Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Kinder und Karriere unter eine Robe gebracht

Von Mirjam Mohr

Als Gabriele Meister (Foto: privat) 1966 in Heidelberg mit dem Jurastudium begann, lag eine ungewöhnliche Schullaufbahn hinter ihr: Als Tochter eines Bundeswehroffiziers musste sie oft umziehen, hatte neun verschiedene Schulen in Deutschland und im Ausland besucht – unter anderem in Rom, Paris, München und Bonn – und bereits mit 17 Jahren das Abitur abgelegt. Doch die häufigen Ortswechsel in Kindheit und Jugend stellten sich als Vorteil für ihre Berufslaufbahn heraus: Da durch ihre Auslandserfahrungen Ganztagsschulen und berufstätige Mütter ein vertrautes Modell für sie waren, ging Gabriele Meister später als Mutter von drei Kindern ohne Unterbrechungen ihrem Beruf nach. „Hätte ich nicht durchgängig gearbeitet, hätte ich nicht die Karriere machen können, die ich gemacht habe“, sagt die ehemalige Präsidentin des Amtsgerichts Mannheim, die jüngst in den Vorstand der Stiftung Universität Heidelberg berufen wurde.

Eigentlich wollte Gabriele Meister am Dolmetscher-Institut der Ruperto Carola studieren, weil sie wegen ihrer Auslandsaufenthalte schon von 14 Jahren an fließend Englisch und recht gut Französisch und Italienisch sprach. „Aber ich war ja erst 17, und mein Vater bestimmte, dass ich ‚etwas Vernünftiges‘ studieren sollte; und so bin ich zu Jura gekommen“, blickt die heute 67-Jährige zurück.

Zunächst habe sie die „Horrorvorstellung“ gehabt, dass sie dann möglicherweise Amtsgerichtsrätin werden würde – „das klang so verstaubt und schrecklich.“ Aber die Referendarzeit habe die Juristerei viel attraktiver gemacht: „Da schien es mir dann doch ein schöner Beruf zu sein. Ich dachte mir, ich fange mal an und schaue, wie das Leben so spielt – und habe es nicht bereut!“

Das Leben führte Gabriele Meister in verschiedene Richterstellen in der Region. 1995 wurde sie zur Richterin am Oberlandesgericht Karlsruhe ernannt. „Dann kam irgendwann der Präsident des Gerichts und sagte: ‚Ich glaube, Sie könnten auch ein Gericht leiten. Wollen Sie es nicht mal versuchen?‘ Und da habe ich gedacht: Versuchen kann man das doch.“ So wurde die Juristin 1998 zur Direktorin des Amtsgerichts Wiesloch ernannt, wodurch sie zugleich Leiterin der dortigen Jugendarrestanstalt wurde. „Das passte gut, denn meine Kinder waren damals im Teenager­-Alter; und so habe ich einen guten Kontakt zu den Insassen aufbauen können, weil ich ja viel mit jungen Leuten zusammen war.“

Das Organisieren machte Gabriele Meister Spaß, wie sie erzählt, und ab dem Jahr 2000 konnte sie die Arbeit an einem größeren Gericht organisieren: Sie übernahm die Leitung des Amtsgerichts Heidelberg. Fast eine Dekade später, 2009, kehrte sie als Vorsitzende Richterin an das Oberlandesgericht Karlsruhe zurück, bevor sie 2011 – als letzte Station ihrer beruflichen Karriere – Präsidentin des Amtsgerichts Mannheim wurde. Seit 2014 ist Gabriele Meister pensioniert.

„Eine solche Karriere war in meiner Generation für eine Frau mit drei Kindern zumindest in der Justiz nicht üblich – ich kenne jedenfalls keine andere“, erklärt die frühere Richterin. Einfach sei es nicht gewesen, Beruf und Kinder unter eine Robe zu bringen: „Ich habe 16 Jahre lang halbtags gearbeitet, aber es gab damals so gut wie keine Betreuungsmöglichkeiten, sodass ich verschiedene Kinderfrauen zu Hause hatte. Finanziell war das ein Nullsummenspiel, denn mein ganzes Geld, das ich verdient habe, ging in die Kinderbetreuung. Doch ich wollte einfach arbeiten und trotzdem nicht auf Kinder und Familie verzichten – und das geht, man muss aber gut organisiert sein.“

Während heute berufstätige Mütter gesellschaftlich akzeptiert seien, habe sie sich noch Vorwürfe anhören müssen, ob es denn gut für die Kinder sei, wenn sie einen halben Tag nicht von der Mutter betreut würden, erinnert sich Gabriele Meister. Durch ihre eigene Erfahrung mit Ganztagsschulen im Ausland, die ihr selbst sehr gut getan hätten, habe sie sich aber gedacht: „Das lebst du jetzt auch hier.“ Sie habe sich in dieser Rolle auch als Vorreiterin für die Frauen gesehen und den Nachkommenden den Weg bahnen wollen: „Deswegen habe ich immer alle Chancen ergriffen, die an Karriereschritten möglich waren, weil ich zeigen wollte, dass es funktionieren kann. Es hat auch geklappt und sich ausgezahlt – aber das kann man zu Beginn natürlich nicht wissen.“ Dass die Berufstätigkeit als Mutter kein abschreckendes Beispiel war, zeigt sich auch daran, dass Gabriele Meisters Tochter, die sie inzwischen zur zweifachen Oma gemacht hat, ebenfalls berufstätig ist.

Nachdem ihre eigenen Kinder erwachsen waren, betätigte sich Gabriele Meister noch in einer anderen Hinsicht als Wegbereiterin für berufstätige Mütter: Als Präsidentin des Mannheimer Amtsgerichts hob sie dort eine Kindertagesstätte aus der Taufe. „2011 hatten die Kommunen noch nicht so viele Kitas eingerichtet wie jetzt; und als der baden-württembergische Justizminister sagte, wer könne, der solle sich in seiner Einrichtung um die Kinderbetreuung kümmern, da war das natürlich mein Thema!“ Die nötigen Planungen und Umbauarbeiten nahmen zwar mehr Zeit in Anspruch als gedacht, aber seit 2013 gibt es nun am Amtsgericht Mannheim eine Tagesstätte für alle Kinder von Landesbediensteten, damit berufstätige Mütter wie auch Väter weniger Sorgen haben, als es noch eine Generation zuvor bei Gabriele Meister der Fall war.

Siehe auch: „Stiftung Universität Heidelberg mit neuem Vorstand“