Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Mit demokratischen Mitteln gegen Terroristen und Populisten

Von Mirjam Mohr

Eigentlich wollte Mohamed Esa (Foto: privat) nicht in Deutschland studieren sondern ein Medizinstudium in England beginnen. Als der in Israel aufgewachsene Palästinenser 1978 dort einreisen wollte, wurde er jedoch mit der Begründung nach Hause geschickt, dass er nur ein Touristenvisum habe. Also fuhr er ein halbes Jahr später nach Deutschland, lernte zunächst die Sprache und studierte schließlich in Heidelberg Deutsch als Fremdsprache mit durchschlagendem Erfolg. „Ich habe mich in die deutsche Sprache verliebt und die deutsche Literatur wurde zu meiner Leidenschaft.“ Inzwischen leitet Mohamed Esa die deutsche Sektion der Fremdsprachenabteilung eines amerikanischen Colleges, hat unzählige Workshops veranstaltet, mehrere Bücher über den Einsatz von Musik, Märchen und Sprichwörtern im Deutschunterricht veröffentlicht und für seine Lehre und sein Engagement zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter das Bundesverdienstkreuz – eine Erfolgsgeschichte „made in Heidelberg“.

Bereits seine erste Nacht in Deutschland verbrachte Mohamed Esa in Heidelberg, weil einige seiner Freunde hier Deutsch lernten. Da er aber eigene Erfahrungen machen wollte, zog er direkt weiter nach Aachen und dann nach Bochum, wo er den damals noch wenig bekannten Herbert Grönemeyer im Konzert erlebte – seine erste Begegnung mit deutschsprachiger Musik, die er später zum Inhalt seines Unterrichts machen sollte. Schließlich landete er in Karlsruhe, eignete sich am Studienkolleg Deutsch an und bestritt mit allen möglichen Arbeiten seinen Lebensunterhalt, bevor er in Heidelberg mit dem Studium begann.

Von seinen Lehrern am Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie (IDF) schwärmt Mohamed Esa noch heute: „Ich habe immer noch Notizen und Arbeitsblätter aus meinem Studium, die mir bei meinem eigenen Unterricht sehr geholfen haben. Vor allem Rainer Breiter wurde zu meinem Vorbild; seine Art, wie er mit den Studierenden umging und ihnen großen Respekt entgegenbrachte, was nicht bei allen Dozenten an der Universität der Fall war, das hat mich sehr für meine eigene Lehrtätigkeit geprägt.“

Nach dem Magisterexamen unterrichtete Esa zunächst selbst am IDF und promovierte in Sprachwissenschaft bei Prof. Dr. Rainer Dietrich, mit dem er noch immer Kontakt hält. Als seine aus den USA stammende Frau, die er während seiner Studienzeit kennengelernt hatte, zurück in die Heimat wollte, bewarb er sich auf eine Vertretungsstelle an einem amerikanischen College. Da er keine Reaktion auf seine Bewerbung erhielt, rief er kurz entschlossen an und erfuhr, dass man als Vertretung für ein Semester nicht extra jemanden aus Deutschland suche. „Ich erklärte, dass meine Frau und ich in die USA ziehen wollen, und wurde daraufhin zum Interview eingeladen. Bei diesem Gespräch habe ich erzählt, wie ich bei meinem Unterricht mit verschiedenen Methoden und dem Einsatz von Musik arbeitete, und bekam dann tatsächlich die Stelle angeboten.“ Ein halbes Jahr später übernahm Mohamed Esa die Position eines erkrankten Kollegen – und unterrichtet bis heute Deutsch am McDaniel College in Westminster in Maryland.

„Rammstein im Deutschunterricht“, „Rap Music and Fairy Tales“, „Currywurst oder Döner: Ist das eine Berliner Frage?“ – das sind nur drei Titel von zahlreichen Workshops, Büchern und Vorträgen, die Mohamed Esa seither veranstaltet, veröffentlicht und gehalten hat. Weil Musik ein zentrales Thema bei ihm war, fragte ihn eines Tages Dr. Gabriele Landwehr, damals Leiterin der Sprachabteilung des Goethe-Instituts in New York, was er davon hielte, die A-Cappella-Gruppe „Wise Guys“ nach Washington einzuladen. „Ich hörte mir die CDs an, fand die ersten zwei furchtbar, aber die dritte ‚Alles im grünen Bereich‘ war phantastisch, und so riet ich ihr: Wenn sie nur auf Deutsch singen, dann lade sie ein. Der Auftritt auf der Tagung der Fremdsprachenlehrer im November 2001 in Washington war ein großer Erfolg. Ein Jahr später kamen die ‚Wise Guys‘ wieder und tourten durch sechs Städte in den USA und Kanada. Und dann habe ich ein Buch über den Einsatz ihrer Lieder im Unterricht geschrieben; seither sind wir sehr gute Freunde.“

Neben seinem Einsatz für guten Unterricht und die deutsche Sprache engagiert sich Mohamed Esa, der einmal im Jahr mit Studierenden nach Heidelberg kommt, auch leidenschaftlich auf gesellschaftlicher Ebene. „Obwohl ich nicht religiös bin, bin ich Präsident unserer islamischen Gemeinde, denn ich finde eine Trennung der religiösen und der weltlichen Seite sehr wichtig. Eine Gemeinschaft muss auch von Intellektuellen getragen werden und nicht nur von religiösen Menschen“, erklärt er. Esa gibt Kurse über die arabische Welt und den Islam – und will mit dieser aufklärerischen Arbeit Vorurteilen und Terror entgegenwirken. „Ich werde mit demokratischen Mitteln, mit Recht und Verfassung gegen Terroristen wie den IS und gegen Populisten wie Donald Trump, Boris Johnson und Marine Le Pen kämpfen. Ich sage auch immer meinen Studenten, dass sie wählen gehen und sich informieren müssen. Das ist enorm wichtig.“ Aus Resignation aufzugeben ist für Mohamed Esa keine Option: „Wenn ich einmal das Handtuch werfen sollte, dann habe ich noch mindestens zehn weitere Tücher im Schrank.“

http://mohamedesa.blogspot.de