Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Er hat einen Traum

Von Oliver Fink

Leicht fiel ihm die Entscheidung nicht und dennoch erscheint sie im Nachhinein konsequent: Im Jahr 1994 beschloss Dr. Matomora K.S. Matomora, seine Stelle als Dozent für Public Health an der Universität Heidelberg aufzugeben, um in sein Heimatland Tansansia zurückzukehren. Dort erwartete ihn eine ganz besondere Herausforderung – die Betreuung eines Entwicklungsprojekts im Tunduru-Distrikt, aus dem er selbst stammt. Überredet hatte ihn dazu ein alter Freund, der im Herbst 2014 verstorbene Unternehmer Heinz-Horst Deichmann, der Gründer der Schuheinzelhandelskette.

Dessen Stiftung „wortundtat“ sicherte die finanzielle Unterstützung des Vorhabens. „Für die Dozententätigkeit in Heidelberg gab es auch andere qualifizierte Menschen, die Aufgabe in meinem Heimatdistrikt aber schien wie auf mich zugeschnitten“, schildert Matomora, der an der Universität Heidelberg auch studiert hatte, seine damaligen Beweggründe.

Matomora Buch I

Geboren wurde Matomora Matomora 1944 als Sohn einer im Süden Tansanias beheimateten muslimischen Familie. Er und ein weiterer Schüler waren 1959 die Ersten aus dem Tunduru-Distrikt, die die Aufnahmeprüfung für die Oberschule bestanden. Als richtungsweisend erwies sich Anfang der 1960er-Jahre ein Ferienjob in einem Krankenhaus christlicher Missionare: Matomora konvertierte zum Christentum. Und später finanzierten die Missionare ihm ein Medizinstudium in Deutschland: Im Sommersemester 1968 begann er es an der Universität Köln, nach dem Physikum wechselte er an die Ruperto Carola.

„Die Kölner Studentenszene war mir ein wenig zu unpolitisch. Heidelberg hatte da einen ganz anderen Ruf. Hier habe ich mich gleich in der Evangelischen Studentengemeinde engagiert, aber auch in Gruppen wie dem ‚Komitee Südliches Afrika‘“, erinnert sich Matomora: „Ich wollte mehr über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in meinem Heimatkontinent, über die Befreiungskämpfe erfahren – einige Länder Afrikas waren zu dieser Zeit ja noch immer Kolonien.“ Seine 1979 am damaligen Institut für Tropenhygiene und öffentliches Gesundheitswesen abgeschlossene Doktorarbeit über die Entwicklung des Gesundheitssystems in Tunduru erscheint im Rückblick geradezu als Vorbereitung seiner heutigen Tätigkeit.

Das von „wortundtat“ unterstützte Projekt KIUMA – das Kürzel steht für „Kanisa la Upendo wa Kristo Masihi“ (auf Deutsch: „Kirche der Liebe Christi“) – bietet rund 300 000 Menschen im südlichen Tansania Unterstützung bei der Schul- und Berufsausbildung, in der Landwirtschaft und vor allem bei der medizinischen Versorgung. Dass Matomora Matomora sich dazu entschloss, bei diesem Vorhaben mitzuwirken, lag auch an der politischen Entspannung, die in den 1990er-Jahren einsetzte: Während der christlich dominierte Norden Tansanias in den vergangenen Jahrzehnten durchaus Fortschritte – etwa im Bildungsbereich – gemacht hatte, hinkte der muslimisch geprägte Süden in seiner Entwicklung hinterher, was nicht zuletzt mit den Unabhängigkeitskämpfen im benachbarten Mosambik zusammenhing. Das änderte sich nun, auch weil es Matomora unter der Losung „Religion ist Privatsache“ gelang, die Muslime mit ins Boot zu holen und vom allgemeinen Nutzen der Entwicklungsprojekte zu überzeugen.

„Zwischen 1958 und 1997 hat sich im Süden kein Präsident Tansanias blicken lassen. Seit der Grundsteinlegung von KIUMA, das sich mittlerweile zu einem Dorf entwickelt hat, bekommen wir regelmäßig Besuch vom Staatsoberhaupt und weiteren hochrangigen Politikern, die sich vor Ort über den Stand der Projekte erkundigen“, betont Matomora. Und für die hat er in der Regel gute Nachrichten parat. So sind in 18 Jahren jeweils über 1000 junge Menschen in der von KIUMA gegründeten Sekundarschule und in der Handwerkerschule ausgebildet worden. Außerdem wurde es mehreren hundert Abiturienten ermöglicht, ein Universitätsstudium aufzunehmen.

Die Regierung hat im Gegenzug versprochen, die größten infrastrukturellen Probleme anzugehen. Dazu gehört der Ausbau der Straße zur regionalen Hauptstadt Songea. „Auch wenn es natürlich regionale Unterschiede gibt – in bestimmten Gebieten beispielsweise ist Malaria ein größeres Problem als anderswo –, hat man in Afrika immer mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen“, erklärt Matomora: „Das tägliche Leben ist geprägt von Armut mit Begleiterscheinungen wie mangelnder Ernährung, niedrigem Bildungsstand und schlechten hygienischen Zuständen. Dagegen wollen wir angehen.“

Bei seiner jetzigen Tätigkeit für KIUMA profitiert Matomora auch von den Erfahrungen, die er zuvor bei der afrikanischen Nichtregierungsorganisation AMREF gesammelt hat. Zu deren Ziel gehört es, einen flächendeckenden Basisgesundheitsdienst in Afrika mit einheimischen Fachkräften einzurichten. Für die Organisation mit Sitz im kenianischen Nairobi arbeitete Matomora in den 1980er-Jahren als Koordinator und Dozent. Von dort wurde er in viele afrikanische Länder gesandt, um Ärzte und medizinisches Personal zu unterrichten. Auch ein Jahr als Dozent am Tropeninstitut der belgischen Universität Antwerpen zählte zu dieser Tätigkeit. Von AMREF ging es schließlich 1990 zurück an die Universität Heidelberg. Dass er diese Stelle schon nach ein paar Jahren wieder aufgeben würde, war dabei nicht geplant. Aber bereut, so sagt Matomora Matomora, habe er diesen Schritt bis heute nicht.

Unter dem Titel „Matomora Matomora. Der längste Umweg führt nach Hause“ ist 2012 im Neufeld Verlag eine Biographie des Alumnus der Ruperto Carola erschienen. Geschrieben hat sie die Publizistin Hanna Schott, das Vorwort stammt von Heinz-Horst Deichmann. Die Printausgabe ist momentan vergriffen, als E-Book ist die Biographie aber weiterhin erhältlich.