Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Praktikant ließ Kunstgeschichte alt aussehen

Von Oliver Fink

Praktika dienen der beruflichen Orientierung. Das hatte auch der Karlsruher Abiturient Georg Kabierske im Sinn, als er sich im vergangenen Jahr an der Staatlichen Kunsthalle seiner Heimatstadt um ein solches bewarb. Doch dann geschah etwas Unerwartetes: Im Fundus des Museums entdeckte er bislang unbekannte Zeichnungen des italienischen Kupferstechers und Architekten Giovanni Battista Piranesi aus dem 18. Jahrhundert (Foto: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe) – eine kleine Sensation, die ein großes Echo nicht nur in Deutschland verursachte. Mittlerweile studiert der 21-Jährige Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg.

Zu den Hauptaufgaben von Georg Kabierske während seines Praktikums zählte vor allem die Mitarbeit beim Inventarisieren, die Bestandsaufnahme von Objekten der Sammlung. Gleichzeitig wollte der Abiturient, der in der Oberstufe einen Kunst-Leistungskurs belegt hatte, aber auch die Gelegenheit nutzen, „andere Originale anzuschauen“. Unter anderem fiel die Wahl auf den klassizistischen Architekten Friedrich Weinbrenner (1766 bis 1826), zu dem gerade eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe vorbereitet wurde.

Beim Durchblättern von zwei Alben mit eingeklebten Blättern, so schildert er es, stieß er auf fast 300 Zeichnungen, die stilistisch so gar nicht zu Friedrich Weinbrenner passten. Beim näheren Betrachten kam ihm dagegen Giovanni Battista Piranesi (1720 bis 1778) in den Sinn: „Ich interessiere mich besonders für Grafik und speziell für Architekturzeichnungen. Mit dem Werk Piranesis, zu dem ich auch schon ein Referat in der Schule gehalten habe, bin ich sehr vertraut. Seine Radierung der Cestius-Pyramide hängt sogar bei mir zu Hause über meiner Zimmertür.“

Doch konnte es wirklich sein, dass Zeichnungen des italienischen Künstlers in Alben eines deutschen Architekten gelangt waren, ohne dass es bislang jemandem aufgefallen war? Was folgte, war eine „durchgemachte Nacht“, in der Kabierske in Internet-Datenbanken mit digitalisierten Piranesi-Zeichnungen intensiv recherchierte. Sein Verdacht erhärtete sich. „Als ich mir ziemlich sicher war, bin ich mit meiner Entdeckung zur Leiterin des Kupferstichkabinetts gegangen; sie war natürlich sehr überrascht und verwies auch auf die ‚Fallhöhe‘, falls sich meine Einschätzung als falsch herausstellen würde“, erzählt er. Deshalb wurde weiter geprüft und es wurden externe Experten einbezogen, auch aus dem Ausland. Sie kamen schließlich zu dem Schluss, dass es sich tatsächlich um Originale von Piranesi und seiner Werkstatt handeln müsse. Für die Kunsthalle Karlsruhe war das ein Glücksfall.

Zu dem Fund hat Georg Kabierske, der seit dem vergangenen Wintersemester in Heidelberg Europäische Kunstgeschichte und Klassische Archäologie im Nebenfach studiert, inzwischen zwei Aufsätze vorgelegt – einen ausführlichen Bericht für die internationale Fachzeitschrift „Master Drawings“, wo der Text sogar zur Titelstory avancierte, sowie einen Beitrag für den Katalog zur besagten Weinbrenner-Ausstellung. Zudem durfte er im Sommer auf einem Piranesi-Kongress in Stockholm über seine Entdeckung berichten.

Auf die Frage, wie die Zeichnungen in das Weinbrenner-Konvolut geraten sind, gibt es auch eine erklärende Antwort: „Friedrich Weinbrenner hat die Zeichnungen wohl von seinem Italienaufenthalt zwischen 1792 und 1797 mitgebracht. Zu der Zeit hatte Francesco Piranesi die Werkstatt seines verstorbenen Vaters in Rom aufgelöst und Sachen verkauft. Weinbrenner scheint die Zeichnungen dort direkt erstanden zu haben, um sie als Vorlagenmaterial zu verwenden. Verschiedene Darstellungen wie etwa Reliefmotive kann man tatsächlich in seinen Bauten wiederfinden“, erläutert Kabierske. Nach dem Tod Weinbrenners gelangten die Alben mit weiteren Dokumenten zunächst in den Besitz des badischen Großherzogs und von dort in den 1860er-Jahren in die Karlsruher Kunsthalle. In einem wissenschaftlichen Kontext werden die Alben in einer Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Heidelberger Doktorarbeit zu Weinbrenner erwähnt, ihr gesamter Inhalt wurde dem Karlsruher Architekten pauschal zugeordnet. Die Weinbrenner-Forschung hat das ungeprüft übernommen.

Dass er einmal Kunstgeschichte studieren würde, stand für Georg Kabierske bereits vor seinem Praktikum fest. Schon lange begeistert er sich für alte Bücher zur Architektur, ein besonderes Faible hat er für grafische Darstellungen alter Schlösser. Und so hatte er auch kein Problem damit, dass seine Eltern, die ebenfalls Kunstgeschichte studiert haben, im Urlaub stets viele Gebäude und Museen mit ihm besichtigten.

Das Studium an der Ruperto Carola gefalle ihm, sagt er, besonders angetan sei er von der Universitätsbibliothek mit ihrem Sammelschwerpunkt Kunstgeschichte. Über seine Studienstadt hat er sich auch gleich historisch informiert und dabei festgestellt, dass Friedrich Weinbrenner hier ebenfalls als Architekt gewirkt hat. Noch steht Georg Kabierske am Anfang seines Studiums, aber wohin es gehen soll, davon hat er bereits eine klare Vorstellung: „Später würde ich gerne in der Forschung arbeiten, sei es an der Universität oder in einem Museum.“ Und rückblickend war das Praktikum in Karlsruhe auf jeden Fall mehr als lediglich eine Orientierung.