Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Neuartige Enzyme aus dem Great Barrier Reef?

Neue Erkenntnisse zur möglichen biologischen Funktion von sogenannten Patellamiden – eine Klasse eigentlich zellgiftiger, cyclischer Peptide – haben Wissenschaftler der Universität Heidelberg gewonnen. In Verbindung mit zweiwertigem Kupfer entfalten Patellamide katalytische Aktivität. Um herauszufinden, ob sich diese auch innerhalb Patellamid-produzierender Organismen beobachten lässt, haben Forscher um den Chemiker Prof. Dr. Peter Comba ein spezielles Untersuchungsverfahren entwickelt, mit dem in lebenden Zellen stabile Kupfer-Patellamid-Komplexe nachgewiesen wurden – Voraussetzung dafür, dass die Verbindung hier auch als Katalysator wirken kann und somit möglicherweise eine neue Art von Enzymen vorliegt.

Das Patellamid A wurde erstmals 1981 aus dem Organismus der Seescheide Lissoclinum patella isoliert. Heute weiß die Wissenschaft, dass es nicht von der Seescheide selbst sondern vielmehr von ihrem Symbionten hergestellt wird, der Blau-Grün-Alge Prochloron, die nur am Great Barrier Reef bei Australien gesammelt werden kann. Bei früheren Untersuchungen im Labor wiesen die Heidelberger Forscher bereits nach, dass Patellamid-Moleküle mit je zwei Kupfer(II)-Ionen einen Komplex bilden, der unter anderem als Katalysator für die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid fungiert.

Darauf aufbauend wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob die katalytische Aktivität zweikerniger Kupfer-Patellamid-Verbindungen tatsächlich auch in den Prochloron-Zellen selbst eine Rolle spielt – ob es sich dabei also um eine neue Art von Enzymen handeln könnte. Dr. Annika Eisenschmidt aus der Comba-Gruppe erforschte hierfür im Zuge ihrer Doktorarbeit die Stabilität der Komplexe in der Blau-Grün-Alge. Dazu schuf sie ein künstliches Patellamid mit einem Fluoreszenz-Marker – das dergestalt modifizierte Naturstoffmolekül leuchtet. Sobald jedoch zweiwertiges Kupfer daran gebunden wird, erlischt die Fluoreszenz.

Für die Untersuchung der Stabilität von Kupfer-Patellamid-Komplexen in Prochloron wurden die Blau-Grün-Algen zusammen mit ihrem Wirt, der Seescheide Lissoclinum patella (im Bild der blass-blaue Organismus), aus dem Great Barrier Reef isoliert. Das Sammeln der Organismen gelang unter Anleitung von Dr. Geoffrey Nette in der Nähe der Insel Heron Island an der Ostküste Australiens in etwa ein bis drei Metern Tiefe entlang der Riffkrone.
Foto: Annika Eisenschmidt

Weil Prochloron nur am Great Barrier Reef eingesammelt werden kann und sich die Zellen lediglich eine Woche am Leben erhalten lassen, wurde die Untersuchungsmethode zunächst an einer verwandten Alge getestet. Anschließend erweiterten die Wissenschaftler die Experimente in Kooperation mit Kollegen aus Australien. Dort war es möglich, die Prochloron-Zellen zusammen mit dem Wirt, der Seescheide Lissoclinum patella, zu isolieren. Vor Ort wurde dann künstliches, fluoreszierendes Patellamid in die Zellen eingeschleust. Das Ergebnis: Wie zuvor schon im Reagenzglas beobachtet, erlischt die Fluoreszenz bei Zugabe von Kupfer. Dies zeigt, dass in den Prochloron-Zellen stabile Kupfer-Patellamid-Komplexe gebildet werden.

In einem nächsten Schritt wollen die Chemiker nun die genaue Struktur dieser Komplexe in lebenden Zellen ermitteln. Peter Comba betont: „Falls es sich um zweikernige Verbindungen handelt, wie wir sie in unseren Laboruntersuchungen beobachtet haben, könnten sie tatsächlich wichtige Aufgaben als Enzyme besitzen.“

P. Comba, A. Eisenschmidt, L.R. Gahan, D.P. Herten, G. Nette, G. Schenk, and M. Seefeld: Is CuII coordinated to patellamides inside Prochloron cells? Chemistry – A European Journal (26 April 2017), doi: 10.1002/chem.201700895