Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Griff nach den Sternen

Von Mirjam Mohr

Sie könnte die erste deutsche Frau im Weltall werden: Dr. Lisa Marie Haas (Foto: Klampäckel), die in Heidelberg Physik studiert hat und am Institut für Theoretische Physik promoviert wurde, nahm an der Initiative „Die Astronautin“ teil und gehört zu den sechs Finalistinnen. Das private Crowdfunding-Projekt hat zum Ziel, die erste Astronautin aus Deutschland ins All zu schicken – und junge Frauen für ein naturwissenschaftliches Studium zu begeistern. Nach einem einjährigen Auswahlverfahren, das an die Standards der Europäischen Weltraumorganisation ESA angelehnt war und für das sich mehr als 400 Frauen beworben hatten, wurden schließlich zwei ausgesucht, die zur Astronautin ausgebildet werden. Eine von beiden soll dann im Jahr 2020 zur internationalen Raumstation ISS fliegen. Weil Nicola Baumann, eine dieser Kandidatinnen, Mitte Dezember ausgestiegen ist, wird nun eine Nachfolgerin aus dem Kreise der verbliebenen Finalistinnen bestimmt, um zusammen mit der anderen Kandidatin Dr. Insa Thiele-Eich, die übrigens in Heidelberg geboren wurde, das Astronautentraining zu absolvieren. Die Nachrückerin soll Mitte Februar auf einer Pressekonferenz präsentiert werden – bis dahin heißt es für Lisa Marie Haas warten. Haas arbeitet als Entwicklungsingenieurin bei der Robert Bosch GmbH in Reutlingen und ist dort für die Aufbau- und Verbindungstechnik von Sensoren im Bereich Consumer Electronics zuständig. Die 34-Jährige ist verheiratet und Mutter von zwei Söhnen. Im Interview gibt die ehemalige Studentin der Ruperto Carola Auskunft über ihren Kindheitstraum, das Auswahlverfahren und die Vorzüge ihres Studienorts:

Frau Haas, wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Astronautin zu werden?

„Das war schon ein Kindheitstraum. Ich habe bereits in der Grundschule auf die Frage des Lehrers, was wir werden wollen, geantwortet: Astronautin! In der fünften Klasse hatte ich den ersten Kontakt mit Naturwissenschaften und mir war schnell klar: Das will ich machen. Ich habe gleichzeitig angefangen, mich für Astronomie und Astrophysik zu interessieren, habe viele populärwissenschaftliche Bücher gelesen und bei ‚Jugend forscht‘ mitgemacht. Diese Begeisterung blieb auch während meines Physikstudiums erhalten. Ich habe Astronomie als Nebenfach gewählt und mir überlegt, meine Diplomarbeit im Bereich Astronomie/Astrophysik zu machen, mich dann allerdings für die Quantenfeldtheorie entschieden. Aber auch während meiner Promotion habe ich Astrophysik als Nebenfach fortgeführt.“

Wie lief das Bewerbungsverfahren für „Die Astronautin“ ab?

„Am Anfang stand eine klassische Bewerbung mit Motivationsschreiben und Lebenslauf. Die mehr als 400 Bewerbungen wurden auf 120 Kandidatinnen reduziert, die einen 20-seitigen medizinischen Fragebogen ausfüllen mussten, woraufhin 90 Frauen übrig blieben. Dann hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt das Verfahren übernommen und klassische Pilotentests durchgeführt. Da ging es um Merkfähigkeit, Konzentration und technisches Verständnis, um Mathematik, Physik und Englisch. Außerdem gab es Koordinationstests, bei denen man verschiedene Dinge gleichzeitig erledigen musste. Die übriggebliebenen 30 Frauen wurden in psychologische Auswahlverfahren geschickt – mit vielen Fragebögen, Teamspielen, Assessment-Centern und Reaktionsfähigkeitstests. Ausgewählt wurden acht Frauen, die dann medizinische Tests absolvierten. Und dann waren wir noch sechs, die als finalen Meilenstein Interviews mit verschiedenen Personen gemacht haben. Am Ende blieben schließlich zwei Kandidatinnen übrig, die mit dem Astronautentraining beginnen durften – und eine von beiden wird als erste deutsche Astronautin ins All fliegen.“

Sehen Sie sich als Vorbild für Mädchen in Naturwissenschaften?

„Ich würde mir natürlich wünschen, ein solches Vorbild zu sein – und das ist auch ein klares Ziel der Astronautinnen-Initiative. Ich selbst hatte während meines Studiums klassische Vorbilder wie Emmy Noether und Marie Curie, zwei bedeutende Wissenschaftlerinnen. Zusätzlich haben wir aber in Heidelberg das Glück, dass es auch in der Physik Professorinnen gibt, was nicht an vielen Unis der Fall ist. In einer Gruppe mit einer Dozentin wird man immer mehr Frauen finden, davon bin ich fest überzeugt. In Heidelberg entscheiden sich viele Frauen für Astronomie/Astrophysik oder Medizinische Physik und Biophysik, was meiner Meinung nach daran liegt, dass es dort weibliche Vorbilder gibt. Deswegen denken viele Studentinnen: Das kann ich, denn andere Frauen haben es auch geschafft. Man braucht diese Vorbilder für Frauen, und deshalb finde ich auch diese Initiative so wichtig. Astronautin steht dabei nicht nur für Physik oder Chemie, sondern für alle MINT-Bereiche.“

Warum hatten Sie sich für die Universität Heidelberg als Studienort entschieden?

„Da ich damals ganz stark den Fokus auf dem Bereich Astronomie/Astrophysik hatte, war die Entscheidung für Heidelberg klar, weil die Uni in diesem Bereich unschlagbar stark ist. Da gibt es tolle Forschungsgebiete, das finde ich einfach klasse. Generell hat Heidelberg für Physik einen sehr guten Ruf. Das hat mich angezogen – und natürlich Heidelberg als schöne Stadt. Auch das Zusammenspiel von Mathematik und Physik mit einem starken Forschungsbereich in der Mathematik finde ich sehr wichtig.“

Wie ist es nach Ihrer Promotion weitergegangen?

„Ich habe lange überlegt, ob ich in der Wissenschaft bleibe oder etwas ganz anderes mache. Ich bin dann von der Theoretischen Physik in den Ingenieursbereich zur Aufbau- und Verbindungstechnologie gegangen. Das ist immer noch Forschung und Entwicklung und sehr nah am wissenschaftlichen Arbeiten. Aber jetzt entwickle ich konkret ein Produkt, das Menschen in der Hand halten und benutzen werden, und das ist genauso reizvoll für mich. Ich beschäftige mich mit der Aufbau- und Verbindungstechnologie von Sensoren, die für Consumer Electronics eingesetzt werden, also beispielsweise Beschleunigungssensoren, die in Smartphones dafür sorgen, dass sich das Display dreht. Meine Aufgabe ist es, den Sensor zu verpacken und gegen Umwelteinflüsse zu schützen. Mit dieser Arbeit bin ich auch sehr glücklich und zufrieden.“

www.dieastronautin.de