelberg haben durch ihr frühes Datum (91 nach der Hedschra/710 n. Chr.) erstrangigen Wert für das Verständnis des gesamten Verwaltungs- und Wirtschaftslebens im Frühislam, da etwas Ähnliches für die anderen damaligen Metropolen und Provinzen des Islam nicht vorhanden war. Die übrigen Papyri galten bis zu ihrer Bearbeitung durch Professor Raif G. Khoury als unannehmbar. Es handelt sich zweitens um die älteste überkommene Lebensgeschichte des Propheten Mohammed im Islam. Leider ist auch sie nur in einem Teil vorhanden. Drittens um eine Geschichte des Königs David, die aus einem Buch über die Geschichte der Propheten im Islam stammt. Und viertens gehört dazu eine 189 Zentimeter lange Traditionsrolle auf Papyrus, die einzige überkommene Papyrusrolle des Islams überhaupt. Obwohl sie nicht datiert ist, wissen wir, daß sie vom Ende des 8. Jahrhunderts n. Chr. stammt. Sie ist auf beiden Seiten beschrieben und enthält 422 mehr oder weniger lange islamische Traditionen, die insgesamt etwa 50 Seiten gedruckten Text ergeben haben. Diese Traditionen beinhalten an erster Stelle verschiedene Bereiche des geistlichen islamischen Lebens mit deutlichem eschatologischem Hintergrund. Der Autor dieser einzigartigen Papyrusrolle war Richter von Ägypten im 8. Jahrhundert nach Christus. Sein Haus bildete die bekannteste Bibliothek und Schule der damaligen Zeit in Ägypten, die im übrigen Originale oder Abschriften nicht nur der hier vorgestellten arabischen Papyri, sondern vieler anderer frühislamischer Bücher auf Papyrus (oder Pergament) enthielt; dadurch ermöglichte sie eine besondere Erhellung der Kultur im ersten und zweiten islamischen Jahrhundert, wie Prof. Khoury mehrfach in den letzten Jahren gezeigt hat. Die Tradition solcher Unterstützungen harrt der Nachahmung.

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