Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Hausbrand statt Erzverhüttung

Wann und wo haben Menschen die Metallverarbeitung erfunden? Eine Antwort auf diese lange diskutierte Frage der Technikgeschichte haben jetzt Wissenschaftler der Universität Heidelberg gemeinsam mit Kollegen aus London und Cambridge (Großbritannien) gefunden: Demnach hat die Metallurgie keineswegs nur einen Ursprung sondern sie hat sich vermutlich an verschiedenen Orten etwa gleichzeitig entwickelt. Zu dieser Einschätzung kommen die Experten, nachdem sie einen 8500 Jahre alten Fund von Kupferschlacke aus der steinzeitlichen Siedlung Çatalhöyük in Vorderasien erneut untersucht und dabei auch die chemische Zusammensetzung anderer Artefakte aus Kupfer analysiert haben.

Die Kulturgeschichte der Menschheit wird allgemein grob in Stein-, Bronze- und Eisenzeit eingeteilt. Wenig bekannt ist jedoch, dass bereits zu Beginn der sogenannten Jungsteinzeit vor rund 10 000 Jahren im Fruchtbaren Halbmond von der Levante über Ostanatolien bis in das Zāgros-Gebirge im Iran Kupfermetall verarbeitet wurde. „Dennoch können wir nicht von einer richtigen Metallurgie sprechen, weil es sich durchweg um gediegen Kupfer, also Naturkupfer handelt“, erläutert Prof. Dr. Ernst Pernicka, wissenschaftlicher Direktor des Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie an der Universität Heidelberg mit Sitz in Mannheim. Kupfer kommt in der Natur als Metall vor und wurde wohl nur, so der Wissenschaftler, als besondere Art von Stein angesehen. Weil aber die Produktion von Metallen aus Erzen eine neue Epoche in der Menschheitsgeschichte einläutet, ist es eine wichtige Frage, wann und wo dies erstmals geschah und ob die Metallverarbeitung tatsächlich nur einen einzigen Ursprung hat.

Lange Zeit galt eine kleine Menge von Kupferschlacke aus der neolithischen Siedlung von Çatalhöyük als frühester Beleg für die pyrometallurgische Gewinnung von Kupfer aus Erzen. Die Siedlung bestand von rund 7100 bis 6000 vor Christus und gilt als wichtigster vorderasiatischer Fundort, der Einblicke in die Entwicklung des Siedlungswesens gestattet.

Lange Zeit galt die frühneolithische Siedlung Çatalhöyük als Geburtsort der Kupferverhüttung.
Grafik: E. Pernicka

Die besagte Kupferschlacke fand sich in Schichten, die auf 6500 vor Christus datiert wurden und ist 1500 Jahre älter als der früheste Nachweis für Kupferverhüttung weltweit. „Der Fund schien damit den Geburtsort der Metallurgie anzuzeigen, von dem aus sich diese Technik langsam in alle Richtungen verbreitete“, so Pernicka, der auch die Forschungsgruppe Archäometrie und Archäometallurgie am Institut für Geowissenschaften der Ruperto Carola leitet.

Neue Untersuchungen, unter anderem im Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie, haben jedoch gezeigt, dass die Schlacke ganz profan als Zufallsprodukt bei einem Hausbrand entstanden ist: Grüne, als Pigment verwendete Kupfererze wurden durch die große Hitze des Brandes verschlackt. Die Schlacke hat dabei eine andere chemische Zusammensetzung als eine aus Blechen gefaltete Perle, die aus gediegen Kupfer besteht und zu den Artefakten der steinzeitlichen Siedlung gehört.

Die Kupferperle von Çatalhöyük besteht aus sehr reinem Kupfer, wie es in der Natur gelegentlich als Metall vorkommt.
Bild: M. Radivojević, CC BY-NC-SA 3.0

Durch die neue wissenschaftliche Bewertung der Kupferschlacke von Çatalhöyük kann man davon ausgehen, dass sich der epochale Schritt in der Menschheitsgeschichte – nämlich die Verhüttung von Metall – doch an mehreren Orten in etwa gleichzeitig ereignet hat. Die frühesten Belege für die Gewinnung von Kupfer aus Erzen sind einerseits in Südosteuropa und andererseits im Iran zutage gekommen und werden auf den Zeitraum um 5000 vor Christus datiert. Ernst Pernicka resümiert: „Wir haben damit ein kontrovers diskutiertes technikgeschichtliches Problem gelöst.“

M. Radivojević, Th. Rehren, S. Farid, E. Pernicka, D. Camurcuoğlu: Repealing the Çatalhöyük extractive metallurgy: The green, the fire and the 'slag'. Journal of Archaeological Science, Volume 86, October 2017, Pages 101-122, doi: 10.1016/j.jas2017.07.001