Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Einblicke in die Geburtsstuben von Proteinen und Ribosomen

Jeweils einen der begehrten ERC Advanced Grants für Spitzenforscher haben der Molekularbiologe Prof. Dr. Bernd Bukau und der Biochemiker Prof. Dr. Ed Hurt erhalten. Verbunden damit sind Fördermittel des Europäischen Forschungsrates (ERC) von zusammen gut vier Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Der Europäische Forschungsrat vergibt den Advanced Grant an etablierte Spitzenforscher, die mit risikoreichen Vorhaben in ihren jeweiligen Bereichen neue Wege beschreiten.

Überhaupt war die Universität Heidelberg in der vergangenen Ausschreibungsrunde äußerst erfolgreich: Neben den beiden Advanced Grants wurden bei den ERC Consolidator Grants gleich fünf Anträge bewilligt mit einem Gesamtumfang von zehn Millionen Euro an Fördermitteln. Diese gingen an Dr. Annika Guse vom Centre for Organismal Studies, Dr. Frank Bigiel vom Institut für Theoretische Astrophysik, Prof. Dr. Selim Jochim vom Physikalischen Institut, Prof. Dr. Michael Mastalerz vom Organisch-Chemischen Institut und an Privatdozent Dr. Frank Postberg vom Institut für Geowissenschaften (wir berichteten). Darüber hinaus konnten sich Prof. Dr. Yana Vaynzof, Prof. Dr. Florian Diekert und Dr. Diederik Kruijssen über je einen ERC Starting Grant freuen.

Im vom ERC geförderten Forschungsprojekt „TransFold – Molecular Biology of Nascent Chains: Co-translational Folding and Assembly of Proteins in Eukaryotes“ befassen sich Bernd Bukau und sein Team mit der Entstehung von Proteinen in Zellen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie eine Zelle neu hergestellte Aminosäureketten mit hoher Effizienz in funktionsfähige Proteine und Proteinkomplexe mit dreidimensionaler Struktur „falten“ kann. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, wie diese Prozesse in Eukaryoten – von Hefe- bis zu menschlichen Zellen – ablaufen und wie sie reguliert werden. Dafür werden sie die bereits durch Vorarbeiten unterstützte Hypothese untersuchen, dass Zellen organisierte Strukturen bilden, in denen sowohl die Synthese durch Ribosomen als auch die Faltung und die Assemblierung von Proteinkomplexen stattfindet. Störungen dieser Strukturen, etwa nach Stresseinwirkung, können zu weitreichenden Problemen in der Zelle führen und zu Erkrankungen beitragen. Für die Forschungsarbeiten stehen 2,1 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung.

Bernd Bukau (Foto: Schwerdt) ist Direktor des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) und forscht zugleich am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Er studierte Biologie an den Universitäten in Besançon (Frankreich) und Konstanz, wo er auch promoviert wurde. Der Postdoktoranden-Zeit am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) schloss sich die Habilitation am ZMBH an. 1997 folgte er dem Ruf auf einen Lehrstuhl für Biochemie an der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg; 2002 wechselte er an die Ruperto Carola und übernahm eine Professur am ZMBH, dessen Direktor er seit zwölf Jahren ist. 1999 wurde Bukau mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet.

Ed Hurt und sein Team beschäftigen sich mit der Entstehung von Ribosomen. Dabei werden Prozesse untersucht, die in der Anfangsphase der Herstellung dieser Protein-Fabriken der Zellen ablaufen und noch weitgehend unerforscht sind. Im vom ERC geförderten Projekt „Encapsulated Eukaryotic Ribosome Assembly“ geht es um die früheste bekannte ribosomale Vorstufe, das sogenannte 90S Prä-Ribosom. Wie bisherige Arbeiten der Heidelberger Wissenschaftler gezeigt haben, wird die kleinere der beiden Untereinheiten, aus denen ein Ribosom besteht, während ihrer Entstehung von einer Art Schale umschlossen – sie soll den reibungslosen und zielgerichteten Zusammenbau der Protein-Fabriken ermöglichen. Das legt ein neuartiges Konzept in der RNA-Biologie nahe, wonach die neu produzierte Ribonukleinsäure in einer geschützten Umgebung reift. Nun wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie das 90S Prä-Ribosom die RNA vorübergehend einkapselt, um sie vor unerwünschten Wechselwirkungen zu schützen. Diese mechanistischen Einblicke in die Geburtsstube der Ribosomen sollen zu einem besseren Verständnis davon führen, wie dieser vielfältige Entstehungsprozess mit anderen wichtigen zellulären Vorgängen und der Herausbildung von Krankheiten einschließlich Krebs in Zusammenhang steht. Für das Forschungsvorhaben hat der ERC zwei Millionen Euro bereitgestellt.

Ed Hurt (Foto: Schwerdt) lehrt und forscht am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg (BZH). Nach einem Biologie- und Chemiestudium an der Universität Regensburg wurde er 1983 dort auch promoviert. Anschließend forschte er als Postdoktorand am Biozentrum der Universität Basel (Schweiz), bevor er 1987 als Forschungsgruppenleiter an das European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg wechselte. Seine Habilitation schloss er 1990 ab. Fünf Jahre später wurde er auf eine Professur für Biochemie an die Universität Heidelberg berufen; von 2003 bis 2005 war er Direktor des BZH. 2001 wurde Hurt mit dem Leibniz-Preis bedacht.

Campus-Report-Interview mit Bernd Bukau, Teil eins (mp3)
Campus-Report-Interview mit Bernd Bukau, Teil zwei (mp3)
Campus-Report-Interview mit Ed Hurt, Teil eins (mp3)
Campus-Report-Interview mit Ed Hurt, Teil zwei (mp3)

Vor zehn Jahren hat die Europäische Kommission den European Research Council (ERC) zur Förderung der Grundlagenforschung ins Leben gerufen. Finanziert werden herausragende Projekte von Wissenschaftlern aus Ländern der Europäischen Union, um visionäre Vorhaben voranzutreiben und neue Wissensgebiete zu erschließen. Seit Gründung wurden rund 7000 Wissenschaftler unterstützt – die Förderung hat schon in fast 100 000 wissenschaftlichen Publikationen ihren Niederschlag gefunden. Zu den zentralen Förderinstrumenten des Europäischen Forschungsrats zählt die Vergabe von ERC Grants. Dazu gehören der ERC Starting Grant für Nachwuchswissenschaftler sowie der ERC Consolidator Grant für junge Forscherinnen und Forscher, deren eigene unabhängige Arbeitsgruppe in der Festigungs- und Vertiefungsphase ist. Der ERC Advanced Grant wurde für bereits etablierte Spitzenforscher vorgesehen. Das Förderinstrument ERC Proof of Concept ist ein ergänzender Grant zur Überprüfung des Marktpotenzials einer entwickelten Idee. Wissenschaftler der Universität Heidelberg haben seit 2008 insgesamt 50 ERC Grants erhalten, davon 21 Starting, zehn Consolidator und 19 Advanced Grants.

www.uni-heidelberg.de/forschung/service/eu/erc_grants_uebersicht.html

Siehe auch: „Yana Vaynzof erhält ERC Starting Grant“
Siehe auch: „Florian Diekert erhält ERC Starting Grant“
Siehe auch: „Diederik Kruijssen erhält ERC Starting Grant für die Erforschung der Sternentstehung in Galaxien“
Siehe auch: „Europäische Millionenförderung für drei DKFZ-Forscher“
Siehe auch: „U15-Universitäten unverändert stark auf der europäischen Bühne“