Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Fluchterfahrung verarbeitet

Von Jana Gutendorf

Schon als Kind träumte Saša Stanišić (Foto: Katja Sämann) davon, als Schriftsteller zu arbeiten und mit seinen Worten Welten zu erschaffen. Als Erwachsener gelingt ihm diese Kunst in Perfektion. Stanišićs Debütroman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Literaturpreisen gewürdigt. Sein Weg zum Bestsellerautor führte ihn auch über die Universität Heidelberg, an der er von 1997 bis 2004 Deutsch als Fremdsprachenphilologie und Slavische Philologie studierte.

„Ich wollte Schriftsteller werden, seit ich zehn bin“, betont Saša Stanišić, „aber es gab auch einen zweiten Plan, einen sicheren, so glaubte ich.“ Dieser Plan sah vor, Lehrer für Deutsch als Fremdsprache zu werden. Das Berufsziel des Deutschlehrers vor Augen immatrikulierte sich Saša Stanišić nach dem Abitur an der Ruperto Carola. Der Wunsch, damit Fremden im Land und Geflüchteten bei der Integration zu helfen, basierte auf seiner eigenen, bewegten Lebensgeschichte: Im Alter von 14 Jahren floh der in Bosnien-Herzegowina geborene Stanišić zusammen mit seiner Mutter vor den Auswirkungen des Bosnienkriegs nach Heidelberg. Hier lernte er Deutsch an der Internationalen Gesamtschule und wurde von seinem Lehrer ermuntert, seine Erlebnisse in der für ihn zunächst noch fremden Sprache zu Papier zu bringen und auf diese Weise zu verarbeiten.

Ein Studium außerhalb von Heidelberg kam für Stanišić, der in Deutschland längst eine neue Heimat gefunden hat, zunächst nicht in Frage. „Heidelberg war ein guter Ort für mich“, stellt er rückblickend fest. Hier verbrachte er sein Studentenleben in der Weststadt, verdiente sich ein Zubrot als Aushilfsgärtner und besuchte Vorlesungen in der Slavistik und am Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie (IDF). Dort traf er auf Gleichgesinnte, fand Gesprächspartner in seinen Professoren, die seinen Wunsch förderten, Schriftsteller zu werden.

„Es gab mehrere Dozenten am IDF und in der Slavistik, in deren Leidenschaft, zu lesen und über das Gelesene zu sprechen, ich Verbündete fand und Bestätigung, dass die eigene Literaturproduktion einen Mehrwert hat außerhalb des Buches“, so Stanišić. Da ihm das Studium leichtfiel, begann er neben der Teilnahme an Seminaren und Vorlesungen mehr und mehr literarische Texte anzufertigen. Der Kindheitstraum, dereinst vom Schreiben zu leben, wurde wieder wach und nahm einen immer größeren Raum ein.

Von 2001 an begann Saša Stanišić, Gedichte, Essays und Kurzgeschichten zu veröffentlichen, nahm nach dem Abschluss seines Studiums an der Heidelberger Universität ein Zweitstudium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig auf und wurde bereits ein Jahr später mit dem Publikumspreis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs ausgezeichnet. Im Jahr 2006 erschien sein Debütroman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“, für den er den Förderpreis des Bremer Literaturpreises erhielt. In dem Roman, in dem sich Autobiographie und Fiktion mischen, erzählt er von einem bosnischen Jungen, der vor dem Krieg in seinem Land nach Deutschland flieht.

Sein Erstlingswerk sei das Resultat aus vielen offenen Fragen an seine Kindheit, den Krieg und die Flucht, erläutert der Heidelberger Alumnus im Gespräch. Seine Fragen und auch die Geschichten und Erzählungen Dritter habe er gesammelt, aufgeschrieben und sich dann weitere Geschichten dazu ausgedacht. Im Jahr 2014 erschien sein zweiter Roman „Vor dem Fest“, der in einem Dorf in der Uckermark spielt. In diesem Jahr veröffentlichte er mit „Fallensteller“ einen Erzählband, der von Menschen handelt, „die Fallen stellen, die sich locken lassen und befreien“. An neuen Einfällen mangele es ihm darüber hinaus nicht, sagt Saša Stanišić: „Ich habe immer zehn Ideen gleichzeitig für ein neues Buch. Blockaden kenne ich nicht. Nur langes Nachdenken.“

Siehe auch Interview mit Saša Stanišić: „Blockaden kenne ich nicht, nur langes Nachdenken“