Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Muskelzucken für die Forschung

Von Oliver Fink

Aufwändige technische Geräte, um die Funktionsweise des menschlichen Körpers zu ergründen, um Knochen, Muskeln, Haut, Organe und Nerven zu untersuchen, gab es bereits im 19. und 20. Jahrhundert. Davon zeugen rund 100 Apparaturen und Modelle aus der Sammlung des Instituts für Physiologie und Pathophysiologie der Ruperto Carola. Sie gewähren spannende Einblicke in die Geschichte der medizinischen Forschung.

Mit Hilfe dieser Geräte wurden die Grundlagen für die spätere Entwicklung heute weitverbreiteter klinischer Messmethoden wie EKG (Elektrokardiogramm) oder EEG (Elektroenzephalogramm) geschaffen. Geräte, die beispielsweise elektrische Reize zur Stimulation von Nerven- und Muskelzellen erzeugen konnten, um Vorgänge wie Muskelkontraktionen mit dem sogenannten Schlitteninduktorium (Foto: Institut für Physiologie und Pathophysiologie) oder Prinzipien der Nervenleitung zu untersuchen. Wichtige Impulse ergaben sich dabei immer wieder aus dem Zusammenspiel verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. In der Sammlung finden sich auch mehrere Instrumente, die auf Hermann von Helmholtz zurückgehen, der von 1858 bis 1870 eine Professur für Physiologie an der Universität Heidelberg innehatte, sich aber vor allem als Physiker einen Namen gemacht hat.

Lange Zeit lagerten die historischen Apparaturen ungeordnet in verschiedenen Räumen und Schränken des Instituts für Physiologie und Pathophysiologie. Zusammengeführt und erstmals sortiert wurden sie vor drei Jahren. „Unsere Sammlung befindet sich noch im Aufbau. In einem ersten Schritt haben wir alle Objekte gesichtet und katalogisiert. Nun versuchen wir nach und nach mehr über die Geräte herauszufinden und Beschreibungen der Herkunft und Funktion zu erstellen. Für entsprechende Hinweise sind wir dabei sehr dankbar“, betont der Ansprechpartner der Sammlung, Dr. Stefan Titz.

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte der Berliner Wissenschaftler Emil Du Bois-Reymond (1818 bis 1896) das sogenannte Schlitteninduktorium, das ebenfalls in der Sammlung vertreten ist. Du Bois-Reymond gilt als Begründer der Elektrophysiologie, die uns heute in klinischen Methoden wie dem Elektrokardiogramm als Aufzeichnung elektrischer Aktivitäten der Herzmuskelfasern oder in der Elektroenzephalografie zur Messung von elektrischen Strömen im Gehirn begegnet. Apparate wie das Schlitteninduktorium konnten Wechselspannungen generieren, die zur Erzeugung elektrischer Muskel- und Nervenreize in der Medizin und Physiologie genutzt wurden.

Dabei wird eine Sekundärspule ganz oder teilweise mittels einer Schlittenführung über eine Primärspule geschoben. Das ermöglicht eine Änderung der magnetischen Kopplung und damit der Höhe der Induktionsspannung. Durch das Einschieben eines aus dünnen Eisendrähten bestehenden Kerns in die Höhlung der Primärspule lässt sich der Induktionsfluss durch diese Spule vergrößern und die induzierende Wirkung auf die Sekundärspule bedeutend verstärken. Emil Du Bois-Reymond untersuchte mit dem Gerät bioelektrische Phänomene der Muskelkontraktion. Mit seinen Experimenten trug er gemeinsam mit Hermann von Helmholtz, mit dem er auch befreundet war, maßgeblich zur Entwicklung einer naturwissenschaftlich orientierten Medizin bei, innerhalb derer die Physiologie zur Leitwissenschaft wurde.

Die Sammlung ist kein Museum im eigentlichen Sinne. Im ersten Stock des Instituts für Physiologie und Pathophysiologie, Im Neuenheimer Feld 236, befinden sich jedoch vier Vitrinen, in denen ausgewählte Objekte ausgestellt sind. Sie können während der Öffnungszeiten des Instituts besichtigt werden.

Ein ausführlicheres Profil der Sammlung ist zu finden unter: www.uni­-heidelberg.de/unispiegel/physiologie.html

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